Auf vielen Bregenzerwälder Vorsäßen, wie etwa dem Schalzbach in Schoppernau, wird jedes Jahr im Frühling benediziert – ein Brauch, der vermutlich auf vorchristliche Zeit zurückgeht. Dabei wird ein Feuer entzündet und der Priester weiht Wasser sowie Salz.

Elisabeth Willi

Benedizieren - Segnen - vor der Kapelle im Vorsäß Schalzbach in Schoppernau: Drei Bläser stimmen „Großer Gott wir loben dich“ an, und während die Messbesucher feierlich dieses Lied singen, bimmeln im Hintergrund Kuhglocken, der Wind streift sanft um die Schultern und die mächtige, steinige Künzelspitze führt eindrücklich die Größe der Schöpfung Gottes vor Augen.

Jeden Frühling findet in der Zeit, in der Mensch und Tier im Vorsäß leben, ein Gottesdienst mit Benediktion in Schalzbach statt - so wie in sehr vielen anderen Bregenzerwälder Vorsäßen auch. Dabei werden die Kühe, die Weiden und die Bewohner des Vorsäßes gesegnet, und es wird um gedeihliches Wetter sowie um einen guten Alpsommer gebetet. Da die Dreistufenwirtschaft mit den Vorsäßen in Vorarlberg eigentlich nur noch im Bregenzerwald intakt ist, wird in anderen Talschaften kaum mehr auf Vor- oder Maisäßen benediziert, dafür aber auf den Alpen. Dies wird im Bregenzerwald ebenfalls praktiziert.

Gottesdienst mitten in der Natur
An die 60 Personen besuchen heute diesen besonderen Gottesdienst bei der Kapelle in Schalzbach. In dem kleinen Gotteshaus fänden bei weitem nicht so viele Besucher Platz, deshalb wurde vor dessen Eingang ein liebevoll geschmückter Altar aufgebaut. Die Gottesdienstbesucher - die Besitzer und Bewohner der Hütten, deren Verwandte, aber auch Bauern von Nachbarvorsäßen - stehen im Freien. Einige Meter von ihnen entfernt weiden Kühe.

Fürbitten mit Tannenreisig
Der Schoppernauer Pfarrer P. Johannes Kolasa zelebriert die Messe, die auf das Vorsäß, die Tiere und die Bauern abgestimmt ist. Ein Bläsertrio sorgt für die musikalische Umrahmung. Nach dem Verlesen des Evangeliums wird ein Haufen Tannenreisig entzündet. Der emporsteigende Rauch steht als Symbol dafür, dass auch die Gebete und  die Fürbitten nach oben zu Gott gelangen sollen.

Das Entzünden dieses Feuers gehört immer zum Benedizieren dazu. Vermutlich ist es, genauso wie das Benedizieren auf Alpen, ein Relikt aus vorchristlicher Zeit, erklärt Alt-Dekan Pfarrer Josef Senn: „In vorchristlicher Zeit brachten die Menschen, wenn sie auf die Alpen zogen, ein sogenanntes Primizialopfer - das erste Opfer - , um die Götter wohlgesinnt zu stimmen. Die Christen übernahmen dies, brachten aber kein Opfer dar, sondern beteten um den Segen. Ein Feuer zündeten sie jedoch auch an.“

Segnung der Ställe und Hütten.
Pfarrer Senn hat in mehreren Jahrzehnten unzählige Male auf Vorsäßen und Alpen benediziert. Früher ging er dabei noch mit Weihwasser in die Vorsäßhütten und in die Ställe, wo er das Vieh besprengte. Dies wird heute kaum noch gemacht. Erhalten aber blieb die Tradition, dass beim Benedizieren Salz und Wasser geweiht werden. Neben dem aufgebauten Altar in Schalzbach stehen einige kleine Schalen und Töpfe mit Wasser sowie Salz. P. Johannes segnet sie, streut dreimal in Kreuzform Salz in das Wasser und bittet: „Allmächtiger Gott, segne dieses Salz. Du hast dem Propheten Elischa geboten, schal gewordenem Wasser durch Salz wieder Kraft zu geben. Gewähre, dass, wo dieses vom Salz durchwirkte Wasser ausgesprengt wird, dein Heiliger Geist zugegen sei, alle Anfechtungen des Bösen abwende und uns durch seine Kraft behüte.“

Nach dieser Segnung folgt eine Litanei, bei der vor allem Patrone von Tieren und Landwirten angerufen werden, wie z.B. der hl. Wendelin (Schutzpatron der Bauern und Hirten), der hl. Leonhard (Patron und Schutzsprecher für das Vieh) oder die hl. Notburga (Patronin der Landwirtschaft).

Wettersegen
P. Johannes beendet den Gottesdienst mit einem Wettersegen, den er im Frühjahr und im Sommer auch stets bei den Gottesdiensten in der Schoppernauer Kirche spendet: „Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes Unheil von euch fern und schenke euch einen gedeihlichen Sommer.“  Nach dem Benedizieren lädt ein Hüttenbesitzer zum gemütlichen Zusammensein in seiner Hütte. Für die meisten der Vorsäßbewohner ist das Benedizieren jährlich ein Pflichttermin und etwas Besonderes. „Es gehört einfach zur Vorsäßzeit dazu“, erklärt einer von ihnen.