Bischof Raphael Francois Minassian ist seit 2011 Bischof von Gyumri in Armenien. Das Land zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer ist eines der Schwerpunktländer in der Auslandsarbeit der Caritas Vorarlberg. Letzte Woche war Bischof Minassian zu Besuch im Ländle.

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Dietmar Steinmair

So wie die Mitglieder seiner Kirche über die ganze Welt verstreut sind, ist auch Raphael Minassian schon weit herumgekommen. Geboren in Beirut, Libanon, studierte er ab 1966 am libanesischen Priesterseminar in Rom. 1973 wurde er zum Ordenspriester der „Patriarchalen Kongregation von Bzommar“ (Libanon), dem Hauptsitz der armenisch-katholischen Kirche, geweiht. Später war Minassian in einer armenischen Gemeinde in Südgeorgien tätig. Von 1996 bis 2006 leitete er die armenisch-katholische Gemeinde in Kalifornien, hier war er Herausgeber einer Zeitschrift und Gründer eines armenischen Fernsehsenders. 2005 wurde Minassian zum Patriarchal-exarch von Jerusalem und Amman, 2011 zum Ordinarius von Osteuropa ernannt und zum Bischof geweiht.

Ein Land - zwei Kirchen
Die mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft in Armenien ist die „Armenische Apostolische Kirche“. Orthodoxe Christen gibt es in der Kaukasusrepublik nicht, jedoch eine mit Rom vereinigte armenisch-katholische Kirche. Bischof Minassian bedauert im KirchenBlatt-Gespräch die Spaltung in die zwei Hierarchien, die verwickelte und weit zurückreichende historische Gründe hat. „Es ist eine Schande für uns Christen, dass wir keinen gemeinsamen Weg finden. Die Trennung ist das größte Zeichen unserer Schwäche“, spricht der Bischof Klartext.

Es liegt an uns
Theologisch gibt es nämlich keine Unterschiede zwischen der apostolischen und der katholischen Kirche: „Wir sind vereint, insofern wir die gleichen Sakramente und Dogmen teilen. Die Trennung ist meist eine menschliche, soziale und administrative.“ Gefragt nach Lösungen, klopft Bischof Minassian gleichsam an die eigene Brust: „Es ist nicht genug zu warten, dass jemand anderer einen Schritt zur Versöhnung und zur Vereinigung auf einen zu macht, sondern wir müssen den ersten Schritt selbst tun. Wir Kirchen haben eine große Verantwortung, diesen ersten Schritt zu tun.“ Die Frage danach, wer richtig und wer falsch handelt, wer auf dem richtigen und wer auf dem falschen Weg geht, beantwortet der Libanese ganz einfach: „Wir liegen alle falsch.“

Bischof Minassian vertritt keine frömmelnde Theologie. Im Gegenteil. Er hält nichts davon, alle Realitäten als Werk des Heiligen Geistes hinzunehmen oder „alles auf die Schultern Gottes“ zu legen. „Gott hat uns gerufen, und wir haben ‚Ja‘ gesagt. Darum haben wir neben unseren Begabungen auch die Pflicht erhalten, alles einzusetzen. Es gibt keine Entschuldigung, indem man sagt: Oh, diese Arbeit soll Gott tun. Nein: Gott gab sie mir und ich muss sie tun.“

Brücke zur tätigen Nächstenliebe
Die Frage nach der Einheit zwischen den Kirchen in Armenien verbindet sich für Bischof Minassian mit der Frage nach der Brücke zwischen Armenien und Europa. „Einheit kommt durch Respekt, dadurch, sich selbst und andere anzunehmen. Aber Einheit entsteht auch durch Wohltätigkeit.“ Als Caritas-Präsident von Armenien drückt Bischof Minassian hier seinen großen Dank aus, dass „speziell Vorarlberg, diese Diözese und diese Caritas alles tun und alles geben, um den Ärmsten zu helfen“.

