Start der 5-teiligen Serie "Mit Matthäus im neuen Kirchenjahr".

Dr. Johann Hintermaiervon Dr. Johann Hintermaier
Bischofsvikar, Regens und
Professor für Neues Testament
in Linz


Bild rechts: Matthäus im „Book of Lindisfarne“ (London, British Library). Das vollständig erhaltene Evangeliar stammt aus dem frühen 8. Jahrhundert.

Mit dem ersten Adventsonntag beginnt das neue Kirchenjahr. An den Sonntagen dieses Jahres wird aus dem Evangelium des Matthäus gelesen. 

Der Name Matthäus bedeutet „Geschenk Gottes“, und das ist diese Botschaft mit der Bergpredigt tatsächlich für uns Menschen. Jesus ist der Nachkomme Davids und der Erbe Abrahams. So wird das „Buch von der Werdung“ Jesu Christi eingeleitet (Mt 1,1). Matthäus reflektiert und verarbeitet das jüdische Erbe wie kein anderer
Evangelist. Dabei treten Zusammenhänge und Konflikte in gleicher Weise zu Tage. Die Begegnung von Altem und Neuem Testament, von Verheißung und Erfüllung, mit der zentralen Thematik, dass Gott mit uns ist, verleihen diesem Evangelium eine besondere Dynamik.

Ich bin bei euch
„Ich bin bei euch, bis zur Vollendung der Welt.“ So endet dieses Evangelium (Mt 28,20). Das grenzenlose Dasein Gottes in der Welt und für die Menschen betont Matthäus. Das Alte Testament mit der Rettergestalt des Mose fließt in die Person und Botschaft Jesu ein. In Jesus erfüllen sich alttestamentliche Verheißungen über den Messias.

Jesus bekommt in diesem Evangelium zwei Namen: „Jesus“, das heißt „Gott rettet“, und „Immanuel“, das heißt „Gott ist mit uns“ (Mt 1,21–23). Das ist die stärkende und tröstliche Botschaft für uns, dass wir nie allein und vergessen oder dem Schicksal ausgeliefert sind. Der rettende und nahe Jesus ist die Mitte ­unseres Glaubens.

Jesus spricht zu den Menschen in Reden.
Bei Matthäus hält Jesus fünf große Reden, in denen er ähnlich wie Mose als der große Lehrer auftritt. In diesen Reden wird auch deutlich, dass jeder Mensch seinen Beitrag für ein gelingendes Leben leisten kann. In der Bergpredigt (Mt 5–7) ist grundgelegt, dass ohne Gerechtigkeit und Frieden das Leben nicht gelingen kann. Das Vaterunser als dessen Kern verbindet das menschliche Streben mit dem Willen Gottes.

Um diesen Willen zu verkünden, sendet ­Jesus in einer zweiten Rede die Jünger aus (Mt 10) und in der dritten Rede spricht er von der Faszination des Himmelreiches in Form von Gleichnissen (Mt 13). Das Reich Gottes ist
zunächst klein, aber es wächst und bietet schon in dieser Welt Heimat. Diese Heimat soll auf der Erde durch die und in den christlichen Gemeinden spürbar werden. Das bringt die Gemeinderede zum Ausdruck (Mt 18). Die fünfte Rede spricht von der Endzeit (Mt 24–25). Dort wird die Wachsamkeit besonders betont und auf ein bewusstes Leben hingewiesen, das der Mensch nicht verschlafen soll (Mt 24,50).

Petrus – die menschliche Seite der Kirche.
Eine besondere Rolle bei Matthäus hat Petrus. Er vertraut ganz auf den Herrn und ist gleichzeitig kleingläubig (Mt 14,28–31). Er ist mit seinem Bekenntnis zu Jesus das Fundament der Kirche (Mt 16,13–20) und doch schläft er am Ölberg (Mt 26,36–46). Er betont großspurig, dass er Jesus nie verleugnen wird (Mt 26,35), und doch tut er es gleich drei Mal und weint darüber bitterlich (Mt 26,69–75). Petrus symbolisiert die Kirche in ihren Stärken und Schwächen, in ihren Fehlern und ­ihrer Liebe zum Herrn. Ihm gilt auch das Wort Jesu: „Komm“ (Mt 14,29), und Petrus steigt aus dem Boot und beginnt über das stürmische Wasser zu gehen. Die rettende Hand Jesu zeigt auf, wem wir absolut vertrauen können. Möge es unserer Kirche und jedem/jeder Einzelnen heute auch gelingen, auf das Wort Jesu hin mutige und heilbringende Schritte zu tun. „Seid gewiss, ich bin bei euch, bis zur Vollendung der Welt“ (vgl. Mt 28,20).