Katholische Internetplattformen kritisch betrachtet. Welche Rolle spielen "gloria.tv", "kath.net" und "kreuz.net". :

Sie kümmern sich kaum um journalistische Prinzipien, arbeiten teilweise anonym und spielen gerade in den jüngsten Kirchenkrisen eine höchst fragwürdige Rolle: die konservativen Netzwerke privater Anbieter im Internet.

„Antirömisch“ und „illegal“. Für die katholische „Nachrichtenagentur“ kath.net ist klar: Wer die Ernennung von Gerhard Maria Wagner kritisiert, steht dringend im Verdacht, ein Gegner Roms zu sein. Kritische Äußerungen werden von Chefredakteur Mag. Roland Noé und seinem Linzer Redaktionsteam pauschal als Verstoß gegen das kirchliche Lehramt verurteilt: wie etwa der Beschluss von 31 Dechanten, die Zustimmung zu der Weihe von Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof zu verweigern.

„Die Berichterstattung von kath.net ist einseitig und tendenziös. Jede Sachkritik wird als Abfall vom Glauben dargestellt“, sagt Dr. Harald Prinz. Der Pastoralassistent von Enns-Lorch ist selbst ins Visier von kath.net geraten. Im „Standard“ vom 26. März 2008 sagte Prinz, dass er Veränderungen beim Pflichtzölibat wolle. kath.net übernahm vieles von dem Standard-Artikel, dichtete aber einiges hinzu: So wurde von kath.net behauptet, dass Prinz einen organisierten Aufstand gegen Rom angekündigt hätte.

Veränderte Gegendarstellung. „Zu den kritischen Aussagen stehe ich, einen Aufstand habe ich aber nie angekündigt“, sagt Harald Prinz. Prinz schaltete deshalb einen Rechtsanwalt ein. Nach einem Gespräch mit Chefredakteur Noé, in dem Bischof Ludwig Schwarz vermittelte, wurde eine Gegendarstellung vereinbart. Diese wurde zwar veröffentlicht. Der Haken daran war aber: kath.net kommentierte die Gegendarstellung (die der KirchenZeitung vorliegt), was presserechtlich nicht erlaubt ist. Der Pastoralassistent sah trotzdem von einer Klage ab. Aus Rücksicht auf den Bischof, der sich in der Vermittlung sehr bemüht habe.
Auf Nachfrage, wieso kath.net Prinz’ Version nur kommentiert wiedergegeben hat, verweist Chefredakteur Roland Noé lediglich wiederum auf den Kommentar zur Gegendarstellung. Dort schreibt kath.net unter anderem: „Die Wirklichkeit ist dem Menschen zumutbar“. Es ist damit wohl die von kath.net konstruierte Realität gemeint.

kath-net Screenshot

Kampagnen. Harald Prinz’ Konflikt mit kath.net ist kein Einzelfall. Auch Diözesansprecher Mag. Ferdinand Kaineder wurde bereits mehrmals von kath.net an den Pranger gestellt. So berichtete das Online-Medium wiederholt und mit Nachdruck, dass die „Aktion Kirchentreu“ Kaineders Kündigung fordere. kath.net, das kein offizielles Medium der katholischen Kirche ist und sich selbst als katholische Nachrichtenagentur bezeichnet, warf dem Sprecher der Diözese zudem vor, er habe im Sommer 2008 eine verbotene Laienpredigt gehalten. Damit habe er die Priester aus der Pfarre verdrängt. Kaineders Position, dass er lediglich ein Glaubenszeugnis abgegeben hätte, wurde erst mit Verspätung von kath.net veröffentlicht. Vor Erscheinen des ersten Berichts auf kath.net wurde Ferdinand Kaineder nicht mit den Vorwürfen konfrontiert. Er hatte keine Möglichkeit, sofort Stellung zu nehmen. „Das ist typisch für die Arbeit von kath.net“, sagt Kaineder: „Den Informanten von kath.net wird automatisch Glaubwürdigkeit zugestanden. Eine Gegenprüfung erfolgt nicht“.

