„Mensch sein heißt, immer auch anders werden zu können“, hat Viktor Frankl gesagt. Frankl, Ahnherr des Redens über den Sinn, hätte auch gut Pate stehen können für die Caritasgespräche Anfang dieser Woche in St. Arbogast.

Dietmar Steinmair

Wissen - Zweifeln - Glauben. Diese Trias hat Philosophen aller Zeiten beflügelt. „Dubitans cogito, ergo sum“, meinte René Descartes im 17. Jahrhundert in seinen Meditationen: „Zweifelnd denke ich, also bin ich.“ Knapp hundertfünfzig Jahre später sagte Immanuel Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft: „Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.“ Gehört das Zweifeln untrennbar zum Menschsein?

Denken heißt zweifeln
Apodiktisch vorgetragene Wahrheiten sind nicht die Sache der Referent/innen der diesjährigen Caritasgespräche. Drei von ihnen haben Doktorate in Psychologie, drei von ihnen studierten Theologie. Und da gute Dogmatik weiß, dass später - im Jenseits - vieles auch anders sein könnte, gab es in Arbogast vor allem Gespräch, Diskussion, Debatte. Dennoch mit unterschiedlichen Akzenten.

Neue Positionen statt Lösungen
Für Hilarion Petzold, den man als Universalgelehrten der Psychologie bezeichnen könnte, ist der Mensch grundsätzlich ein „Überwinder“. Zweifel führt für Petzold nicht bloß zu Alarmiertheit, sondern spiegelt vielmehr die unbändige menschliche Neugierde wider. Der Zweifel drängt uns vorwärts, nachzufragen. Wobei es, so Petzold in klassischer philosophischer Tradition, nicht darum gehe, Lösungen zu finden, sondern darum, neue Positionen zu beziehen. Die dann wieder Ausgangspunkt für die weitere Suche seien: „Alles fließt“, gab sich Petzold als Fan des antiken Denkers Heraklit zu erkennen.

Den Blick auf heute schärfte dagegen der Psychologe und Wirtschaftswissenschaftler Guido Strunk. Für ihn ist alles ungewiss. Ein Beispiel aus seinem Bereich: Klassische Berufskarrieren - im Sinn von „Laufwegen“ - gebe es nicht mehr. Die Komplexität in vielen Lebensgeschichten zeige, dass sich alles verändere. Flexibilität sei angesagt.

Wo steht der Einzelne?
Dieses Wort geistert bereits Jahrzehnte durch die Wirtschaftsseiten von Medien. Wo aber steht der Einzelne? Die überkommenen Institutionen wie Kirchen, Regierungen, Gerichte, Gewerkschaften oder Unternehmen bröckeln ebenso wie die traditionellen Formen der Familie. Wo also kann ein Mensch heute Vertrauen finden? In der Familie (trotzdem!), bei Freunden, in der Nachbarschaft, sind sich die Referenten einig.

Vom Sinn zum Glauben
Auch die Psychologin Tatjana Schnell unterscheidet zwei Arten von Zweifel. Der kreativen Variante, die den Menschen seine Umwelt erforschen lässt, stellt sie die destruktive Form entgegen, die zum Verlust der Machbarkeits-Illusion und letztlich zum Verlust von Sinn führe.

„Ich bin der: Ich bin da"
Caritas-Direktor Michael Landau, seit einigen Wochen auch Präsident der Caritas Österreich, hat zu alledem einen existenziellen Zugang: „Wo findet Begleitung von Menschen in Randsituationen statt?“ Gemäß der Gotteszusage in Exodus „Ich bin der: Ich bin da“ gehe es auch in der Kirche mehr ums Bezeugen, weniger ums Verkündigen. Und letztlich wüssten Christen ja: „Wir müssen die Welt nicht erlösen, sie ist schon erlöst.“ Unsere Aufgabe, so Landau, bestehe vor allem darin, wie wir dieses Wissen umsetzen.