Jede Zeit und Kultur hat ihren „Hunger“. In den Hungertüchern wird er mit Formen und Farben eindrücklich vor Augen geführt. Eine bunte Sammlung solcher Tücher ist in der Fastenzeit im Alten Pfarrhof in Balzers zu sehen. Betrachtenswert.

Patricia Begle

Ursprünglich verhängten Hungertücher in der Fastenzeit den gesamten Altarraum. Abstinenz war angesagt - auch in Bezug auf das Altarssakrament. Das große Tuch spannte sich wie ein Vorhang vor das Geschehen. Herabgelassen wurde es erst in der Karwoche. Nämlich dann, wenn die passende Stelle aus der Passionsgeschichte gelesen wurde: „Der Vorhang (des Tempels) riss mitten durch.“ Das Hungertuch von Bendern gehört zu dieser Hungertuch-Tradition. Es stammt aus dem Jahre 1612 und zeigt Bilder der Heilsgeschichte  - von der Erschaffung Adams bis zur Aufnahme Marias in den Himmel.

Historische Entwicklung
Später wurde die Sicht auf das Altarssakrament dann zunehmend wichtiger, sodass die Tücher auf die Seite wanderten und dort die Seiten- und Hochaltäre verhüllten. Auch aus dieser Tradition finden sich in Liechtenstein Hungertücher. Erhalten sind jene der Mariahilf-Kapelle in Balzers. Heuer hängen sie zum ersten Mal wieder dort.

Neubelebung
Das sind die Wurzeln der Tradition. Belebt wurde sie in den 1970er Jahren wieder vom Hilfswerk Misereor. Damals begann dieses, Künstler/innen zu beauftragen, ein Hunger- bzw. Fastentuch zu gestalten. Alle zwei Jahre wurde bis heute ein Tuch geschaffen, das vervielfältigt und damit Pfarren und Schulen zugänglich gemacht wurde.

Aus aller Welt
Die Künstler/innen stammen aus unterschiedlichen Kontinenten. So zeigen die Fastentücher nicht nur eine gestalterische Vielfalt sondern auch unterschiedliche Zugänge zu Passion - sowohl in theologischer als auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Die Fastentücher der vergangenen 35 Jahre erzählen von Leid und Leidenschaft, vom Einsatz für Gerechtigkeit und von der Hoffnung, die solchen Einsatz erst ermöglicht.

Solidarität
Für ein Mehr an Gerechtigkeit setzt sich auch die Stiftung „WIR TEILEN: Fastenopfer Liechtenstein“ ein. Sie hat die Ausstellung gemeinsam mit dem Kulturzentrum Alter Pfarrhof Balzers organisiert. Damit will sie nicht nur die Tradition wachhalten, sondern auch zu Solidarität aufrufen. Die Ausstellung kann so ein Anstoß sein, die Fastentücher vermehrt in Kirchen und Schulen aufzuhängen und so zum Nachdenken anregen, woran Menschen weltweit hungern und was unser Beitrag sein kann, diesen zu stillen.

Zur Sache

Ausstellung: Auf Tuchfühlung mit Hunger und Armut

Öffnungszeiten:
13. Februar bis 1. April, Fr 16 bis 19 Uhr
Sa und So 14 bis 18 Uhr
Eintritt frei
Alter Pfarrhof, Egerta 11, 9496 Balzers, T +423 384 01 40

Ausgestellt werden 14 Hungertücher des Hilfswerkes „Misereor“ und des „Fastenopfer Schweiz“ sowie Kopien der historischen Hungertücher aus Bendern und Balzers. Zeitgleich zur Ausstellung werden in der Mariahilf-Kapelle in Balzers Kopien der drei Fastentücher aus der ersten Hälfte des 18. Jh. gezeigt.

Begleitprogramm:

Öffentliche Führung durch die Ausstellung.
So 24. Februar, 16 Uhr, Alter Pfarrhof Balzers.

Die drei historischen Fastentücher aus Balzers. Führung mit Marukus Burgmeier.
So 3. März, 16 Uhr, Mariahilf-Kapelle, Balzers

Öffentliche Führung durch die Ausstellung.
Sa 9. März, 14 Uhr, Alter Pfarrhof Balzers.

Auf theologischer Tuchfühlung... Betrachtung ausgewählter Hungertücher mit Beat Vogt, Theologe.
So 17. März, 16 Uhr, Alter Pfarrhof Balzers

Die Spargruppen in Madagaskar - ein Beispiel von gelingender Entwicklungshilfe. Thomas Schubiger, Fastenopfer Schweiz, und Christel Kaufmann, Katechetin, berichten von Madagaskar.
Di 19. März, 17 Uhr, Alter Pfarrhof Balzers.

Das Fastentuch von Bendern. Führung zur Fastenzeit mit Nidija Felice.
Mi 20. März, 18 Uhr, Landesmuseum Liechtenstein, Vaduz

Die drei historischen Fastentücher aus Balzers. Führung mit Marukus Burgmeier.
So 24. März, 16 Uhr, Mariahilf-Kapelle, Balzers.