Die Johanniterkirche in Feldkirch zeigt eine raumgreifende Soundinstallation des Vorarlbergers Karl Salzmann (Jahrgang 1979). Im KirchenBlatt-Interview erzählt er über seine Beweggründe, diese „totalitären Klänge“ zu platzieren.

Wolfgang Ölz

Ein riesiges Pendel aus vier Lautsprechern bewegt sich im Kirchenschiff und gibt einen unangenehmen, lauten Klang von sich. Außerdem ist ein Kreis von Trommeln im Raum angeordnet. Es geht Karl Salzmann darum, den Eindruck zu vermitteln, dass der Klang den ganzen Raum einnimmt: „Ich erzeuge da eine stehende Welle im Raum, die das Ganze nicht nur physisch erfahrbar macht, sondern an der ganzen Gebäudesubstanz rüttelt. Es geht um Raumeinnahme, um ein Nicht-mehr-auskommen-Können.“ Der Kurator der Johanniterkirche, Arno Egger, sieht die Ausstellung als „im Grunde sehr bedrückend“. Das Werk bewirke einen Druck auf der Brust, und lasse den Boden vibrieren. Man halte es nicht lange in diesem Raum aus, drei Minuten reichen völlig.

Metaphern der Macht
Indirekt möchte Karl Salzmann mit seiner Arbeit „Totalitäre Klänge“ die Auswirkungen diktatorischer Regime wie den Nationalsozialismus oder den Stalinismus problematisieren. In diesem Fall arbeitet der Künstler mit Symbolen und Metaphern. Durch das Pendeln erfüllt der Schall den Raum physisch und damit verweist er auf autoritäre Systeme, die nicht nur geistig, sondern auch physisch unerträglich werden können. Dabei soll jeder Betrachter für sich selber entscheiden, was er konkret als totalitär beurteilen will, sei es nun der Terror des Islamischen Staates oder totalitäre Tendenzen in unserer Gesellschaft.
Die im Kirchenschiff kreisförmig angeordneten Trommeln werden einerseits von dem mächtigen, schwingenden Pendel beeinflusst, und andererseits stehen sie selbst als eine Metapher für Macht. Salzmann: „Marschtrommeln waren immer ein Symbol für Krieg, für Fußvolk und Infanterie, als Signalgeber dafür, dass man in den Krieg loszieht.“ Die Marschtrommel ist eine zentrale Metapher für die Gewalt.

Auch Geräusche als Musik
Seine Tradition verortet Salzmann in der „Musik konkret“. Dabei handelt es sich um eine Kompositionstechnik, die gespeicherte Klänge von Instrumenten oder Alltagsgeräuschen elektronisch verfremdet. Es geht ihm um eine avantgardistische Haltung in der Musik, bei der alle Geräusche, nicht nur wohltemporierte Töne, Gegenstand eines Kunstwerkes sein können. Ein wichtiger Vorreiter der Geräuschekunst war in den 1920er-Jahren der italienische Futurismus. In ihrer brachialen Sprache haben die Futuristen gefordert, dass Geräusche statt klassischer Musik Einzug in die Konzertsäle finden sollten. Karl Salzmann sieht sich weniger als Komponist, sondern mehr als bildender Künstler, der mit Objekten im Raum arbeitet. Er forscht als Dozent am Institut für Bildende und Mediale Kunst der Universität für angewandte Kunst in Wien. Dort, an der Angewandten, recherchiert er auch zum Thema Klang und Macht. Seine Dissertation schreibt er zum Thema „Plattenspieler im Improvisationskontext“. In Vorarlberg ist er in der Kunstwelt seit 2013 bekannt. In diesem Jahr war er als „rookie“-Preisträger, einem beachtenswerter Kunstpreis auf der „Art Bodensee“, vertreten. Vorarlberg besucht er einmal im Jahr.

Die Stille als wichtigster Teil 
Die Johanniterkirche habe als Raum einen großen Einfluss auf die Arbeit. Er selbst hat noch nie in dieser Dimension arbeiten können. Seine früheren Arbeiten sieht er in einer Linie, der Klang hat immer eine große Rolle gespielt, wobei ihm der Bezug zu musiktheoretischen Schriften wichtig ist.
Bei der Arbeit in der Johanniterkirche ist es durchaus intendiert, dass man nicht mit einem Lächeln hinausgeht, sondern auch ein bischen niedergeschlagen. Der beste Effekt ist für den Künstler, wenn sein Werk die Diskussion anregt, sei es nun eine positive oder eine negative.
Als Gegenpol zur Geräuschkunst lässt Karl Salzmann die Stille gelten. Auch John Cage, ein berühmter, moderner Komponist des 20. Jahrhunderts,  hat gesagt, dass die Stille der wichtigste Teil der Musik und des Komponierens ist. Dabei gibt der Künstler zu bedenken, dass es eigentlich keine Stille gebe, weil selbst in einem schalltoten Raum höre man immer noch seinen Puls und sein Herz schlagen. 

Ausstellung

Karl Salzmann: Totalitäre Klänge
Kurator: Arno Egger
Johanniterkirche, Marktgasse 1, Feldkirch

Öffnungszeiten:
Di-Fr, 10-12 und 15-18 Uhr
Bis 13. August 2016 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 20 vom 19. Mai 2016)