Wer dachte, dass die wilde Bergwelt nur etwas für echte Männer ist, der liegt falsch. Dass es nämlich maßgeblich eben auch die Damen waren, die sich an der Weiterentwicklung des modernen Bergsteigens beteiligten und gegen welche Widerstände sie sich dabei durchsetzen mussten, das zeigt derzeit das Frauenmuseum in Hittisau mit der Schau „Ich, am Gipfel“.

von Veronika Fehle

Ganz ehrlich und Hand aufs Herz - wer hätte gewusst, dass die Erfindung des Abseilgurts und des Kletterhelms auf das Konto einer Dame gehen? Man darf zu Recht annehmen, dass das nicht zum kollektiven Basiswissen unserer Gesellschaft zählt. Aber warum eigentlich nicht. Denn wie die aktuelle Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau zeigt, ist die weibliche Geschichte - auch die alpine - durchaus existent. Und es ist einfach nur wunderbar, dass so engagierte Frauen wie zum Beispiel die Kuratorin der Schau „Ich, am Gipfel. Eine Frauenalpingeschichte“, Ingrid Runggaldier Moroder, diese alpine Frauengeschichte aufgearbeitet und in Hittisau öffentlich zugänglich gemacht hat.

Reizvolle Mischung
Dabei ist es vor allem die Mischung, die das Gesehene so reizvoll macht. Denn, um die Geschichte von Frauen und Bergen zu erzählen, wählt Runggaldier Moroder gleich mehrere Zugänge gleichzeitig. So ist es auch völlig gleichgültig, an welchem Punkt der Ausstellung man ins Geschehen eintaucht, man findet über verschiedene Themen und Ausdrucksformen immer punktgenau zum Thema. Zum einen ist da zunächst der Weg über die Kunst und dabei ist es vor allem der weibliche Blick auf die Berge und alles, was sich auf ihnen bewegt. So wechselt man hier zwischen Humorvoll-Hintersinnigem von Sabina Vallazza zur Topografie der Berge im handlichen Reiseformat - wie etwa die „Transportable Mountains“ - eine Serie von Bergen im Miniaturformat - von Cäcilia Falk oder springt mit der Schweizer Malerin Hanni Bay, der das Malen ursprünglich nur als Vorbereitung auf die Ehe gestattet war, in die Zeit der Jahrhundertwende zurück. So ergeben sich bereits auf dieser Ebene spannende Berührungs- und manchmal auch Querungspunkte.

Frauen auf den Gipfeln
Sozial- und kulturgeschichtlich wird es dann mit so interessanten Frauenbiografien wie jene der in Amsterdam geborenen Jeanne Immink, die heute als Begründerin des modernen Frauenbergsteigens gilt und die sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert von Männern in den Bergen nichts vormachen ließ. Bekannt wurde sie u. a. durch mehrere Erstbesteigungen und vor allem ihr enormes Durchhaltevermögen. Sie ist es auch, nach der die Gipfel Campanile Giovanna und Cima Immink benannt sind.  Royal wird es dann mit einem kurzen Einblick in die Wandertätigkeiten der österreichischen Kaiserin Sissi, die vorzugsweise nachts wanderte, um nicht erkannt zu erden und die auf ihren Gewaltmärschen schon auch die ein oder andere Hofdame verlor. Diese wurde dann allerdings von nachkommenden Wägelchen wieder „eingesammelt“.

Tiefgründig
Ein Rundgang durch die Ausstellung ist so gleichermaßen informativ wie auch amüsant. Vor allem aber bleibt in dieser Schau nichts nur an der Oberfläche. Denn hinter jedem Objekt, jeder Fotografie steht eine Geschichte, die zeigt mit welchem Willen und auch mit welcher Selbstbestimmtheit Frauen schon sehr früh begannen, die Berge für sich zu erobern und sich gegen weltliche wie geistliche Widerstände behaupteten. Dass sie damit öfters auch die gesteigerte Aufmerksamkeit gesellschaftlich anerkannter Institutionen auf sich zogen, versteht sich damit auch von selbst. Das wachsame Auge, das die Kirche noch bis ins 20. Jahrhundert hinein auf die Sennerinnen hatte, sei hier nur ein Beispiel. Sie wurden als „hosentragend, liebestoll und tanzwütig“ eingestuft. Häufig musste sogar die Erlaubnis des ortsansässigen Pfarrers eingeholt werden, bevor eine Frau ihre Arbeit in der Alpwirtschaft antreten durfte.

Dennoch, die Frauen am Gipfel blieben und behaupteten ihren Platz in den alpinen Geschichtsbüchern. Und das Frauenmuseum in Hittisau zeigt mit „Ich, am Gipfel“ fast so etwas wie eine kleine Hommage an all jene Frauen, die mit dazu beigetragen haben, dass das Gipfelstürmen heute auch ganz selbstverständlich seine weiblichen Seiten hat.

Vermittlungsprogramm zur Ausstellung
Die Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau wird begleitet von einem reichen Vermittlungsprogramm. So können bereits Kinder ab 5 Jahren jeden Donnerstag (bis Mitte September) in die Bergwelt eintauchen, dabei selbst einen Karabiner basteln und schließlich den Sagen und Legenden aus den Bergen lauschen.
Für das reifere Publikum greifen ein Erzählabend mit Katharina Ritter (28. November) und eine Schreibwerkstatt mit Eva Maria Dörn (17. Oktober) die Geschichten der Frauen in den Bergen auf. Das Symposion „Frauen im Vorstieg. Ihr Beitrag für Natur und Gesellschaft in den Alpen“ (23. - 24. Oktober) wird in Kooperation mit der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA veranstaltet und thematisiert das Potenzial und die Perspektiven von Frauen im Alp-raum.

Die Ausstellung „Ich, am Gipfel“ ist noch bis 26. Oktober im Frauenmuseum Hittisau zu sehen. Öffnungszeiten: Mi 14 - 17 Uhr, Do, Fr. Sa und So 10 - 17 Uhr: www.frauenmuseum.at