Wo über 2.200 Jugendliche zusammentreffen, geht es laut und lebendig zu. So laut, dass man kaum sein eigenes Wort verstehen kann. Aber plötzlich wird es leise und vier Menschen erzählen von ihrem Schicksal(sschlag), wie sie damit umgehen und was für sie im Leben wirklich zählt.

Simone Rinner

„Diese vier Menschen wurden gezwungen“, erklärt die Organisatorin des Jugendkongresses „Was im Leben wirklich zählt“ im Festspielhaus Bregenz, Simone Fürnschuß. Gezwungen, sich mit dem eigenen Schicksal auseinanderzusetzen, das in allen vier Fällen kein leichtes ist. Gezwungen „nachzuspüren und zu sehen, was sie im Leben trägt und es wertvoll macht“. Um nun ganz freiwillig zwar keine Patentrezepte, dafür aber Inspiration an die Jugendlichen zu vermitteln.

Vier Schicksale

Samuel Koch, Barbara Pachl-Eberhart, Pablo Pineda und Jennifer Teege. Die Namen sagen einem etwas, die Gesichter sind einem geläufig und bei der einen oder dem anderen kennt man sogar die Geschichte.

Samuel KochDie von Samuel Koch zum Beispiel, der nach einer misslungenen Wette bei „Wetten, dass..?“ im Jahr 2010 querschnittsgelähmt ist. Für den früheren Raumfahrt- und Sportstudenten ein Schicksalsschlag, der alle seine Zukunftspläne zerstörte, denn die waren ausnahmslos mit Bewegung verknüpft. Sein Körper ist für ihn zwar eine „tote Hülle“, dennoch hat er die Hoffnung auf Heilung nicht aufgegeben. Auch wenn sein Verstand ihm davon abrate. Koch orientiert sich an Glücksmomenten und führt eine Dankbarkeitsliste. Und dazu gehört auch, wenn er dank der Hilfe anderer niesen kann. Zufrieden sein, aber nicht zufrieden geben, so sein Motto.

Lachen und weinen
Auch die ehemalige Rote Nasen Clowndoktorin Barbara Pachl-Eberhart hat eine „Schicksalsverwandlung“ hinter sich, erklärt sie. Ihr Mann Heli und ihre beiden Kinder Thimo und Valentina starben 2008 bei einem Autounfall. „Scheiß dr nichts“ oder übersetzt „Sei mutig“, habe Heli ihr nach seinem Tod im Traum gesagt. Und das war sie. „Das Leben will weitergehen und wir müssen nichts tun, als es dabei zu unterstützen“, erklärt sie. Im Laufe der Jahre hat sie ihre Stärken entdeckt, geweint, gewünscht, trotzig gelacht, Neues gelernt und versucht, sich nicht selbst auch noch zu verlieren. Für manche wirkte ihr Umgang mit dem Verlust eigenartig. Für sie war der „allermutigste Schritt überhaupt“ glücklich zu sein. Denn das Unglück alleine zu ertragen gehe gut, aber Glück nicht teilen zu können, sei schwer. Heute, so Pachl-Eberhart, ist sie glücklich. Nur eben anders als damals.

Keine Krankheit
Der Spanier Pablo Pineda sieht sein Schicksal, das Down-Syndrom, nicht als Krankheit, sondern als Zustand. Er ließ sich von diesem „Zustand“ nicht beirren und schloss als erster Europäer mit Down-Syndrom ein Studium ab.  Heute ist er Pädagoge, Schauspieler, Autor, Referent und setzt sich unermüdlich für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen ein.

Wer bin ich?
Etwas radikaler, nämlich vom einen Tag auf den anderen, änderte sich das Leben von Jennifer Teege. Mit 38 Jahren stößt die Deutsche in der Hamburger Zentralbibliothek auf ein Buch, das ihr eröffnet, wer sie ist: Die Enkelin des NS-Massenmörders Amon Göth, auch bekannt als der „Schlächter von Płaszów“. Die Tochter eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter wurde bereits mit vier Wochen im Säuglingsheim abgegeben. Kinderheim, Pflegefamilie und die Adoption prägten ihr Leben. Die Auseinandersetzung mit ihrem Großvater endet in einer Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Immer ist da die Frage, was oder wie viel sie geerbt hat. Heute hat sie sich mit „ihrer“ Familienvergangenheit versöhnt. „Ich glaube, nur wenn man sich selbst findet, kann man das Leben finden, das für einen richtig ist“, so Teege.

Der Wertekongress wird seit 2007 in Spanien veranstaltet. Nach Ecuador, Mexiko und Portugal ist Österreich das erste deutschsprachige Land, in dem Jugendlichen versucht wird zu vermitteln, was im Leben wirklich zählt.  

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