Wie groß ist nun die Armut in Armenien genau? Die Armenier seien ein stolzes Volk, sagt Bischof Minassian, und dieser Stolz decke manche Schwächen und Missstände zu. „Aber ich schäme mich nicht zu sagen, dass die Armut zu groß ist in Armenien. Ich sage jedoch auch nicht, dass das ein Ergebnis der Freiheit nach dem Zusammenbruch des Sowjetregimes ist.“ Es gehe nicht um die Analyse der historischen Ursachen, sondern darum zu schauen, was die Caritas jetzt zu tun habe: „Wie können wir das Leben der Leute verbessern und ihnen ihre menschliche Würde wieder geben?“

Die mit der Armut einhergehenden medizinischen Probleme haben laut Bischof Minassian viel mit dem geringen Wissen über Gesundheit zu tun. Über die medizinische Versorgung und die Aufklärung in den Caritas-Zentren kann so bis in die Familien und Dörfer hinein gewirkt werden. Die Caritas Armenien betreibt auch ein Spital und daran angeschlossen 22 Ambulatorien, die bis zu 35 km entfernt liegen.

Möglichkeit und Hoffnung
Da es in Armenien wenige Möglichkeiten gibt, verlassen viele - vor allem junge Menschen - das Land. Manche von ihnen stranden auch in Vorarlberg. Aufgabe der Kirche in Armenien - unterstützt durch europäische Caritas-Organisationen - ist es, jungen Menschen wieder Perspektiven vor Ort zu ermöglichen.
Als Bischof sieht sich Raphael Minassian stets gefordert, den Menschen Hoffnung zu geben.  Das liegt auf einer Linie mit einem der Grundthemen von Papst Franziskus: der Armut. Der Papst, so der Bischof, werde von den Armeniern geliebt. Und das nicht nur, weil Jorge Mario Bergoglio, noch als Kardinal, als eine der ersten katholischen Autoritäten den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1915/1916 angeprangert habe.
„Der Heilige Vater kümmert sich sehr um die Fragen der Armut. Er kommt aus einem armen Land, aus einer armen Gesellschaft und darum will er natürlich gewisse Dinge ändern“, so er Bischof aus Gyumri. Der Schwung des neuen Pontifikates ist in Armenien ebenso angekommen wie in Vorarlberg.

Was Bischof Raphael Minassian den Vorarlbergern noch sagen möchte? „In nur einem Satz - ohne jede künstliche Übertreibung - möchte ich dieser Caritas, dem Bischof, der Kirche, der Zivilgesellschaft und allen hier Verantwortlichen sagen: Danke für alles, was Sie für notleidende Menschen tun, nicht nur in Armenien.“

HINTERGRUND

Die „Armenisch-katholische Kirche“ ist eine katholische Ostkirche mit armenischem Ritus. Sie ist mit Rom uniert, d.h. sie erkennt den Papst als Kirchen-Oberhaupt an. Neben der völlig eigenständigen „Armenischen Apostolischen Kirche“ ist sie die größte christliche Bekenntnisgemeinschaft in Armenien. Von den 12 Millionen Armeniern weltweit sind rund zwei Millionen armenisch-katholisch. Der armenisch-katholische Patriarch hat heute seinen Sitz in Bzommar (Libanon). Weltweit gibt es 15 Diözesen bzw. Eparchien.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde 1991 wieder ein Bischofssitz in Armenien eingerichtet: In Gyumri, der zweitgrößten Stadt Armeniens nach der Hauptstadt Jerewan.
Seit 2011 ist der aus dem Libanon stammende Raphael Francois Minassian Bischof in Gyumri. Als solcher ist er auch Ordinarius für Armenien sowie für alle armenisch-katholischen Christen in Osteuropa.

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REISETIPP ARMENIEN

Armenien ist das älteste christliche Land der Welt. Zahlreiche uralte Kirchen und Klöster sind mit der vulkangeformten Landschaft verwachsen.
Die Fa. Nachbaur-Reisen, Feldkirch, bietet im kommenden Herbst eine Reise nach Armenien an. Ausgehend von den Städten Jerewan und Gyumri werden zahlreiche Kulturschätze, Klöster und auch das Caritas-Projekt „Emils kleine Sonne“ besucht. Diese Tagesstätte für Kinder mit mehrfacher Behinderung konnte durch die maßgebliche finanzielle Unterstützung von Emil Nachbaur errichtet werden.

  • Termin: 12. bis 20. September 2014
  • Pauschalpreis: € 1.595,-
  • Informationen: Detail-Programm, Leistungsumfang und Extras unter T 05522 74680 sowie im Internet unter www.nachbaur.at

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