Im Oktober wird die Bischofssynode zum Thema Familie weltweit beobachtet werden. Als offizieller Delegierter der Österreichischen Bischofskonferenz wird Bischof Benno Elbs zusammen mit Kardinal Christoph Schönborn an der Bischofsversammlung teilnehmen. Mit welchen Erwartungen er nach Rom geht und was er zu den heiklen Themen „wiederverheiratete Geschiedene“ und Homosexualität sagt, verrät er im Gespräch.

Interview: Heinz Niederleitner

Vor der heurigen, zweiten Familiensynode gibt es hohe Erwartungen. Fühlen Sie sich als Synodenteilnehmer unter Druck?
Elbs: Schon durch die weltweite Umfrage und durch die vorbereitende außerordentliche Synode 2014 wurden hohe Erwartungen aufgebaut. Das erzeugt natürlich auch Druck, und es erinnert an die große Verantwortung, die diese Synode hat. Zugleich erfahre ich es als wertvoll, wenn man spürt, welche Hoffnungen Menschen auf der ganzen Welt in die Kirche setzen und wie groß das Interesse ist.

Sie sind Delegierter der Österreichischen Bischofskonferenz. Wie sieht Ihr „Mandat“ aus?
Elbs: Ich sehe die Synode als spirituellen Prozess, der geprägt ist von einem gemeinsamen Hören auf Gott und einem wertschätzenden Blick auf die Anliegen der Menschen. Mir kommt da ein Gedanke von Papst Franziskus in den Sinn: „Wir müssen vor dem heiligen Boden des Anderen ehrfurchtsvoll die Schuhe ausziehen.“ Insofern hat die Synode für mich nicht die Logik eines Parlaments mit Mandataren, die versuchen, eine Position durchzubringen. Es geht vielmehr um das ehrfurchtsvolle und vertrauende Hören. Ich gehe also nicht als Mandatar, sondern als Hörender und Lernender zur Synode. In Österreich haben sich erfreulich viele Menschen und Organisationen an den Umfragen vor den beiden Synoden beteiligt. Die Ergebnisse nehme ich als wertvollen Schatz mit nach Rom. Ich habe die letzte Umfrage auch schon im Frühjahr an das Synodensekretariat übermittelt.

Was wohl viele wissen wollen: Was werden Sie in Bezug auf die Frage „Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene“ vertreten?
Elbs: Ich gehe mit Überzeugungen und mit Fragen nach Rom – zum Beispiel mit der Überzeugung, dass die Unauflöslichkeit einer sakramentalen Ehe theologisch wie menschlich ein hoher Wert ist. Eine zweite Überzeugung kommt aus meiner Erfahrung als Seelsorger und Therapeut. Sie lautet, dass es nicht die typischen „wiederverheirateten Geschiedenen“, sondern verschiedenartige Situationen gibt. Es braucht eine Unterscheidung. Das entspricht der Haltung Jesu, die im Gleichnis vom guten Hirten zum Ausdruck kommt: Er lässt die 99 Schafe zurück, um das eine Schaf, das sich verlaufen hat, zu suchen. Es geht um individuelle Zuwendung. Ich gehe außerdem mit der Überzeugung nach Rom, dass Sakramente keine Belohnung für gutes Verhalten sind, sondern Heilmittel für die Seele.

Und dann stellt sich die Frage ...
... ob nach einer Zeit der Neuorientierung auf Dauer das Sakrament der Versöhnung und der Kommunion verweigert werden darf, wenn zum Beispiel folgende Situation vorliegt: Ein wiederverheirateter geschiedener Mensch bereut oder wurde unschuldig verlassen, war eventuell auch Gewalt ausgesetzt. Er/sie versucht, die Verantwortung gegenüber der Ehe, den Kindern zu übernehmen und einen Weg der Versöhnung zu gehen. Und er/sie bemüht sich nach Kräften, die jetzige Beziehung aus dem Glauben zu leben und hat Verlangen nach den Sakramenten. Im Arbeitspapier zur Synode wird angedeutet, dass die Kirche eine Logik der Eingliederung und nicht eine Logik der Ausgrenzung leben muss. Jesus hat selbst eine Logik der Eingliederung gelebt.

Hier deutet sich schon ein Weg für wiederverheiratete Geschiedene an ...
Elbs: Mir scheinen drei Wege sinnvoll: Erstens das Prinzip der Gerechtigkeit im Einzelfall (Epikie). Hier wird die Bestimmung eines Gesetzes bewusst übergangen, um der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl als einem höheren Wert besser Rechnung zu tragen. Jesus selbst hat viele solche Beispiele vorgelebt, denken Sie an seinen Umgang mit der Ehebrecherin. Binden, Lösen und Begleiten sind auch Auftrag an die Kirche.
Zweitens brauchen wir eine „Theologie des Weges“. Eine menschliche Situation kann nie nur „gut“ oder „schlecht“ sein, sondern sie kann besser oder schlechter werden. Da gibt es eine Dynamik. Ich vergleiche die Kirche mit einem GPS-Leitsystem, das den Menschen mit Wertschätzung auf das Ziel hinführen soll: die Gemeinschaft und Freundschaft mit Christus. Auf diesem Weg braucht es Stärkung, wie etwa die Versöhnung und die Eucharistie. Das Handeln Jesu zeigt: Er isst mit Sündern. Er sagt, nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.
Und der dritte Weg ist ein Ansatz aus der Psychotherapie von Viktor Frankl: Man darf den Menschen nicht auf ein Problem reduzieren. Entscheidend ist, das Gesunde zu stärken, damit Verletzungen heilen.

