„Wir sind alle verschieden“, heißt es heute oft in der Welt. „Wir sind alle Menschen“, tönt es einstimmig aus dem alten Pfarrhof in Sulzberg zurück. Gemeinsam mit dem Theaterverein „Theater6934Sulzberg“ gestalteten Flüchtlinge im Juli einen Abend im Zeichen des kulturellen Austauschs, voller Herzlichkeit, Offenheit und - ganz dem Thema entsprechend - viel Menschlichkeit.

Isabel Natter

Seit 11 Jahren schon stellt die Caritas das alte Zollhaus am Sulzberg für Flüchtlinge bereit. 37 Menschen aus dem Irak, aus Usbekistan, Afghanistan und anderen Teilen der Welt leben zurzeit in dem großen Haus. „Hauptsächlich sind es Familien mit jungen Kindern“, erzählt Pensionistin Ingrid Grabherr. Seit knapp einem Jahr betreut sie auf ehrenamtlicher Basis die Flüchtlinge, vermittelt zwischen Caritas, Gemeinde und Familien und koordiniert verschiedene Projekte. „Um die 15 Freiwillige helfen mit, damit wir die Flüchtlinge in ihren verschiedenen Lebenslagen unterstützen können. Aber auch von der Gemeinde erfahren wir sehr viel Unterstützung. Bei Veranstaltungen dürfen wir den Gemeindesaal nutzen und das Sitzungszimmer im Gemeindehaus dient kostenlos als Treffpunkt für die Sprachbegleitung.“
„Die Sprachbegleitung macht uns allen sehr viel Spaß“, meint Idris, Familienvater und ehemaliger Koch. „Wir konnten einander kennenlernen und Kontakt zu den Sulzbergern knüpfen. Und natürlich die Sprache lernen“, fügt er lachend hinzu.

Mit „Rad und Tat“
Auch so manches originelle Projekt wurde am Sulzberg schon verwirklicht. „Rad und Tat“ ist eines davon. Hinter dem Wortspiel steckte eine mobile Fahrradwerkstatt, die mit der Unterstützung des örtlichen Mechanikers ins Leben gerufen wurde.
„Unter den Flüchtlingen sind zwei gelernte Mechaniker, die mit ein paar Helfern einen Vormittag lang gegen kleine Spenden Fahrräder repariert haben, während die Frauen mit Tee und Gebäck verwöhnten. Jeder, der ein kaputtes Fahrrad besaß, konnte ganz ungezwungen vorbeischauen und sich helfen lassen. Dabei verschenkten manche Leute auch ihre alten Räder, die die Männer mithilfe der gesammelten Spenden reparieren konnten. Nun hat fast jeder der Flüchtlinge hier ein Rad“, so Grabherr.

„Säläm Ailykum“
Und genau wie im Fall der Fahrradreparatur, lockte Sulzberg im Juli mit einer weiteren spannenden Idee in den alten Pfarrhof. Tamara Tesoro, Mitglied beim Theaterverein Sulzberg und ehrenamtliche Helferin, erklärte: „Im Sommer veranstalten wir seit ein paar Jahren die Kleinkunstreihe ‚A guate Stund‘. Es gibt musikalische Beiträge, Filmvorführungen und nun auch zum ersten Mal eine Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen. Die Idee kam uns einmal während der Deutschbegleitung und so entstand ein Abend mit Namen ‚Säläm Ailykum‘(= muslimische Begrüßung). Wir alle waren von Anfang an begeistert.“ Und die Begeisterung war zu spüren. Ein großes Buffet voller verschiedener Köstlichkeiten, gekocht von den Frauen und Männern, heitere Stimmung und viele Gäste bestärkten das Gefühl der Zusammengehörigkeit. „Ich werde etwas vorlesen und auch etwas singen“, erklärt die junge Madina und gestand, ein wenig aufgeregt zu sein.
Doch die Vorführung auf dem Dachboden des alten Pfarrhofs klappte lückenlos. Gedichte wurden auf Deutsch und auf Arabisch vorgetragen, ein kleiner Sketch gespielt und als zum Schluss das „Lied vom Anderssein“, gesungen wurde, ließ der darauffolgende Applaus das Holz des alten Gebälks aufächzen.

Eine große Gemeinsamkeit
Und obwohl es in dem Kinderlied darum geht, dass Blau-Karierte nicht zu Rot-Gepunkteten passen, war dennoch der bunt gemischte Chor aus Sulzbergern, Usbeken, Afghanen, Irakern, aus Großen und Kleinen ein ganz klarer Beweis dafür, dass - egal ob blau-kariert oder rot-gepunktet, egal ob jung oder alt und egal ob von Osten oder Westen kommend - wir ausnahmslos eines sind, und das sind wir alle gemeinsam: Wir sind alle Menschen.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 35 vom 1. September 2016)