Nach fast 20 Jahren wird ein kleines Buch neu aufgelegt. Es stellt kurz und prägnant alle wichtigen Fakten über das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zusammen. Es ist ein Buch gegen die Lüge.

Dietmar Steinmair

Der Arzt Till Bastian, heute tätig in einer psychosomatischen Fachklinik im Allgäu, hat 1992 - nach einem längeren Aufenthalt in Auschwitz und „erschüttert durch die damaligen ausländerfeindlichen Gewalttaten“ - einen Text geschrieben, der als Broschüre mit dem Titel „Menetekel Auschwitz. Erinnern hilft vorbeugen“ und auch in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erschien. Umgehend gab der ­rechtsextreme Politiker und mehrfach wegen Verhetzung verurteilte ehemalige Wehrmachtsoffizier Otto Ernst Remer eine Broschüre heraus mit dem Titel „Die Zeit lügt! Stellungnahme von vier Wissenschaftlern zu einer Serie der Wochenzeitung ‚Die Zeit‘“. Bastian erhielt dann vom Münchener Verlag C.H.Beck das ­Angebot, seinen Text als Buch zu veröffentlichen. Bis 1997 erlebte dieses Taschenbuch fünf Auflagen. Fast zwanzig Jahre später, 2016, wurde es neu aufgelegt.
Aus dem Titel der Broschüre Remers wird klar, warum Bastian das Buch immer noch für wichtig, ja sogar für ein „Heilmittel“ hält: Wenn nämlich selbsternannte „Experten“ gefälschte „Dokumente“ und pseudowissenschaftliche „Gutachten“ präsentieren, die „beweisen“ wollen, dass in Auschwitz alles „ganz anders“ gewesen sei, dann verunsichere das die Menschen, so Bastian.

Fakten
Bastian hält mit Tatsachen dagegen. Er erzählt in seinem Büchlein die Vorgeschichte und die Geschichte des nationalsozialistischen Massenmordes. Aussagen Adolf Hitlers schon von 1919 oder von 1924 in „Mein Kampf“ belegen, dass für ihn die „Ausrottung“ der Juden unabdingbar sei. Aus den von den Nazis gesetzten Maßnahmen nach der Machtergreifung 1933 wird klar, dass die Massenvernichtung der Juden nicht erst durch den ungünstigen Kriegsverlauf ab 1942 bedingt, sondern schon von Anfang an als „letztes Ziel“ beabsichtigt gewesen war. Auch hat die Aussonderung und Deportation der Juden an vielen Orten in aller Öffentlichkeit und begleitet von vielen Schaulustigen als Augenzeugen stattgefunden. Sie alle, so Bastian, mussten sich gefragt haben, wohin diese Menschen gebracht würden.
Bastian erläutert das System der nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager, von Dachau bis Auschwitz III (Monowitz). Von seinem ehemaligen Kommandanten Rudolf Höß wurde Auschwitz als „größte Menschen-Vernichtungsanlage aller Zeiten“ bezeichnet. Bastian liefert eine Chronologie des Terrors: Vom Eintreffen der SS-Truppen mit den ersten 30 Häftlingen am 20. Mai 1940 bis zur Befreiung von nur noch ca. 7000 Überlebenden durch die Rote Armee am Morgen des 27. Jänner 1945. In diesen knapp fünf Jahren wurden  in den Lagern von Auschwitz über 1,2 Millionen Menschen ermordet.

Das „zentrale“ Argument
In einem zweiten Teil geht der Autor der so genannten „Auschwitz-Lüge“, also den Leugnern des Massenmordes nach. Erstaunlich an der Hartnäckigkeit der Leugnung von Gaskammern in Auschwitz ist, dass davon bei den unmittelbar daran Beteiligten keine Rede sein kann. In sein Bautagebuch notierte etwa der Polier einer beteiligten Baufirma für den 2. März 1943: „Fußboden betonieren in Gaskammer“. Auch aus den Akten von Prozessen gegen Kommandanten und Wachpersonal geht hervor, dass die Existenz von Gaskammern nie geleugnet wurde, sondern immer nur die Beteiligung an den Verbrechen. Vor allem hat auch keiner der Angeklagten behauptet, das zur Vergasung verwendete Zyklon B sei nur zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt worden. Genau darauf aber stützt sich der Großteil der so genannten „revisionistischen Literatur“, welche Gaskammern leugnet. Das „Hauptargument“ - z.B. im folgewirksamen „Leuchter-Report“ von 1988 - lautet dabei: In Räumen, die in Auschwitz zur Schädlingsbekämpfung - insbesondere zur Entlausung von Kleidungsstücken - genutzt wurden, kann im Mauerwerk ein bestimmter Rückstand von Zyklon B nachgewiesen werden. In Räumen, die Gaskammern gewesen sein sollen, ist dies nicht der Fall. Folglich könne in diesen Räumen kein Zyklon B zum Einsatz gekommen und sie können daher auch keine Gaskammern gewesen sein.
Dieser Rückstand, das so genannte „Berliner Blau“ war jedoch Bestandteil vieler Maueranstriche der damaligen Zeit. Weiters wirkte Zyklon B in Entlausungskammern viel länger ein, um die Schädlinge zu töten, während bei Menschen wenige Minuten ausreichten. Auch wurden die Gaskammern nach den Massentötungen immer gründlich gereinigt, so dass an den Wänden keine Rückstände verblieben. Inzwischen wurden zudem Blausäurereste, die von Zyklon B stammen, mehrfach direkt für Auschwitz nachgewiesen.

Epilog
Bastian bezeichnet Täter wie Adolf Eichmann oder Rudolf Höß als „kalte Grausamkeitsprofessionelle“. Der Autor schließt das Buch mit der Frage, ob das heute wieder geschehen könnte? Er vermutet: Ja. Denn die Nationalsozialisten „waren schließlich keine Fremdwesen aus den Tiefen des Weltalls, keine mörderischen ‚Aliens‘, sondern Menschen wie wir.“ Wir Nachgeborenen trügen keine Schuld, aber „wir stehen vor der Aufgabe, die Vergangenheit präsent zu halten und alles zu tun, was verhindern kann, dass Menschen noch einmal dieselben Wege und Irrwege beschreiten. Insofern ist und bleibt Auschwitz in der Tat und für immer Bestandteil der deutschen Identität. Wenn es also eine Lehre der Vergangenheit gibt, dann die, dass sie in diesem Sinne noch gar nicht vergangen ist.“ 

Cover: Die Auschwitz-LügeTill Bastian:
Auschwitz und die „Auschwitz-Lüge“.
Massenmord, Geschichtsfälschung und die deutsche Identität.
Verlag C.H. Beck. 6., überarbeitete Auflage 2016.
137 Seiten, mit 18 Abbildungen.
Broschiert. € 13,40.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 19 vom 11. Mai 2017)