Noch einmal schwieriger erscheint die Frage, wie man mit Homosexualität umgehen soll. Was halten Sie hier für sinnvoll und möglich?
Elbs: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes, dem bedingungslos Respekt, Achtung und Würde zukommen. Das Arbeitspapier der Synode bekräftigt, „dass jeder Mensch, unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft mit Sensibilität und Takt aufgenommen wird“. Unterscheidung ist aber nicht Diskriminierung. Eine Ehe zwischen Mann und Frau ist etwas anderes als eine Beziehung zwischen zwei Männern oder zwischen zwei Frauen – psychologisch, biologisch und theologisch.

Es drängt sich vor der Synode der Eindruck auf, dass die Lage in manchen Fragen gespalten ist ...
Elbs: Der gemeinsame Nenner muss in der Sorge um das Gelingen und die Entfaltung des Familienlebens liegen. Alles andere ist zweitrangig. Der Papst ist Garant für Einheit und Weite. Wenn sich alle bemühen, habe ich nicht die Sorge, dass es zu einer Spaltung kommt.

Bedauern Sie, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nur die Themen wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität vorkommen?
Elbs: Ja, das ist schade. Die Familie ist ein Sehnsuchtsort für die allermeisten Menschen – ein Ort der Zuneigung, der Zärtlichkeit, der Heimat, der Zugehörigkeit, des Verzeihens, des miteinander Hoffens und Bangens, des Schutzes und der Hilfe. Die Familie ist ein Ort, wo Leben und auch Glaube gelernt werden können. Sie ist auch ein spiritueller Ort. Das sollte auf der Synode zum Leuchten gebracht werden. Eine andere große Frage ist der Generationenvertrag, die Hinwendung zu den Kindern und die würdevolle Begleitung der kranken, alten und behinderten Menschen. Auch hier kommt der Familie eine Schlüsselrolle zu. Und der Blick auf Familien auf der Flucht und Armut ist ein Gebot der Stunde.

Vor der Synode suchen manche Bischöfe offenbar die Vernetzung mit gleichgesinnten. Vernetzen Sie sich auch? Bilden sich da „Lager“?
Elbs: Es hat schon Gespräche und Kontakte mit sehr vielen Menschen gegeben – Theolog/innen, Organisationen, in der Bischofskonferenz und auch mit Synodenvertretern aus anderen Ländern. Das war für mich sehr wertvoll. Ich sehe in solchen Vernetzungen nicht Lagerbildungen. Es hilft einfach, wenn man den anderen hört, der eine konträre Meinung hat, und sich noch mehr darauf zu konzentrieren, wie Christus handeln würde.

Welche Auswirkungen hätte es, wenn die Synode scheitert?
Elbs: Ich bin voller Hoffnung und nicht auf irgendwelches Scheitern fixiert. Gott geht jeden Augenblick der Kirche und jedes Menschen mit, deshalb wird es aus meiner Sicht beim ehrlichen Suchen und Ringen kein Scheitern geben. Sicher ist, dass wir mit Spannungen leben müssen – auch nach der Synode. Es ist aber zutiefst katholisch und die Stärke unserer Kirche, dass es Spannungen geben darf, die uns auch lebendig halten. Fatal wäre es, in ein Verlierer-Sieger-Schema zu verfallen. Wichtiger als den anderen zu verstehen ist es, dem anderen zu vertrauen, dass er ein wichtiges Anliegen hat und ihn in seiner Meinung zu achten. Dann kann man auch mit Spannungen weitergehen. Als Bischöfe müssen wir Brückenbauer sein. Der pfingstliche Geist wird uns auch Überraschungen schenken.

 

Zur Familiensynode

Unter dem Titel „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ trifft sich von 4. bis 25. Oktober 2015 die Weltbischofssynode zu ihrer 14. Ordentlichen Generalversammlung. Vorausgegangen war eine außerordentliche Synodensitzung zum selben Thema im Herbst des Vorjahres. Die Sitzung 2014 war von Anfang an als Vorbereitungstreffen vorgesehen gewesen, bei dem es vor allem um das Wahrnehmen der Herausforderungen gegangen war.

Beiden Synodentreffen sind Umfragen in den Diözesen vorausgegangen. Während bei der Umfrage vor der außerordentlichen Synodensitzung 2014 vor allem die breite Öffentlichkeit gefragt war (und auch teilgenommen hat), richtete sich die zweite Umfrage in Österreich eher an Organisationen und Institutionen in den Diözesen. Bei der Synodensitzung 2014 war Österreichs Kirche wie für außerordentliche Synodensitzungen vorgesehen mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, vertreten. Für die ordentliche Sitzung heuer wurde einerseits mit der Vorarlberger Bischof Benno Elbs ein Delegierter der Bischofskonferenz gewählt. Andererseits nimmt Kardinal Schönborn als Mitglied des Synodenrates an dem großen Bischofstreffen teil. Neben den Vertretern der Bischofskonferenzen sind praktisch alle Leiter römischer Kurien sowie Fachleute und vom Papst bestellte Delegierte eingeladen. Der Teilnehmerkreis wird sicher größer sein als 2014. Damals waren 191 Bischöfe, 16 Fachleute und 38 Gasthörer (darunter Ehepaare) zur Synode gekommen.

Zu beachten ist, dass die Synode, die eine Einrichtung in Folge des II. Vatikanischen Konzils ist, nur beratenden Charakter hat. Darüber, welche Schlüsse für die Kirche gezogen werden, entscheidet der Papst.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 36 vom 3. September 2015)