„Hallo, ich bin Lotta“, begrüßt mich das kleine Mädchen per Handschlag. Und sieht mich erwartungsvoll an - wenn man das mit Knopfaugen überhaupt kann. Denn Lotta ist eigentlich „nur“ eine Puppe, in der „mehr“ steckt - nämlich die Hand des Theaterpädagogen Olaf Möller.

Simone Rinner

Um es gleich vorwegzunehmen: Es erscheint schon etwas eigenartig, wenn ein erwachsener Mensch mit einer rund 60 Zentimeter großen Puppe spricht als ob sie „echt“ wäre. Ein zweiter Pinocchio sozusagen. Aber wenn das geschieht, kann man sich sicher sein, dass der Mensch hinter der Puppe seinen Job richtig gut macht. Wie Olaf Möller, denn beim deutschen Theaterpädagogen und Puppenspieler ist der Beruf quasi zur Berufung geworden. Und den vermittelt er auch an andere Menschen.

Klappmaulpuppen
nennen sich die Puppen, mit denen Möller spielt und die sich vor allem durch eines auszeichnen: ihr Mund lässt sich bespielen. Die prominentesten unter ihnen sind Ernie und Bert aus der Sesamstraße und die Muppets. Und seit kurzem wohl auch „Rosie“ - die Lieblingspuppe von Möller. Mit ihr ist er bereits durch die ganze Welt gereist, hat Filme gedreht und auch in seinem neuesten Buch ist sie zu sehen.

Erwachsen bleiben?
Gemeinsam mit Möller vermittelt sie Erzieher/innen, Lehrer/innen, Therapeut/innen - kurz: allen, die mit Kindern arbeiten und nach einer Methode suchen, die ansprechend ist, verzaubert und fasziniert - in Workshops worum es beim Puppenspiel geht. Und wie man seine kleinen und großen Zuschauer in seinen Bann ziehen kann. Mit einer Puppe zu spielen und seine Stimme zu verstellen, fällt den meisten naturgemäß schwer, schließlich sei es einfacher erwachsen zu bleiben, erklärt Möller.

Mutige Menschen
Die rund vierstündigen Workshops bieten aber den perfekten Rahmen um sich zu „überwinden“ - schließlich treffen hier Gleichgesinnte in einer geschützten Atmosphäre aufeinander. Fragen wie „Was denken die jetzt von mir“, sind gar nicht mehr notwendig. Und das Bauchkribbeln, Humor und Freude am Spiel erledigen den Rest. Dennoch, findet Möller, sind es mutige Menschen, denn „nur wer stabil und mutig genug ist, und dessen Leben weit genug ist, kann sich darauf einlassen, auch das Kindliche zu aktivieren“, erklärt Möller. Von Schizophrenie will er da gar nichts wissen. „Für mich ist es eher ein heilsamer Zustand, wenn die Menschen viele Seiten haben und wechseln können. Das ist kein Lernen, sondern ein Sich-Erlauben.“ Und wenn diese Seiten dann auch noch ins Spiel gebracht werden, mache es einen Menschen lebendig. Und die Puppe gleich mit dazu.

Fröhliches Pfuschen
Puppen wie Rosie oder Lotta können eine ganze Menge: Sie können vor allem mit Kindern in Beziehung treten und auf Augenhöhe zu einem Freund werden. Und dann erzählen Kinder Puppen manchmal Dinge, die sie Erwachsenen nie erzählen würden oder brechen spontan in Begeisterung aus. Damit man den Mensch hinter der Puppe vergisst, ist aber Übung notwendig. Seit 15 Jahren lehrt Möller Interessierten in seinen Workshops „fröhliches Pfuschen“, wie er schmunzelnd erzählt. Soll heißen: fürs Fernsehen müsste man noch daran arbeiten.

Rund 30 Puppen
hat Möller bei sich zu Hause im Regal stehen, wobei so manch eine schon das Haus verlassen hat, petzt Lotta. Welche Puppe sich für welches Kind „eignet“, kann man verallgemeinert zwar nicht sagen, eines steht für Möller aber fest: Mit der Puppe, die man am schönsten findet und die einen am meisten anspricht, kann man am besten spielen. Wird die Puppe gut gespielt, scheint sie nicht nur einen Charakter, sondern auch richtige Gefühle zu haben. Und dann ist sie für das Kind genau das, was sie sein soll: ein guter Freund und ein Zauberwesen.

Passende Methode
Nichtsdestotrotz ist das Puppenspiel auch eine Methode - und hier gibt es keine besseren oder schlechteren, sondern nur passende oder unpassende Methoden. „Ob eine Methode passt oder nicht, sehe ich daran, wie die Menschen reagieren“, so Möller. Kinder zwischen vier und sieben Jahren eignen sich am besten als „Probanden“ und zeigen ohne Rücksicht was sie von Puppe und Spiel halten.

