Der Komponist und Musiker Francisco Obieta hat das Jan-Hus-Oratorium „Verbrennt das Feuer“ geschaffen. Das KirchenBlatt sprach mit dem Dichter des Oratoriums- textes, Ivo Ledergerber. Der spirituell dichte Text ist von treffsicherer, sprachlicher Eleganz.

Wolfgang Ölz

Wie ist der Text entstanden?
Der Text entstand auf Anfrage des Komponisten, der anlässlich des Jubiläums „600 Jahre Konstanzer Konzil“ einen Kompositionsauftrag der Stadt Konstanz erhalten hatte. Francisco Obieta hat bereits ein Requiem von mir vertont. Ich habe das ganze nicht als Chronik geschrieben, sondern einzelne Aspekte um Hus herausgegriffen. 

Wie sehen Sie die historische Figur des Reformators Jan Hus?
Mich interessiert vor allem die Vielschichtigkeit der Person Jan Hus. Auch die Verbindung zu John Wyclif in England finde ich spannend. Jan Hus, so schreibt er selber, wäre ein ungemütlicher Zeitgenosse für uns. Er ist offenen Auges in den Tod gegangen.
Man soll aber nicht so ein Theater machen wegen des Verbrennens, das war eine übliche Todesstrafe, auch Homosexuelle und andere wurden so verbrannt. Gewöhnlich war auch, dass Ketzer so verbrannt wurden.  Jan Hus war insofern naiv, als er glaubte, er könne mit den Konzilsteilnehmern diskutieren, er musste aber merken, dass ein rationaler Umgang nicht mehr möglich war. Häretiker waren auszumerzen.

War Jan Hus nur diese Lichtgestalt oder hatte er auch dunkle Seiten?
Jan Hus war alles. Er war ein absolut geradliniger Mensch. Er hat natürlich auf seiner Theologie beharrt. Seine Theologie hätte sich eigentlich mit der Theologie des Konzils von Konstanz nicht schlecht getroffen, das sich ja über den Papst gestellt hat. Seine schwierigen Seiten liegen in der Prädestinations-Lehre, wo von vornherein klar ist, wer in den Himmel und wer in die Hölle kommt. Auch sein böhmischer Nationalismus an der Universität in Prag ist aus heutiger Sicht sicher in Frage zu stellen.

Was beabsichtigen Sie in Ihrem Text mit den Bezügen zur Gegenwart, wenn Sie etwa von „uns armseligen Durchschnittlern“ sprechen oder von Bücher- und Menschenverbrennungen?
Diese Bezüge sind mir wichtig. Wenn das Ganze keinen Bezug zu uns hätte, dann könnte man einfach ein historisches Schauerstück machen. Man muss die Fragen stellen.  Im Zusammenhang mit Jan Hus ist folgendes so wichtig: Man muss die Bücher der Irrlehrer lesen, nicht  verbrennen, so wie das früher geschah und wie es auch die ISIS-Kämpfer machen.

Wie würden Sie das Kirchenbild von Jan Hus beschreiben?
Das ist das Überraschende. Das Kirchenbild des Jan Hus passt außerordentlich gut in das von Papst Franziskus. Er steht ein für eine arme Kirche. Ihm geht es um eine Kirche, die möglichst dem Evangelium folgt, und das ist ganz klar eine arme Kirche.  

Was möchten Sie beim Zuschauer bewirken?
Ich weiß natürlich nicht, was den Einzelnen konkret berührt, aber eine Mitteilung ist sicher: Es ist alles nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Es braucht mehrere Gedankengänge, es braucht verschiedene Blickwinkel und Perspektiven, die man einnehmen muss. Was mir auch noch wichtig ist, ist eine zeitgenössische Kirchenkritik. Ich bin ein Kirchenkritiker, der gerne eine Kirche hätte, die näher bei den Menschen und ihren Bedürfnissen ist.

ZUR PERSON

Ivo Ledergerber
Geb. 1939 in Gossau, St. Gallen, studierte in Mailand und Innsbruck Theologie, Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaften. Bis 1999 arbeitete er als Mittelschullehrer in St. Gallen. Durch seine Schreibaufenthalte in Rom und Krems knüpfte er Kontakte zu Dichtern in ganz Europa. Er lebt und arbeitet in St. Gallen.

TERMINE

Jan-Hus-Oratorium von Francisco Obieta
Texte von Ivo Ledergerber.
Solisten, Chor und Orchester des Vorarlberger Landeskonservatoriums
Leitung: Benjamin Lack.

Uraufführung: Sa 9. Mai, 20 Uhr,
Münster zu Unserer Lieben Frau, Konstanz (D).

So 10. Mai, 17.15 Uhr, Kirche Amriswil (CH).

Mi 13. Mai, 19 Uhr, Kapelle des Landeskonservatoriums, Feldkirch.
Karten: € 17 / € 12,
www.v-ticket.at
Tourismusbüro Feldkirch, T 05522 73467

(aus dem KirchenBlatt Nr. 18 vom 30. April 2015)