Unterstützung für kath.net. Problematisch an kath.net ist nicht die konservative Linie, sondern die Missachtung journalistischer Prinzipien. Auch bei der Österreichischen Bischofskonferenz sorgte eine einseitige Berichterstattung im Rahmen des Mitteleuropäischen Katholikentages 2004 für Verstimmung.
Dass dies mit ein Grund gewesen sein könnte, wieso die finanzielle Unterstützung für kath.net nach 2004 eingestellt wurde, räumt Dr. Paul Wuthe, Sprecher der Österreichischen Bischofskonferenz, vorsichtig ein. Offiziell gibt es von der Bischofskonferenz keine Stellungnahmen bezüglich kath.net.

Lobende Worte von Kardinal Christoph Schönborn über kath.net finden sich auf der Online-Plattform. Veröffentlicht wurden die anerkennenden Sätze in Zusammenhang mit einem Aufruf zur Spende für kath.net im Februar. Der Pressesprecher der Erzdiözese Wien, Erich Leitenberger, sagt jedoch auf Anfrage: Es stimmt nicht, dass von Seiten der Erzdiözese Wien Geld an kath.net überwiesen worden sei.
Dafür greift die Hilfsorganisation „Kirche in Not“ kath.net finanziell unter die Arme, wie deren Geschäftsführer Herbert Rechberger bestätigt. Kirche in Not / Ostpriesterhilfe überweist nach eigenen Angaben jährlich einen Betrag zwischen 10.000 und 20.000 Euro pro Jahr.
kath.net habe gute Kontakte in innerkirchlichen Kreisen und nach Rom sagen Kritiker wie Ferdinand Kaineder oder Harald Prinz. Kaineder: „Sie verstehen es, sich für gewisse Zwecke zu vernetzen. Ein Beispiel ist auch ein Exklusivinterview, das kath.net mit dem Nuntius Edmond Farhat führen konnte. Davon leben sie“. 

kreuz.net: Der Geistder Piusbruderschaft

kreuz.net ScreenshotDer Gekreuzige ist auf der Internetseite groß abgebildet (siehe Bild), daneben steht: Katholische Nachrichten.

Katholisch, das heißt auf kreuz.net vor allem im Geiste der Piusbruderschaft bzw. des „braunen Bodensatzes der Traditionalisten“ wie die deutsche Zeitung taz schreibt. Österreichische und Deutsche Bischofskonferenz haben sich im Zug der Diskussion um die Piusbruderschaft klar von der Plattform distanziert. Dennoch: kreuz.net verfügt offenbar über gute Kontakte zu innerkirchlichen Kreisen. So wusste man dort von der Ernennung Wagners zum Weihbischof bereits einen Tag vor der offiziellen Bekanntmachung. Und auch das Gerücht um die angeblich von Wagner bezahlte Abtreibung wurde von kreuz.net als Erstes aufgegriffen: In Verweis auf ein Gespräch, das der Linzer Priesterkreis mit Bischof Ludwig Schwarz geführt hatte.

Der Ton in den kreuz-net-Beiträgen ist agressiv und verhetzend: kreuz.net-Autoren schreiben von der „verrotteten altliberalen Amtskirche in Österreich“ und den „antikatholischen Diözesen“. „Jetzt buckelt auch der Papst vor den Juden“ lautet eine Schlagzeile vom 1. März, im Bericht steht: „Sogar an der religiösen Mystifizierung der nationalsozialistischen Judenmorde beteiligte sich der Papst.“ Die Autoren von kreuz.net argumentieren, dass die Juden den Holocaust zur Religion erhoben haben.
Die meisten Beiträge werden
ohne Nennung eines Autors bzw. eines Redaktionsteams veröffentlicht. Eine Ehrensache sei es, die strikte Anonymität seiner Informanten zu wahren, schreibt kreuz.net. Rechtliche Konsequenzen sind kaum möglich, da der Server von kreuz.net in Kalifornien steht. Die Betreiber selbst bleiben im Dunkeln. Auf die Frage, wer genau hinter der Plattform steht, erfolgt nur die knappe Antwort, dass man in der Fastenzeit keine Interviews gebe.

gloria.tv: Holocaust verharmlost, ORF-Material gestohlen

Auf www.gloria.tv können Internet-Nutzer selbst Videos hochladen und Kommentare verfassen. Problematisch ist, dass manche Nutzer den Holocaust verharmlosen.

