Ethikcenter der Kirche plädiert für mehr Beratung und bessere soziale Bedingungen. Klaus Gasperi berichtet über den "Gesellschaftspolitischen Stammtisch" zum Thema "Abtreibung".

Abtreibung - eine "Wunde" der Gesellschaft?

Stellungnahmen anlässlich des "Gesellschaftspolitischen Stammtisches", Bericht darüber von Klaus Gasperi.

Kronthaler Martina - Aktion LebenMartina Kronthaler
(Aktion Leben):

Es lohnt sich für uns alle, eine familienfreundliche Gesellschaft zu schaffen und Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden. Dazu brauchen wir prinzipielle Offenheit für Ungeplantes in unserem Leben und für Kinder sowie Strukturen, die ein gutes Leben mit Kindern ermöglichen, eine frauenfreundliche Arbeitwelt und bessere Informationen über Verhütung.

Kessler Sabine - FrauenberatungSabine Kessler
(Frauenberatung):

Verschiedene Gründe können dazu führen, dass sich Frauen nicht in der Lage sehen, die Verantwortung für ein oder ein weiteres Kind zu übernehmen. Die Entscheidung einer Frau zum Schwangerschaftsabbruch ist zu respektieren. Vielmehr noch haben Frauen in dieser Notlage ein Recht auf sachliche Information und bestmögliche medizinische Versorgung.

Harder Werner - Plattform Leben Vbg.Werner Harder
(Plattform Leben Vlbg)

Maria Grundberger sprach hervorragend aus ihrer Erfahrung im Lebensschutz. Mich hat ihr Zeugnis bestärkt, weiterhin engagiert für das Leben einzutreten. Durch Abtreibung erfahren viele Mütter ein schweres Trauma, da sie oft unter einem enormen gesellschaftlichen Druck stehen. Die Beratung soll daher eindeutig auf das „Ja“ zum Leben ausgerichtet sein.

Schwärzler Peter - Fetalmediziner

Peter Schwärzler
(Fetalmediziner)

Der Arzt ist hier immer in einem Dilemma, denn es sind ja zwei Leben, die sich an ihn wenden. Ohne Schwangerschaftsabbruch herrscht oft eine hohe Müttersterblichkeit. Bei der „Pille danach” ist zu befürchten, dass die unkritische Freigabe, während andere Verhütungsmittel oft nur schwer zugänglich sind, sogar zu mehr unerwünschten Schwangerschaften führen könnte.

Herausforderung Schwangerschaftskonflikt

von Klaus Gasperi

35 Jahre nach Einführung der Fristenlösung sind die einst angekündigten Begleitmaßnahmen vielfach leere Worthülsen geblieben. Schätzungen zufolge wird in Österreich jede dritte Schwangerschaft abgebrochen. Längst ist das oft ideologisch besetzte Thema zu einer drängenden Herausforderung für die Zukunft unserer Gesellschaft geworden.

Beim „Gesellschaftspolitischen Stammtisch” des Ethikcenters erläuterte Martina Kronthaler von der Aktion Leben die Prinzipien ihrer Organisation. Deren Anliegen ist es, sich dafür einzusetzen, dass Kinder in unserer Gesellschaft willkommen sind. Im Zentrum der intensiven Beratungstätigkeit steht das non-direktive Gespräch mit offenem Ausgang. Man wolle nicht die Fristenlösung bekämpfen, da sich die ideologischen Gräben der 70er-Jahre als kontraproduktiv erwiesen hätten.

Die Aktion Leben ortet großen Bedarf an Schwangerschaftsberatung.
Es sei alarmierend, dass immer mehr Frauen und Familien durch eine Schwangerschaft in existenzielle Not geraten. Auch in puncto Aufklärung sei ein großer Nachholbedarf gegeben, das Wissen darüber oft nur oberflächlich. Völlig übersehen werde bisher die Rolle der Männer, die in dieser Situation meist sich selbst überlassen bleiben. Es brauche zu diesem Thema eine eigene Männerberatung, forderte Kronthaler. Als Vision entwarf sie das Bild einer Gesellschaft, in der Kinder als Bereicherung willkommen geheißen werden und so generell ein liebevollerer Umgang miteinander eingeübt werde.

