Von Ulrich Nachbaur

Ulrich NachbaurAls Österreichs Herrscherin Maria Theresia zur Eindämmung der Vielzahl lokaler Feiertage darauf drängte, sich auf einen gemeinsamen Landespatron zu einigen, fiel in Tirol, in Kärnten, in der Krain, im Küstenland und in der Steiermark die Entscheidung zugunsten des hl. Josef von Nazareth; 1772 ebenso für die Provinz Vorderösterreich, zu der das heutige Land Vorarlberg gehörte. Das lässt jedoch nicht auf eine besondere Verehrung schließen. Der Nährvater Christi, seit 1675 Schutzpatron des Hauses Österreich und seit 1676 nominell aller katholischen Länder des Heiligen Römischen Reichs, war vielmehr nur ein gemeinsamer Nenner über Diözesangrenzen hinweg. So konnte Josef in keinem ihm schutzbefohlenen Land zu einer regionalen Identifikationsfigur werden, folgte seine Verehrung auch in Vorarlberg weitgehend der religiösen und kirchlichen Mode.

Stiller Karrierist. Ab dem 16. Jahrhundert lässt sich der Festtag des hl. Josef (19. März) vereinzelt in kirchlichen Jahrzeitbüchern (z.B. Hohenems, Ludesch, Sonntag, Bezau) belegen. In der Kunst tritt uns Josef zunächst in Darstellungen der Hl. Familie und der hl. Sippschaft entgegen. Aus der Spätgotik sind zudem erste Schreinfiguren überliefert. - Einen Aufschwung erfuhr der Josefskult erst nach dem Dreißigjährigen Krieg, im Zeitalter barocker Volksfrömmigkeit. Es waren die Habsburger, die in Rom erfolgreich für die Aufwertung des hl. Josef intervenierten. Das Haupt der Heiligen Familie fügte sich als übermächtiger Patron des Hauses Österreich bestens in das Herrschaftskonzept des Absolutismus. Als Leopold I. endlich ein Stammhalter – ein kleiner Josef – vergönnt war, ließen die Feldkircher 1678 einen Josefsbrunnen errichten.

Highlight in Bildstein. Vereinzelt fand der Heilige auch im Kreis der zahlreichen religiösen Bruderschaften Verehrung (Schröcken 1654, Höchst 1664, Bezau 1699, Meiningen 1726). Die weitaus zugkräftigste war die „Jesus, Maria und Josefs-Bruderschaft“ in Maria Bildstein (1682), die von einem Josefsbenefiziaten betreut wurde. Bis 1735 ließen sich rund 100.000 Wallfahrer als Mitglieder einschreiben. Auch für die Pfarre Bregenz wurde 1701 ein Josefsbenefizium gestiftet und der Heilige bald mit einem Offizium samt eigenem Hymnus gefeiert. Nun wurden Josefsstatuen, –gemälde und –glocken zahlreich in Auftrag gegeben, mancherorts bereits ganze Altäre.

Hl. JosefGotteshäuser, Kapellen, Bildstöcke. Im Schematismus der Diözese Feldkirch, die Vorarlberg umfasst, sind 138 Pfarren und 11 Kuratien ausgewiesen. Davon haben vier „Josef der Nährvater Christi“ als Patron (Bürs, Dafins, Großdorf, Rehmen), zwei „Josef der Arbeiter“ (Kennelbach, Gantschier), eine Josef und Nikolaus (Silbertal) und eine weitere die Hl. Familie (Tisis). Hinzu kommen rund ein Dutzend weiterer Josefskirchen und -kapellen. Diese Patrozinien sind jedoch verhältnismäßig jungen Datums.  Vielleicht als erstes Gotteshaus wurde dem
hl. Josef 1670 eine Kapelle in Rehmen geweiht. Jedenfalls  bestand in Großdorf 1687 schon seit längerem eine Kapelle, die dem hl. Josef gewidmet war, und es folgten weitere Gotteshäuser (z.B. Bürserberg 1730, Braz 1743, Dafins 1749). Typisch für die Zeit wurde Josef 1707 im Kapuzinerkloster Bludenz eine Kapelle als dem
Patron für einen guten Tod geweiht.
Die Bürserberger erreichten bereits 1736 die Pfarrerhebung. Ihr Bergdorf soll in der Folge zeitweilig „Josefsberg“ genannt worden sein, was aber zu belegen bliebe. Jedenfalls berichtet die Pfarrbeschreibung von 1834, dass Josefi ein bedeutender „Konkurstag“ sei, an dem auch viele Leute vom Land und aus Brand den Gottesdienst besuchten, ohne dass sich daraus eine Wallfahrt entwickelt hätte.