Am 22. Jänner wird der Kommentar auf gloria.tv ins Netz gestellt: „Für Gott gibt es mehr Beweise als für den Holocaust. Sollten wir jetzt alle, die Gott leugnen dafür strafrechtlich belangen?“ Der Verfasser benutzt das Pseudonym „Kreuzritter“. Auch Mitte März ist der Beitrag noch auf gloria.tv zu finden.
„Es liegt der schwerwiegende Verdacht vor, dass durch diese Äußerungen gegen das Verbotsgesetz verstoßen wurde“, sagt Medienrechtsexperte Prof. Walter Berka auf Anfrage der KirchenZeitung. Es hafte in erster Linie der Urheber, aber auch der Medieninhaber. Dieser müsse die erforderliche Sorgfalt an den Tag legen. „Spätestens wenn der Betreiber der Plattform darauf hingewiesen wird, müssen diese Kommentare weg“, betont Berka.

Schwer zu klagen. Die KirchenZeitung erkundigte sich bei gloria.tv, wieso diese äußerst fragwürdigen Inhalte, nicht sofort gelöscht werden. „Ich möchte möglichst wenig eingreifen, es braucht die ganze katholische Bandbreite“, sagt dazu Don Reto Nay, Pfarrer im schweizerischen Sedrun und Chef von gloria.tv. Zu etwaigen rechtlichen Konsequenzen meint er: „Welches Recht meinen Sie? Das deutsche oder österreichische Recht ist nicht maßgebend für uns.“ Nay hat gloria.tv in Moldawien angemeldet. Verstöße gegen das Verbotsgesetz können in dem osteuropäischen Staat nicht eingeklagt werden.

Bei gloria.tv kann jeder Internetnutzer Videos ins Netz stellen und Kommentare verfassen. Vor allem erzkonservative Kreise nutzen gloria.tv. So wirbt etwa Salzburgs Weihbischof Andreas Laun für gloria.tv. Wer neben Laun und Nays Familie sonst noch zu den Unterstützern zählt, will der gloria-tv-Chef nicht sagen: „Ich hänge das nicht an die große Glocke“, sagt Nay.

Keine Distanzierung der Bischöfe. Auf gloria.tv. zu sehen ist auch ein „Kardinal Groer Tribute“. Der Begleittext spielt offen auf die Affäre rund um Gerhard Maria Wagner an. „Man vergisst immer, dass Wagner nicht das erste Opfer von Kirchenintrigen war.“ Ein Artikel der Plattform www.kreuz.net  wird quasi als „Beweis“ ins Bild gerückt. Jenem kreuz.net, von dem sich sowohl die Deutsche als auch Österreichische Bischofskonferenz distanzieren.
Ganz anders bei gloria.tv: „Wir führen keinen Index der verbotenen Internetseiten“, erklärt Dr. Paul Wuthe, Sprecher der österreichischen Bischofskonferenz.
Auf die Holocaustverharmlosungen angesprochen, sagt Wuthe: „Wir haben schon bei kreuz.net exemplarisch aufgezeigt, was bedenklich ist. Das gilt natürlich sinngemäß auch für alle anderen Internetseiten mit ähnlichen Inhalten.“

gloria.tv im Konflikt mit ORF. Harte Kritik an den Praktiken von gloria.tv äußert hingegen der ORF. Ohne Genehmigung hat das Portal ORF-Material für die eigene Nachrichtensendungen verwendet. „Das ist eindeutig Diebstahl“, betont Dr. Helmut Obermayr, Direktor des Landesstudios Oberösterreich. Er hat zumindest erreicht, dass gloria.tv widerrechtlich verwendetes ORF-Material wieder gelöscht hat, und fordert nun eine Unterlassungserklärung.
Obermayr: „Viele Kinderpornoseiten haben so wie gloria.tv ihre Server in Moldawien. Mit diesen begibt sich gloria.tv auf eine
Stufe.“

Der Beitrag erscheint im Vorarlberger Kirchenblatt Nr. 12 vom 22. März 2009