Kreta war lange Kreuz- und Knotenpunkt der uralten Seeverbindungen im Mittelmeer. Das ist auch heute noch zu spüren, denn die Spuren uralter Kulturen des Mittelmeerraumes finden sich auf der ganzen Insel. Bezaubernde Sandstrände, das smaragdblaue Meer mit imposanten Felsküsten, einsame Buchten, aufstrebende Touristenorte und einzigartige Kulturdenkmäler vervollständigen das Erlebnis im Rahmen der KirchenBlatt-Reise im Mai 2017, mit bewährter Sorgfalt organisiert und betreut von Msgr. Eugen Giselbrecht als geistlichem Leiter und Annelies Nachbaur.

Rosi Hillbrand / red

Die Geschichte des Christentums ist eng mit der Insel verbunden: Der Weg des Apostels Paulus nach Rom führte über Kreta: „Da uns der Wind nicht herankommen ließ, umsegelten wir Kreta bei Salmone, fuhren unter großer Mühe an Kreta entlang und erreichten einen Ort namens Kalói Liménes, in dessen Nähe die Stadt Lasäa liegt. …“ heißt es in der Apg. 27 ff.

Christus ist auferstanden!

Mit „Christos Anésti!“ – „Christus ist auferstanden!“ – dem auf Kreta üblichen Gruß nach Ostern – begrüßte uns unsere charmante kretische Reiseleiterin Maria Tsirakaki jeden Morgen. Ihr Wissen über die Insel und ihre Geschichte war beachtlich.

Bereits die erste Erkundungsfahrt brachte die Gruppe an einen denkwürdigen Ort im Osten der Insel: Von Elounda aus ging es mit einem kleinen Schiff auf die Leprainsel Spinalonga. Reste von Häusern aus der osmanischen und venezianischen Zeit und die düstere Ruine des Krankenhauses für die Leprakranken, die bis in die 1960er Jahre auf der Insel ihr Ausgestoßenen-Dasein fristen mussten, finden sich hier.

Kunst und Kultur soweit das Auge reicht

Beeindruckende Kunstwerke byzantinischer Freskenkunst sind in der Panagia i Kera – Kirche („Herrin Gottesutter) bei Kritsa auf der Fahrt von Iraklion zur Lassithi Hochebene im Südosten zu bestaunen. Östlich davon im Golf von Mirabello liegt die malerische Hafenstadt Agios Nikolaos, gegründet in dorischer Zeit, im 17. Jh. durch Osmanen zerstört.

Der Ausflug am dritten Tag führte uns in den Süden der Insel durch die fruchtbare Mesara Ebene, wo Gurken, Tomaten und Bananen in Gewächshäusern angebaut werden. An den Hängen entstehen äolische Parks mit Windrädern zur Stromerzeugung. Das im Süden gelegene Gortis (Gortyn) war während der Römerzeit die Hauptstadt Kretas mit beinahe 300 000 Einwohnern. Gleichzeitig war hier der Sitz von Titus, dem ersten christlichen Bischof. Er wurde vom Apostel Paulus zur Weitergabe des Evangeliums eingesetzt. Wir bestaunten die Reste des römischen Amphitheaters (Odeon) und die Titus-Basilika, die durch ihre Größe beeindruckt. Bekannt wurde Gortis durch den Fund griechischer Gesetzestafeln mit in Stein gemeißelter Schrift aus dem 5. Jh. vor Christus. Sie sind an der Außenwand des Odeons angebracht. Unweit der Denkmäler steht eine immergrüne Platane, wo der Sage nach Zeus Prinzessin Europa verführt und drei Kinder gezeugt haben soll. Einer davon war der legendäre König Minos.
Weiter ging die Fahrt nach Kali Liménes. Hier im Süden soll Paulus nach der Apostelgeschichte an Land gegangen sein. Auf einer einsamen Anhöhe befindet sich das Kirchlein zum Hl. Titus, dem ersten Bischof Kretas. Wenige Meter darunter jene Höhle, in die sich Paulus für einige Zeit zurückgezogen haben soll.
Weiter südlich, im Badeort Matala soll Göttervater Zeus mit der entführten Phönizierprinzessin Europa dem Meer entstiegen sein.

Den Glauben entdecken und feiern

Am vierten Reisetag stand zunächst ein kurzer Rundgang durch die Hauptstadt Heraklion auf dem Programm. Benannt ist die Stadt nach dem griechischen Helden Herakles, der hier dem Meer entstieg, um den ungeheuren Minotaurus zu töten. Besonders zu erwähnen ist die große Kathedrale St. Minas, einer der größten Kathedralen Griechenlands. Die Kirche zum Heiligen Titus ist ebenfalls dem Schutzpatron Kretas geweiht.
Die Feier der Messe am späten Vormittag mit bedenkenswerten Predigtworten von Pfarrer Eugen Giselbrecht und dem engagierten Gesang der Gruppe darf als besonders feierlicher Akzent der Reise gelten. „Der Auftrag für Paulus bestand darin“, so die essentiellen Worte der Predigt, „das Evangelium in die Welt hinaus zu tragen. – Unsere Aufgabe, unsere Antwort steht auf drei Säulen: Den Glauben entdecken – den Glauben feiern – aus dem Glauben heraus miteinander in Liebe leben“.
Eine weitere Exkursion führte uns zu den größten Ausgrabungen Kretas nach Knossos. In dem riesigen minoischen Gebäudeensemble von insgesamt siebzehn Komplexen spürt man noch den Hauch der griechischen Mythen. In verschiedenen Bauten sehen wir Wandmalereien von Opfer darbringenden Frauen und Männern mit Spende-Gefäßen, einen Lilienprinzen, der eine Prozession anführt, Hofdamen usw. Zerstört wurde der Palast durch ein Erdbeben, wieder aufgebaut und rekonstruiert wurden die Gebäude durch den britischen Archäologen Sir Arthur Evans.

