Von Walter Buder

Es gibt ein Stück Ländle-Literatur in sieben Varianten zu einem an sich "fetten" Thema zu sehen und zu verstehen, und es gibt etwas zu hören. Augustin Jagg hat die sieben literarischen Stückchen in eine ca. 2 1/2-stündige (mit Pause) Szenen-Kollage gebaut, in Szenen gesetzt, mit feinem Gespür und versiert. Die vier Schauspieler, die teilweise auch wie Rezitatoren/innen funktionieren, sind mehr als gut drauf. Sie realisieren ganz hervorragend, was Regisseur und Literatur vorgeben, profilieren die Figuren, verleihen Authentizität. 

 
Sieben Literaten und eine Combo

Und - das ist irgendwie neu - es sind "Todsünden mit Musikbegleitung" sozusagen, denn Peter Madsens Kompositionen "Seven deadly sins" bringt guten Sound ins Spiel und "seine" Musiker/innen vom CIA (Collective of Improvising Artists)  setzen auf ihren Instrumenten sehr kreativ um, was der kompositorische Stilmix Madsens aus Jazz, Worldmusic,  europäischer Klassik anbietet. Musikalische Improvisationskunst vermittelt einen zwar satten, aber niemals aufdringlichen und immer differenzierten (um nicht zu sagen: echt coolen) Sound.

Den literarischen Stoff, aus dem die Todsünden an diesem Abend gewoben worden sind, lieferten Gabriele Bösch (Hochmut), Monika Helfer (Zorn), Michael Köhlmeier (Trägheit),  Maximilian Lang (Völlerei), Wolfgang Mörth (Neid) und André Pilz (Geiz). Im Gegensatz zu den bildnerischen Auseinandersetzungen (Christoph Gantner, Harald Gfader, Harald Gemeiner, Edgar Leissing, Ch. Lingg, Nikolaus Mohr, Udo Rabensteiner) im Kosmos-Foyer und im Vergleich mit der Musik, boten die Texte weniger an existenzieller Farbe, ideellem Kontrast und humaner Expressivität. Die meisten Texte bleiben im Raum des Privaten. Sie schreiben sich an Bruchstellen der gesellschaftlichen Oberfläche entlang, analysieren Beziehungskisten, führen individuelle Doppelbödigkeiten vor. Die Todsünden sind herabformatiert auf das Eigenheim mit Garten und Garage für den mehr oder minder großen Mittelklasseprotzi, normale Gier, Trägheit, gewöhnlicher Neid, bisschen Völlerei und Wollust für Zwischendurch.

 
Ein Text sticht hervor

Es hätte ein fataler Abend werden können. Wäre da nicht André Pilz, dessen Text zur Sache geht. Sein "Geiz" kennt keine Scheu vor dem traditionellen Konzept der Todsünde. Er befreit es regelrecht, indem er es aktualisiert - und das geht nur durch die Folie des Politischen. Der Text klagt an, fordert heraus, macht betroffen. In einer kompakten Szene wird klar, dass  "Todsünde" eine Sache der persönlichen Entscheidung ist, eine Frage der Liebe in letzter Konsequenz. Die Kapitalismuskritik ist nur eine Zutat, sie ist das Salz in der Sündensuppe. Die Kernbotschaft heißt aber: Todsünden "passieren" nicht einfach so, sie sind nicht "einfach da" und kommen nicht "irgendwie" vor, sondern eine Todsünde ist - nolens volens und wie die Liebe eben auch - eine radikale Möglichkeit, die der Mensch in Freiheit wählen kann.

In Zeiten von "Geiz-ist-geil" und "Ein-Magnum-Habsucht, bitte" muss literarische Arbeit immer Schwimmen gegen Banalisierung von Lebenserfahrungen und Menschenwürde sein. Das KOSMOS-Projekt ist wichtig, offenbart es doch (ein wenig) den Stand der einheimischen Literatur im öffentlichen Diskurs. Und man kann erkennen, dass Literatur und Theater im Nachzeichnen der blinden Flecke des Zeitgeistes nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren haben. Was zählt und Zukunft hat ist der kritische Dialog mit dem Zeitgeist, aus welcher Richtung er auch immer wehen mag.

 
Factbox

Die restlichen Spieltermine im Februar 2011 sind leider bereits alle ausverkauft.

Theater KOSMOS
Mariahilferstr 29, 6900 Bregenz
T +43 5574 44034
www.theaterkosmos.at