Harald Grabher ist eben erst aus Afrika zurückgekommen. Zwei Wochen hat der Caritas-Helfer Menschen in Äthiopien begleitet, ihnen Nahrungsmittel und Trinkwasser gegeben und mit ihnen gemeinsam auf den Regen gehofft. Immer auch mit einem Blick in den wolkenverhangenen Himmel. Simone Rinner hat ihn im KirchenBlatt-Gespräch zu seinen Erfahrungen und Erlebnissen mit Afrika, der Dürre und wie die Menschen damit umgehen, befragt.

Sie sind eben erst aus Afrika zurückgekehrt, wie kann man sich Ihren Einsatz dort vorstellen?
Wir, also Andreas Zinggl von der Caritas Österreich und ich, sind gemeinsam von Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, nach Meki aufgebrochen. Die Diözese Meki ist ein langjähriger Partner der Caritas Vorarlberg und etwa eineinhalb Mal so groß wie Österreich. Sowohl in Meki als auch in unserer Partnerdiözese Awassa haben wir uns die Situation angesehen, mit Bauernfamilien geredet, sind mit ihnen aufs Feld gefahren und haben Lebensmittel verteilt.

Welchen Eindruck haben Sie von der Lage in Afrika bekommen?
Man kann eigentlich sagen, dass der Hunger oder die Dürre im Süden anfängt und langsam nach Norden wandert. Am schlimmsten und gravierendsten ist es sicher in Somalia und Kenia. Dort hält es schon am längsten an und dort gibt es am wenigsten Ressourcen, also Wasser und Weideflächen. Im Norden ist die Dürre später eingetreten. Es liegt höher, weshalb es auch kühler und nicht so verdorrt ist wie in anderen Gegenden.

Was bedeutet das für die Menschen die dort leben? Sind sie von der Dürre nicht unmittelbar betroffen?
In dieser Gegend, nahe der kenianischen Grenze, befindet sich auch eine Missionsstation zu der vier Schulen, eine Klinik und 14 Outreach Center für medizinische Hilfe gehören. Ich schätze , dass die Menschen die dort wohnen noch vier bis sechs Wochen ausharren können, ohne dass sie abwandern müssen. Je weiter man zur kenianischen Grenze oder auch darüber kommt, desto weniger gibt es. Dort drücken die ganzen Menschen in Richtung Norden. Weil sie migrieren müssen.

Welche Probleme entstehen für die Menschen in Afrika durch die Migration?
Die meisten von ihnen leben von der Landwirtschaft. Sie sind ständig auf der Suche nach Wasser und Weidefläche für ihr Vieh. Durch den Zuzug haben wir erstens das Problem, dass die Ressourcen schneller verbraucht werden. Zweitens gibt es Konflikte mit den angestammten Bauern, die ihren Landbesitz nicht mit den zugezogenen Bauern teilen möchten. Und drittens gibt es vermehrt Seuchen wie Typhus oder andere Durchfallerkrankungen, die auch für die Menschen gefährlich sind. Da sich Mensch und Tier die wenigen Wasserlöcher teilen müssen, werden die Krankheiten rasch übertragen. Und als erstes sterben dann die, die keine Kräfte mehr haben: Kinder und alte Menschen.

Im nördlichen Teil Äthiopiens ist die Lage aber noch nicht so aussichtslos?
Etwa 50 bis 100 Kilometer nördlich der kenianischen Grenze haben wir noch Zeit zu intervenieren - so lange die Leute nicht am letzten Hungertuch nagen. Zu Migrieren, also ins Flüchtlingslager umzusiedeln, heißt für diese Menschen, dass sie nichs mehr haben.

Dann sind die Flüchtlingslager der letzte Ausweg?
Genau. Zu dem Zeitpunkt haben sie keine Kuh mehr, keine Geiß. Es ist die Hoffnungslosigkeit, die sie in die Flüchtlingslager treibt. So lange sie noch etwas haben, wollen sie nicht ins Lager und möchten für sich selber sorgen .Und dort können wir als Caritas in vielen Bereichen noch rechtzeitig eingreifen, mit Nahrungsmittelhilfe und mit Trinkwasserversorgung - noch bevor die Leute abwandern. Dann fällt es ihnen später, wenn der Regen gekommen ist, auch wieder leichter, zu ihrer normalen Erwerbstätigkeit zurückzukehren.

Sie rechnen also fest mit Regen?
Fakt ist, sollte der Regen tatsächlich kommen, dann hätte man relativ rasch geholfen, dann müsste man nur Überbrückungshilfe leisten für die nächsten zwei bis drei Monate. Und natürlich bräuchten sie noch Saatgut und etwas Geld für ein bis zwei Kühe. Dann hätte man die Leute bald wieder im Erwerb und im normalen Kreislauf der Produktion drin. Und das wäre das Ziel. Wenn es nicht regnet, dann gibt es auch in Südäthiopien ein Katastrophenszenario.