Am fünften Reisetag übersiedeln wir in den Westen. Auf dem Weg nach Rethymnon besuchen wir das El Greco Museum in Fodele, dem angeblichen Geburtsort des Malers Dominikos Theotokopoulos (1551-1614), den Kunstkenner unter dem Namen El Greco kennen. Den Weg zum Museum mit exemplarischen Kopien von Werken des Künstlers säumen Orangenhaine und exotische Pflanzen wie Granatapfelbäume, Rhizinussträucher und prachtvolle Blumen. Kurz vor dem Museum bewundert man den ästhetischen Bau einer byzantinischen Kreuzkuppelkirche mit wertvollen Fresken.

Alte Klöster, neue Klöster

Ein weiterer Höhepunkt der Reise ist der Besuch des Klosters „Agia Irini“, der Irenenkirche nahe Rethymnon. Drei Nonnen ersuchten 1991, ein halb verfallenes Kloster oberhalb eines Dorfes renovieren zu dürfen. Es wurde vermutlich von byzantinischen Einsiedlern gegründet. Zahlreiche Ikonen aus verschiedenen Epochen verleihen der Kirche eine beeindruckende Ausstrahlungskraft. Heute leben an dem aufblühenden Ort acht Nonnen. Sie nähen Messgewänder, schreiben Ikonen, verkaufen Produkte der Region wie Olivenöl und Bergkräuter und strahlen einen hoffnungsvollen Geist aus.

Noch weiter im Westen nahe Kolymbari befindet sich das Kloster Gonias auf einer Anhöhe über dem Meer. Es beherbergt eine beeindruckende Ikonensammlung. Einladend wirkt schon beim Ankommen der mit Steinornamenten gepflasterte Boden des Klosterhofes. Im Kloster Gonias wurden bis 1974 die Gebeine der 4500 im Jahr 1941 gefallenen deutschen Soldaten aufbewahrt.
Anschließend werden wir über die Aufgaben und Ziele der benachbarten griechisch-orthodoxen Akademie (gegründet 1965 – 1968) informiert. Im Jahr 2016 fand in diesem geistigen Zentrum die Heilige Synode der Orthodoxen Patriarchen statt. Diese Versammlung der Patriarchen ist von gleicher Bedeutung wie ein Konzil der katholischen Kirche. Die letzte Synode fand vor 1000 Jahren statt. Die kretisch- orthodoxe Provinz hat eine halbautonome Stellung unter den orthodoxen Kirchen.
Unter dem Motto „Von Angesicht zu Angesicht“ werden Seminare, Konferenzen, Symposien veranstaltet. Im Fokus stehen Themen wie die Erneuerung des kirchlichen Lebens, die Zusammenarbeit von Klerus und Laien, Erwachsenenbildung, Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft und die Heruasforderungen der Gegenwart, zum Beispiel des multi-religiösen Miteinanders.

Nachmittags besuchen wir Chania (in der Antike Kydonia = Quitte genannt), die zweite Universitätsstadt im Westen Kretas mit 80 000 Einwohnern.

Die letzte Exkursion unserer Reise führt uns in den Süden der Insel. An der Südküste fallen die Berge steil ins Meer, das Land ist klimatisch ungeschützt, daher dünn besiedelt.
Der Weg führt zunächst 25 km südlich von Rethymnon in den Ort Agiroupolis, die „silberne Stadt“, wo Relikte aus der Römerzeit gefunden wurden. Viele Wasserläufe in der Umgebung sorgen für üppige Vegetation. Avocadobäume, Johannisbrotbäume, Maulbeerbäume und einige in Kreta endemische Pflanzen (kretische Rauten – Glockenblume) sind typisch für die Region.

Und dieser Blick...

Weiter geht es durch dicht mit Zedern und anderen exotischen Hölzern bewaldetes Gebiet. Wir passieren die romantische Kourtaliotiko-Schlucht und die Ruine des alten Klosters Kato Moni Preveli. Es wurde gegründet im 17. Jh. dem Hl. Johannes dem Täufer geweiht und 1821 bei Revolution gegen Türken zerstört. Schließlich erreichen wir unweit davon das Kloster Preveli, gebaut auf einem Hang hoch über dem Lybischen Meer. Die Klosterkirche schmücken wertvolle Ikonen und eine mit kunstvollen Schnitzereien versehene Altarwand. Unterhalb des Klosters leben in einem Tiergarten Pfaue, kretische Hirsche und Ziegen. Und wieder bezaubert der Blick über das weite, azurblaue Meer…

Auf der Weiterfahrt in den Süden erkennt man die Umrisse der Insel Gavros, der südlichsten bewohnten Insel Europas mit 50 (!) Einwohnern. Im Sommer erreichbar mit einem Linienboot dreimal wöchentlich, im Winter zweimal im Monat. Im romantischen Badeort Plakias genießen wir noch einmal die so oft erfahrene kretische Gastfreundschaft.