Wenn Kinder nach einer Scheidung zwischen die "Fronten" geraten, ist ein kühler Kopf hilfreich. (Bild: Verbindung halten ist Knüpfarbeit!)

Aus der Praxis:
Vor zwei Jahren begann für Manuela eine schwere Zeit. Ihr Mann eröffnete ihr, dass er eine Freundin hat und nicht weiß, ob er sich für sie oder die Freundin entscheiden wird. Vor einem halben Jahr entschied er sich für die Freundin und zog aus. Die Ehe wurde geschieden. Mathias, ihr Sohn (16), hat sich seither ganz vom Vater abgewandt, telefoniert nie mit ihm und lehnt es ab, sich mit ihm zu treffen. Eva, ihre Tochter (14), hält mit ihrem Vater Kontakt und fährt jedes zweite Wochenende gerne zu ihm und seiner Freundin.
„Am Anfang tat es mir weh, wenn Eva zu den beiden fuhr. Mittlerweile halte ich es besser aus, wenn sie zu meinem Ex-Mann fährt.
Als sie aber das letzte Mal mit einer schicken Hose, die ihr die Freundin meines Mannes schenkte, nach Hause kam, habe ich mich abgewendet und eine abwertende Bemerkung über Hose und Freundin gemacht. Meine Tochter nahm daraufhin die Freundin in Schutz. Zwischen uns entstand eine große Spannung, was mir sehr leid tat. Die Freundin ist doch mitschuldig, dass mein Mann sich scheiden ließ. Wie soll ich mit solchen Situationen umgehen? Nimmt die Freundin mir die Tochter weg?“

Es ist nicht leicht, nach einer schmerzhaften Trennung auch noch auszuhalten, dass das eigene Kind einen guten Kontakt zur neuen Partnerin des Mannes hat.
Ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, die eigene Tochter jedes zweite Wochenende zu Ex-Mann und Freundin ziehen zu lassen. Auch, welches Gefühlschaos es bei Ihnen auslöst, wenn Ihre Tochter stolz und freudig ein Geschenk der Freundin präsentiert, der Sie indirekt eine Mitschuld an der Trennung geben. Damit zeigt Ihnen Ihre Tochter ja, dass sie die neue Partnerin Ihres Ex-Mannes akzeptiert, und das tut weh.
Ihre Tochter versucht mit ihrem Handeln wirklich einen Spagat zu vollbringen. Sie will einerseits die Beziehung zu ihrem Vater aufrechterhalten – was schon keine leichte Aufgabe ist – und spürt dabei instinktiv, dass dies nur über einen guten Kontakt zu seiner jetzigen Partnerin möglich ist. Lehnt sie seine Freundin ab, verliert sie möglicherweise die Beziehung zu ihm. 
Andererseits versucht Eva, Sie in das Geschehen einzubinden, indem sie offen erzählt, wer ihr die Hose geschenkt hat. Damit zeigt sie, dass Sie zu Ihnen großes Vertrauen hat und über das Geschenk nicht lügen oder schweigen braucht. Wenn Sie Ihrer Tochter diese Offenheit zugestehen und aushalten, entlasten Sie sie, weil sie keine „verbalen Turnübungen“ machen und keine „Märchen“ über die Herkunft der Geschenke erfinden muss.
In solchen Situationen wird wirklich viel von Ihnen verlangt, nämlich gut auseinanderzuhalten, was Ihr eigener Schmerz ist, Ihre Trauer und Ihre Wut auf Ihren Ex-Mann und seine Freundin und wie es der Tochter nach der Scheidung mit ihrem Vater geht. Das ist weder für Sie noch für Ihre Tochter einfach. Es braucht auch einige Zeit, bis man sich mit der Trennung versöhnen kann.
Ihre Tochter spürt die Trauer anders als Sie.  Sie hat nicht den Partner verloren, sondern sie möchte in gutem Kontakt zu ihrem Vater bleiben. Das ist schwierig, aber notwendig für ihr weiteres Leben.
Trachten Sie, wenn Eva von ihren Besuchen erzählt, ganz Mutter Ihrer Tochter zu bleiben. Vielleicht gelingt es Ihnen immer besser, sich mit ihr darüber zu freuen, wenn ihr die Kontakte zu ihrem Vater möglich sind.
Die Freundin Ihres Ex-Mannes kann höchstens eine „gute ältere Freundin“ Ihrer Tochter werden. Sie sind und bleiben die Mutter. 
Karin Remsing, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin in Linz

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