Liegt es nur an der Dürre?
Es ist sicher komplexer. Die Dürre betrifft die Regionen ganz unterschiedlich. Es gibt extreme Gegensätze zwischen den armen Gebieten im Süden und den teilweise fruchtbaren Gebieten im zentralen Hochland. Und es gibt, mitten in Afrika, auch riesige Blumenfarmen von ausländischen Großkonzernen. Auf bestem Farmland, mit dem man auch anderes hätte tun können. Natürlich verdienen dort rund 2000 Menschen ihren Lebensunterhalt, aber meist unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen.

Die Caritas arbeitet schon lange in Äthiopien. Helfen die langjährigen Projekte in der Dürre?
Wir haben eine Vielzahl an Projekten, eines davon sind die Getreidebanken - eine Art Vorratskammern, die in Genossenschaften organisiert sind. Ich sage nicht, dass es nur wegen der Getreidebanken ist, aber Fakt ist, dass die involvierten Bauern von der Dürre nicht betroffen sind. Wir können sogar einen Teil des Bedarfs an Getreide, das in anderen Gegenden verteilt werden muss, aus diesen „cerial banks“ einkaufen. Ein anderes Projekt sind die Schulen. Dort erhalten die Kinder nicht nur Bildung, sondern auch Nahrungsmittel, was den größten Druck von den Familien nimmt.

Die Caritas ist ja nicht die einzige Hilfsorganisation vor Ort, wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen?
Das Bemühen ist wahnsinnig stark vorhanden, um gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir schauen, dass jeder nach seinen eigenen Stärken in dem Bereich aktiv werden kann, wo er Strukturen hat. Auffallend ist aber, dass auch sehr viele Äthiopier im Rahmen der Hilfsorganisationen mitwirken. Es ist alles sehr gut organisiert, zum Teil übt die Regierung Druck aus, aber das ist nicht unbedingt schlecht.

Wie ist die Stimmung in Afrika?
Ich glaube die Menschen fühlen sich wahnsinnig hilflos, das spürt man. Sie warten auf Regen. In den zwei Wochen, die ich unten war, war es jeden Tag bewölkt: Dunkle Wolken! Aber es regnet nicht. Die Menschen können die Situation selber nicht einschätzen. Sie haben gesagt: „Wir sind froh, dass ihr kommt, dass ihr seht, wie es uns geht. Dass ihr die Informationen nach außen tragen könnt.“

Spielt Religion eine Rolle?
Die Menschen sind sehr religiös. Sehr viele sind christlich-orthodox, eine sehr spannende Religion, die noch sehr altertümliche Traditionen hat. Religion ist für sie sehr wichtig. Und auch ich habe in den letzten 14 Tagen manchmal ein Stoßgebet raufgeschickt.

 

 

Meinen Schreibtisch sehe ich kaum

Wahrscheinlich spürt ihn jeder einmal in seinem Leben: Den Wunsch etwas „mit Sinn“ zu tun. Nicht, dass die tägliche Arbeit nicht sinnvoll wäre, aber manchmal hat man doch das Gefühl, dass da noch etwas fehlt. So erging es auch Harald Grabher.

„So was machen“
Der 38-jährige Lustenauer spürte bereits während seiner Studienzeit in Innsbruck, dass er mal „so was machen möchte“. Gemeint ist damit seine Arbeit bei der Caritas Vorarlberg. Nach einem Exkurs in die Privatwirtschaft - unter anderem als Sales Manager bei InterSky und den Austrian Airlines - verschlug es ihn nach Tansania. Dort arbeitete er zwei Jahre als „Technical Advisor“ bei Horizont3000. Die Arbeit habe ihm sehr gefallen und viel Spaß gemacht, schwärmt Grabher. Trotzdem sah er Tansania nur als Fenster.

Erster Einsatz: Dürre
Grabher ging wieder in die Privatwirtschaft und sah bald ein, „dass das nichts mehr für mich ist“. Er entschied sich, als Teamleader in Pakistan für die österreichische Caritaszentrale zu arbeiten. Grund: Er wollte näher am Menschen sein. Das könne man natürlich auch in der Privatwirtschaft, er habe sich aber dagegen entschieden. Seit Juni 2011 arbeitet Grabher für die Caritas Vorarlberg, seinen Schreibtisch hat er aber noch nicht oft gesehen. Sein erster Einsatz verschlug in direkt nach Afrika in die Dürre. Zwei Wochen mit viel Sinn.

(aus KirchenBlatt Nr. 31 vom 7. August 2011)