32 Asylwerbende absolvieren derzeit in Vorarlberg eine Lehre. Sie füllen damit den großen Mangel an Lehrlingen ein wenig auf, und sie füllen ihr Leben mit Sinn. Abdullsattar Faiqi (20) ist einer von ihnen.

zu: Interview mit Flüchtlingskoordinatorin Hochhauser-Gams

Patricia Begle

Die Baustelle in Frastanz gegenüber dem Gemeindeamt ist riesig. Gleich drei Gebäude entstehen hier, verbunden durch eine zweigeschossige Tiefgarage. Oben am Gerüst, mit Helm und in voller Montur, schneidet Abdullsattar Faiqi Eisenstangen auf. Seit September gehört er zum Bautrupp der Firma Tomaselli Gabriel Bau. Der junge Afghane absolviert eine Lehre als Maurer.

Wissbegierig 
„Ich wollte einen anstrengenden Beruf haben“, erklärt Faiqi, „denn ich mag das Gefühl, am Abend müde von der Arbeit zu sein.“ Dieses kennt er aus seinen Jugendjahren in Pakistan, wo er als Bäcker gearbeitet hat. Die ständigen Anschläge in seiner Stadt Quetta treiben den damals 15-Jährigen in die Flucht. Im Sommer 2014 erreicht er Österreich, seit Jänner 2015 lebt er im Haus Gaisbühel. Faiqi ist wissbegierig, geht offen  auf Menschen zu und ist sehr aktiv. Er absolviert einen Deutschkurs nach dem anderen, von Februar 2016 bis März 2017 macht er den Hauptschulabschluss. In zwei Wochen beginnt die Berufsschule. „Da gibt es viele Fächer“, freut er sich schon. Dass er in Österreich Arbeit und Schule verbinden kann, schätzt er sehr. „Ich lerne gerne“, meint er und beginnt zu strahlen.

Überraschung 
Auch am Bau lernt er vieles. Da er schon über 18 ist, fallen für ihn manche Lehrlings-Einschränkungen weg. Er darf zum Beispiel schon die Fräse bedienen. „Mir macht alles Spaß“, erzählt der Maurerlehrling. „Besonders mag ich, wenn ich allein die Verantwortung für eine Arbeit habe, ich sie richtig mache und der Chef mit mir zufrieden ist.“ Und das ist er. „Sattar ist einer der besten Lehrlinge, die ich je hatte“, erklärt Daniel Morscher. Mit österreichischen Lehrlingen hat der junge Polier schon viele Enttäuschungen erlebt. „Sattar ist interessiert, fragt nach, bewegt sich, ist verlässlich und lässt sein Smartphone immer im Spind. Auch mit der Sprache geht es gut.“ An die Sprachen am Bau musste sich Faiqi erst gewöhnen. Denn durch seine Kollegen aus Deutschland, der Schweiz und Vorarlberg trifft er hier gleich auf drei unterschiedliche „deutsche“ Sprachen.
Für Morscher ist der afghanische Lehrling  eine Überraschung, denn er hatte große Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen. Heute denkt er anders. „Du musst den Menschen erst anschauen, jeder hat eine Chance verdient.“

Hoffnung
Faiqi nützt die Chancen, die er hier in Österreich bekommt. Seit er regelmäßig arbeiten darf, schläft er auch viel besser. Zuvor beschäftigte ihn seine unsichere Zukunft oft nächtelang. Sicher ist sie leider auch heute nicht. In seinem laufenden Asylverfahren steht das zweite Interview beim Bundesamt für Fremdenrecht und Asylwesen noch aus - seine Ausbildung ist dabei keine Garantie für ein Bleiberecht, in Österreich werden auch Lehrlinge abgeschoben. Dagegen formiert sich mittlerweile Widerstand - auch seitens der Unternehmen. In Oberösterreich wurde vom Grünen Landesrat Rudi Anschober eine Petition initiiert, über 34.000 Unterschriften werden im Februar der Bundesregierung vorgelegt.
Faiqi hofft dennoch. „Ich habe viel gelernt, ich kann hier leben. Ich wünsche mir einen positiven Bescheid“, erklärt er. Einen neuen Traumberuf hat er schon: Polier.

Interview

Eva-Maria Hochhauser-Gamsmit Eva-Maria Hochhauser-Gams
Flüchtlingskoordinatorin
der Gemeinden in der Region Bludenz-Walgau.
Die Arbeitsmarkt-Integration ist eine ihrer Aufgaben.

Asyl und Lehre

Wer darf eine Lehre absolvieren?
Asylwerber/innen von 15 bis 25 Jahren dürfen in Mangelberufen eine Lehre machen. 38 Lehrberufe stehen derzeit zur Wahl, die Zahl ist heuer gestiegen, weil der Fachkräfte-Mangel groß ist.

Was ist nötig, um eine/n Asylwerber/in als Lehrling anzustellen?
Für die Bewilligung des Lehrvertrages bzw. für das „Schnuppern“, das bei Asylwerbern als „Volontariat“ gilt, muss ein Antrag beim AMS gestellt werden. Unterstützung und Infos dazu gibt es seitens der Caritas und des AMS - und von mir. 

Wie ist die Zusammenarbeit mit den Betrieben?
Es gibt hier sehr engagierte Betriebe, viele sind froh, Lehrlinge zu finden. Und die jungen Männer blühen richtig auf - es ist eine Freude, das mitzuerleben.

Auch in Vorarlberg sind Lehrlinge abgeschoben worden. Wie haben Sie das erlebt?
Mich haben diese Fälle total schockiert, ich war sprachlos. Im neuen Regierungsprogramm wird die „Schaffung eines Niederlassungstitels zur Absolvierung einer Lehrausbildung“ als Maßnahme angeführt. Ich hoffe, sie wird möglichst rasch umgesetzt.

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 5 vom 1. Februar 2018)