Der „Männertag“. Mit der Volksmission kamen ab den 1850er Jahren in etlichen Pfarren die Standesbündnisse in Mode. Jeder „Natur- und Lebensstand“ hatte sein Vorbild: Die Jungfrauen die hl. Maria, die Jünglinge den hl. Alois, die Ehefrauen die hl. Anna und die Ehemänner den hl. Josef. Daher mag die Bezeichnung „Männertag“ rühren, die für den 19. März mancherorts üblich wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine Hochzeit der Josefsverehrung ein. 1870 proklamierte ihn Pius IX. zum Schutzpatron der römischen Weltkirche. Stärker noch wirkte das soziale Engagement Papst Leo XIII. Nun wurde der Zimmermann als Patron der Arbeiter propagiert.

Josef, der Patron. 1891 wurde für die neue Kirche im Industriedorf Kennelbach eine Patronatsänderung zugunsten des hl. Josef bewilligt, 1894 das Kapuzinerkloster Dornbirn zu Ehren des hl. Josef eingeweiht, das die Familie des Landeshauptmanns und Fabrikanten Adolf Rhomberg gestiftet hatte, um der Arbeiterbevölkerung die Ausübung ihrer religiösen Pflichten zu erleichtern. Rhomberg ließ auf dem Stifterbild hinter Papst Leo XIII. auch Kaiser Franz Josef in vollem Ornat verewigen. Für die Arbeiter aus dem Trentino, die im Steinbruch in Unterklien (Hohenems) für die Rheinregulierung arbeiteten, wurde 1899 ebenfalls eine Josefskapelle errichtet, von der sie aber wenig Gebrauch machten. Eine ausgeprägte Feierkultur zu Josefi haben die Handwerker- und Arbeitervereine nicht entwickelt. Er war nicht arbeitsfrei. Deshalb feierten die Kennelbacher ihr Titularfest am Sonntag „Jubilate“, an dem bis 1955 der hl. Josef als „Hauptpatron der Kirche“ gefeiert wurde.

Der christliche Arbeiter. Zudem wurde 1919 der „sozialistische“ 1. Mai zum staatlich gebotenen Feiertag erklärt. Um an diesem Tag auch der starken christlichen Arbeiterbewegung eine „Heerschau“ zu ermöglichen, wurde ab 1929 eine Landeswallfahrt nach Rankweil veranstaltet. Wenn also Pius XII. 1955 den 1. Mai zum kirchlichen Festtag Josef des Arbeiters erklärte, entsprach das in Vorarlberg bereits einer Tradition, wenngleich sie der Marienverehrung galt.
Der hl. Josef galt auch als Fürsprecher fast aussichtsloser Bauprojekte aller Art. So riefen ihn die Laternser ab 1885 um Wohltäter zur Finanzierung einer Kirchenerweiterung an. Aus demselben Grund mag 1893 im Silbertal  dem angestammten Pfarrpatron der hl. Josef vorangesetzt worden sein, als Dank für die neue Kirche und in der Hoffnung, die Schulden tilgen zu können.

Hin zu Lebensfragen. Um diese Zeit entstanden erste Josefshäuser, die der Kinder- und Jugenderziehung, der Krankenpflege und anderen sozialen Aufgaben dienten. So begründeten die Ingenbohler Kreuzschwestern in Schlins 1886 eine Kinderrettungsanstalt „Josefinum“ (Erziehungsanstalt Jagdberg). In Feldkirch errichteten sie schließlich 1911 das „Institut St. Josef“ mit verschiedenen Schulen für Mädchen. 1904 wurde in Gaißau das „St. Josefshaus“ der Franziskaner-Missionsschwestern eröffnet und in Lauterach ein „St. Josefskloster“ der Redemptoristinnen.