Vielseitige Puppen
Letztendlich ist und bleibt das Puppenspiel aber immer auch ein Theaterspiel und beim Theater geht es um Tabus. Die klassischen sind selbstverständlich Sex, Tod und Gewalt. Auch hier können Puppen zum Beispiel Therapeuten helfen, wenn sie „mit einer Kindlichkeit, einer Unschuld und einer Naivität Fragen stellen, Sachen ansprechen, ihre Gefühle und ihr Leid mitteilen“, spricht Möller aus Berufserfahrung.

Wer will?

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, kann heuer die Chance eines Workshops nutzen. Was man als potentieller Puppenspieler für Eigenschaften mitbringen sollte? Freude an den Puppen und Lust sie zu spielen, kommt es postwendend. Und selbstverständlich auch Freude an Kindern. Unbegabte gibt es nach Möllers Ansicht nicht. Alles steht und fällt mit dem „Zulassen“ und „sich erlauben“. Und dann kann man auch als Erwachsener mit verstellter Stimme sagen: „Och ist das schwer!“, ohne dass es peinlich ist.

ZUR SACHE

Selber spielen lernen

15 Jahre dauert die Beziehung zwischen dem Theaterpädagogen Olaf Möller und seinen Puppen nun schon an. Jahre, in denen er unzählige Menschen in Workshops weitergebildet, Filme gedreht und Bücher geschrieben hat. Und in denen er sich selber coachen und weiterbilden ließ. Für viele wäre es ein Beruf, er nennt es Berufung. Dabei begann diese „Liebesgeschichte“ mit einem Kinderzirkus, Improvisationstheater und einem Weihnachtsmarkt, auf dem er solche Puppen verkaufte. „Meine Aufgabe ist es irgendwie geworden, Menschen Puppenspiel beizubringen, damit sie Freude haben“, erklärt Möller, warum er so viele Workshops gibt. Auch in Vorarlberg.

Bücher und Filme. „Große Handpuppen ins Spiel bringen“ hieß sein Erstlingswerk, das Neulinge an die Handpuppen heranführt und die Angst vor ihnen nimmt. Es folgte der gleichnamige Film, für alle, die die großen Handpuppen lieben, sich aber noch nicht getraut haben, sie selbst einzusetzen, bevor sich Möller erneut an ein Buch traute, das im Jahr 2013 erschien. „Starke Stücke für Große Handpuppen“, lautet der Titel des Werks, welches Spielideen für Kindergarten, Schule, Familie und Therapie vermittelt.

Workshops. So verschieden die sogenannten Klappmaulpuppen aussehen, so unterschiedlich können sie nämlich auch eingesetzt werden. Wie lange man in etwa „spielen“ sollte, wie das mit dem Verstellen der Stimme ist und was man mit der Puppe alles tun kann (oder auch lassen sollte), zeigt der Theaterpädagoge in seinen Workshops.
Der nächste findet in Vorarlberg voraussichtlich im Dezember 2014 statt - den genauen Termin erfahren Sie (sobald er bekannt ist) auf der Homepage der Medienstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg:
www.medienstelle.at

Geschichte

Kinder, seid ihr alle da?

Kaum eine Puppe ist so bekannt wie der Kasperl aus dem Kasperltheater - bereits seit 1957 erfreut er, gemeinsam mit dem Bären „Pezi“, vor allem die Kleinen.

Ältestes Spielzeug.

Puppen als figürliche Nachbildung eines Menschen oder Tieres gehören aber schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte zur Kultur in Kunst, Religion und Mythologie. Sie sind das älteste Spielzeug. Bereits aus der Steinzeit sind figürliche Tonpuppen bekannt und auch im alten Ägypten gab es bewegliche Puppen wie Löwen oder Krokodile mit beweglichen Kiefern. Belege von Handpuppen, Marionetten und Bauchrednerfiguren in Form von Zeichnungen in einer Enzyklopädie gibt es allerdings erst ab dem Jahr 1160. Zwar war das Handpuppen- und Marionettentheater allgemein bekannt, aber für Gelehrte aus künstlerischer und kultureller Sicht eher unbedeutend.

Heute: Methode.

Spätestens ab dem 16. Jahrhundert waren Theateraufführungen und Handpuppen von den Jahrmärkten nicht mehr wegzudenken. In Italien entwickelte sich die Commedia dell’Arte, die Berufsschauspielkünstler, die mit ihren Masken- und Puppentheatern durchs Land fuhren, um mythische, später derb-komische Stücke zum Besten zu geben. Viele dieser Wanderbühnen zeigten sowohl Schauspiele als auch Theater mit Handpuppen. Waren die Stücke anfänglich für die erwachsene Bevölkerung gedacht, so gibt es erst seit ca. dem 19. Jahrhundert Handpuppen-Aufführungen, die speziell Kinder ansprechen sollen.

Heute wird das Handpuppenspiel gerne auch gezielt eingesetzt und eignet sich so perfekt, um soziale, emotionale aber auch kognitive Lerninhalte zu vermitteln, Situationen aufzulockern, oder einfach zu motivieren oder zu unterhalten.