Der „Tag des Judentums“ feiert die enge Beziehung zwischen Juden und Christen. Außerdem erinnert er an die beispiellose Gewalt, die Juden während der NS-Zeit in unserer Heimat erfahren mussten.

Wolfgang Ölz

Seit dem Jahr 2000 feiern alle Kirchen in Österreich jeweils am 17. Jänner den „Tag des Judentums“. Dieser neue Gedenktag im liturgischen Jahreskreis ist ein Lehr- und Lerntag für die Kirchen. Die Initiative dafür geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Das Datum ist bewusst gesetzt: Es ist der Tag vor der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die alljährlich vom 18. bis zum 25. Jänner stattfindet. Vor aller Verschiedenheit der Kirchen untereinander steht das gemeinsame Fundament: die Verwurzelung im Judentum. Dies soll ins Bewusstsein gerufen werden.

Essenziell für das Christentum
Das Motto für den Tag des Judentums stammt aus dem 11. Kapitel des Römerbriefs: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“. Der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit schreibt weiter: „Später haben die Kirchen die Worte des Paulus vergessen. Anstatt ihre Wurzel, aus der sie leben und die sie trägt, zu pflegen, meinten sie, ohne sie auskommen zu können. Die theologische Verachtung des Judentums und in Folge die gesellschaftliche Abwertung seiner Gläubigen schuf über Jahrhunderte hinweg jenen Nährboden, auf dem das rassistische Gedankengut des Antisemitismus wachsen konnte. Erst seit der Schoah (Holocaust) hat in allen Kirchen ein Umdenken begonnen.“ Aus der Sicht von Paulus - „die Wurzel trägt dich“ - ist der christlich-jüdische Dialog das grundlegende Thema für das Selbstverständnis als Christinnen und Christen, er ist elementar für die Identität der Kirchen. Denn: „Jede Katechese redet von Juden, jede Predigt interpretiert jüdische Texte.“

Fehlgeleitete Theologie
Bischof Manfred Scheuer sagte in seiner Predigt zum letztjährigen Tag des Judentums: „Der Tag des Judentums ist für Christen verbunden mit dem Eingedenken in die Verstrickung in Schuldzusammenhänge des Antisemitismus.“ Die Ursachen für den Holocaust sieht Bischof Scheuer auch in der jahrhundertelangen Tradierung antijüdischer Stereotypen: „Politische Naivität, Angst, eine fehlgeleitete Theologie, die über Jahrhunderte hinweg die Verachtung des jüdischen Volkes gelehrt hatte, und mangelnde Liebe haben viele Christen damals veranlasst, gegenüber dem Unrecht und der Gewalt zu schweigen, die jüdischen Menschen in unserem Land angetan wurden.“

Anknüpfend an die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils sagte Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in der Synagoge von Rom am 13. April 1986: „Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ‚Äußerliches‘, sondern gehört in gewisser Weise zum ‚Inneren‘ unserer Religion. Zu ihr haben wir somit Beziehungen, wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere älteren Brüder.“

Papst Franziskus betont in einem offenen Brief an den italienischen Journalist und Agnostiker Eugenio Scalfari: „Gott ist dem Bund Israels immer treu geblieben und die Juden haben trotz aller furchtbarer Geschehnisse ihren Glauben an Gott bewahrt. Dafür werden wir ihnen als Kirche, aber auch als Menschheit niemals genug danken können.“

50 Jahre "Nostra aetate"

Im vierten Kapitel der „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ wird die Beziehung zwischen Christen und Juden auf neue Beine gestellt.
Zum 50-Jahr-Jubiläum von Nostra aetate veranstalten alle wissenschaftlichen theologischen Einrichtungen in Österreich rund um den „Tag des Judentums“ Seminare, Studientage und Vorträge. Auch die Theologischen Kurse beteiligen sich an diesem Projekt.

Alle Termine auf www.christenundjuden.org

(aus dem KirchenBlatt Nr. 3 vom 15. Jänner 2015)