Im 16. Jahrhundert fassten die Täufer im hinteren Bregenzerwald Fuß - ein besonderes Kapitel der Bregenzerwälder (Religions-)Geschichte. Mathias Moosbrugger geht diesem Kapitel als Theologe, Historiker und Wälder nach. Ein spannendes Unterfangen.

Mathias Moosbrugger
geboren 1982 in Au, absolvierte das Geschichte- und Theologiestudium in Innsbruck und arbeitete dann vier Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systematische Theologie. Nach vier Jahren in Schule und Pastoral wechselte er im November von der Väterkarenz zur Assistentenstelle am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie.

Das Interview führte Patricia Begle

Herr Moosbrugger, wie kamen die Täufer im 16. Jahrhundert in den hinteren Bregenzerwald?
Mathias Moosbrugger: Diese Frage gehört zu den vielen Fragen, die wir nicht sicher beantworten können. Wir wissen, dass das Eindringen täuferischen Gedankenguts schon Ende der 1520-er Jahre und damit nur kurz nach der ersten „Gläubigentaufe“ in Zürich greifbar wird. Die saisonale Arbeitsauswanderung hat wohl dazu beigetragen, neues religiöses Gedankengut rasch ins Tal zu bringen. 

Worin haben sie sich von den Katholiken unterschieden?
Moosbrugger: In der Radikalität, mit der sie das Evangelium jenseits traditioneller Formen leben wollten. Es sollten nur Gläubige - also keine Kleinkinder - getauft werden (darum die Bezeichnung „Täufer“); die kirchliche Hierarchie wurde ebenso abgelehnt wie die Sakramente. Man traf sich zu geheimen Hauszirkeln, las und betete gemeinsam. Die Bibel sollte alleinige Richtschnur des Glaubens sein. In Au kam es auch zu Störungen katholischer Gottesdienste. Nicht zuletzt wurde auch die weltliche Obrigkeit in wichtigen Punkten abgelehnt.

Wie ging die Bevölkerung mit ihnen um? Gab es Befürworter? Wer waren die Gegner?
Moosbrugger: Spannenderweise scheint es in der Bevölkerung anfangs kaum Konflikte gegeben zu haben. Die neuen religiösen Ideen konnten in den Unterschichten ebenso Fuß fassen wie in wohlhabenden Familien. Die Konflikte brachen mit den Pfarrern aus - und bewegten den Landesfürsten schließlich zum Einschreiten. 

Weshalb gab es in Au-Schoppernau eine so große und starke Gruppe?
Moosbrugger: Neben der erwähnten Arbeitsauswanderung scheint eine große Unzufriedenheit mit der Seelsorge vor Ort geherrscht zu haben. Das machte empfänglich für alternative religiöse Angebote. Dem hatten die kirchlichen Strukturen zuerst wenig entgegenzusetzen. Insgesamt wissen wir hier noch viel zu wenig. Nach anregenden Forschungen vor beinah einem halben Jahrhundert hat sich leider niemand mehr eingehend mit diesem Thema befasst.

Welche Spuren haben die Täufer im Bregenzerwald hinterlassen?
Moosbrugger: Der Übername „Feadoroblausar“ - Federnblaser - für die Auer wird in einer Sage mit den wegen der Verfolgung auswandernden Täufern erklärt. Diese hätten zur Orientierung Federn in die Luft geworfen. Inwieweit sich im weltanschaulichen und sozialen Bereich untergründige Spuren gehalten haben, ist - wieder wegen fehlender Forschung - schwer zu sagen. Sicher ist, dass es spätestens ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zu einer Rekatholisierung kam, die alternative religiöse Praktiken in den Untergrund gedrängt oder ganz ausgelöscht hat.

Was können wir heute von dieser Gruppierung lernen? Gibt es etwas, das Sie an deren Glauben und Lebensstil fasziniert?
Moosbrugger: Gerade als Katholik faszinieren mich die Täufer ungemein - nicht nur, weil ich selbst aus Au stamme. Ihr Bemühen, das Evangelium zu leben, ist wirklich inspirierend - und zugleich nicht selten verstörend für ein müdes Traditionschristentum. Als Historiker faszinieren mich die Täufer auch deshalb, weil es noch so viele unbeantwortete Fragen gibt, die beantwortet werden wollen …

Wie würden die Bregenzerwälder wohl heute mit einer solchen Gruppierung umgehen?
Moosbrugger: Würden sie sich davon überhaupt noch beeindrucken lassen? Ich bin mir nicht sicher! Für das tief religiöse Anliegen der Täufer wäre die wachsende religiöse Gleichgültigkeit des 21. Jahrhunderts vielleicht noch unverständlicher als die Verfolgung, die sie vor vierhundert Jahren erleiden mussten.

TERMIN

Fr 24. November, 19.30 Uhr
Gasthaus Löwen, Au-Rehmen.

Die Täufer im frühneuzeitlichen hinteren Bregenzerwald.
Vortrag von DDr. Mathias Moosbrugger (Theologe und Historiker).
Moderation: Burkhard Wüstner (Historiker).
Eintritt:  Freiwillige Spende 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 46 vom 16. November 2017)