Ein tabuisiertes Thema.
Anschließend referierte die Hebamme Maria Grundberger, die in München stark in der sogenannten Gehsteigberatung engagiert ist. Im Gespräch mit Frauen vor der Abtreibungsklinik versucht sie, Schwangeren im letzten Moment Hilfe anzubieten. In dem sehr emotional gehaltenen Vortrag erzählte sie von Frauen, die sich mit der unerwarteten Schwangerschaft oft überfordert fühlen und nach der scheinbar einfachen “Lösung” greifen. Doch es gebe kein „Ende des Konflikts“, eine Abtreibung begleite einen ein Leben lang, betonte Grundberger. „Warum wird dieses Thema in unserer Gesellschaft dermaßen tabuisiert?“, gab sie die Frage ans Publikum zurück. Oft würde sie auch mit den Frauen trauern, dies sei aber sehr schwierig, da diese ja zuvor ihr Einverständis zur Abtreibung gegeben hätten und sich nun in einer zwiespältigen Situation wiederfinden.

Die Not der Frauen sehen.
Sabine Kessler vom Frauenberatungszentrum Femail unterstrich ihr Anliegen einer korrekten Information und einer neutralen Beratung. Vielfach herrsche persönliche und soziale Überlastung, Not, Angst und Druck aus der Arbeitswelt und von Seiten der Eltern. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die kriminelle Abtreibung die weltweit häufigste Todesursache von Frauen darstelle. Insofern sei die bestehende Regelung zwar keine gute Lösung, aber dennoch die beste, die wir haben. Eine repressive Gesetzgebung würde nur zu einem starken Anstieg der Müttersterblichkeit führen, argumentierte Kessler im Hinblick auf Erfahrungen in anderen Ländern.

Zwischen den „Fronten”. Primar Dr. Schwärzler wies darauf hin, dass der Arzt sich schon vom Gesetz her in einer schwierigen Doppelrolle befinde: Nach diesem ist ein Schwangerschaftsabbruch nur zulässig, wenn er von einem Arzt vorgenommen wird. Gleichzeitig ist der Abbruch aber eigentlich gesetzwidrig, wenn auch straffrei.
Die sehr gut besuchte Diskussion verlief lebhaft. Engagierte Lebensschützer berichteten von ihren Erfahrungen und plädierten für einen sorgsameren Umgang mit dem Thema „Leben”. Generell stellte sich die Frage, wie weit es dem Menschen erlaubt sei, in das Leben einzugreifen, sei es an seinem Anfang, sei es im Alltag (beim Thema Gentechnik) oder an seinem Ende angesichts der Bestrebungen zur Legalisierung der Sterbehilfe.

Zur Sache

Unbedenklich?
Die „Pille danach“ ist mit gutem Grund rezeptpflichtig. Mit ihrer rezeptfreien Abgabe stiehlt sich die Politik aus ihrer Verantwortung für die Gesundheit vor allem junger Menschen. Diese Vorgangsweise ist eine billige Antwort auf politische Versäumnisse. Die persönliche Beratung durch Ärzt/innen sowie Investitionen in Sexualpädagogik würden zwar mehr kosten, langfristig aber auch mehr bringen. Um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern, muss in Information über partnerschaftliche Verhütung investiert werden.

Eine rezeptfreie Abgabe erhöht den Druck auf Mädchen, sexuelle Wünsche umgehend zu erfüllen und untergräbt die Bemühungen um eine partnerschaftliche Verhütung. „aktion leben“ fordert eine umfassende wertorientierte Sexualerziehung, die den liebenden und Beziehung suchenden Menschen in den Mittelpunkt stellt sowie tatkräftige individuelle Hilfen für diejenigen, die sich auch zu einem ungeplanten Kind bekennen.

Als Hormonpräparat mit erheblicher Dosierung kann die „Pille danach“ aufgrund ihrer erheblichen Nebenwirkungen keineswegs als Verhütungsmittel für den längeren Gebrauch betrachtet werden. Sie gaukelt eine falsche Sicherheit vor: Wird durch ihre frühzeitige Einnahme die Ovulation verschoben oder vorübergehend verhindert, kann die Frau trotzdem im selben Zyklus wieder schwanger werden, da ein befruchtungsfähiges Ei auch später zur Ausreifung kommen kann. Die Frau muss deshalb sofort nach der Einnahme weitere empfängnisverhütende Maßnahmen anwenden, um nicht doch noch schwanger zu werden. Die „Pille danach“ sollte daher mit Beratung über Verhütung einhergehen.

Aktion Leben Vorarlberg
www.aktionleben-vorarlberg.at