Über 40.000 Menschen haben von September bis Dezember 2012 die Installation „Homeless“ in der Feldkircher Johanniterkirche besucht. Sie sahen ein Kunst-Bild, das jetzt in der Wiener Votivkirche Realität geworden ist. Grund genug, sich im Gespräch mit Johanniterkirchen-Kurator Arno Egger die Frage nach Kunst und Wirklichkeit zu stellen.

von Veronika Fehle

Im Bild rechts: Auf der linken Seite sehen Sie die Installation „Homeless“ in der Feldkircher Johanniterkirche von Magdalena Kunz und Daniel Glaser. Auf der rechten Seite die Asylsuchenden in der Votivkirche in Wien.

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Mehr als drei Monate lang war die Installation „Homeless“ der Schweizer Shooting Stars Glaser/Kunz in der Johanniterkirche zu sehen. Das Ende der Ausstellung ging beinah nahtlos in den Beginn der Asyl-Kirchenproteste in der Wiener Votivkirche über. Die Bilder aus Kunst und  Wirklichkeit ähneln sich in erschreckender Weise. Wie erleben Sie diese unglaubliche Parallele zwischen den Kunstfiguren hier und den sich im Hungerstreik befindlichen Flüchtlingen dort?
Arno Egger: Die Realität hat die Kunst eingeholt. So richtig bewusst geworden ist mir das, als ich das Titelfoto in der Tageszeitung „Die Presse“ gesehen habe. Kurz gesagt: der Albtraum ist tatsächlich Wirklichkeit geworden.

Über 40.000 Besucher bei einer Ausstellung, das ist neuer Rekord.
So etwas habe ich noch nie erlebt. Die ganze Stadt hat von Anfang an über dieser Ausstellung geredet. Jeder war ergriffen und berührt. Leute, die bisher keinen Bezug zur Kunst oder zur Johanniterkirche hatten, haben sich dafür interessiert. Viele kamen immer wieder. Die Ausstellung hat sie nicht losgelassen.

Noch einmal zur Erinnerung - welche Themen griff die Ausstellung auf?
Glaser/Kunz haben vor zwei Jahren im Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen ausgestellt. Damals ging es anlässlich der Fußballweltmeisterschaft um eine sozialkritische Installation zur Situation in Südafrika. Ich habe Daniel Glaser und Magdalena Kunz dann nach Feldkirch eingeladen. Vor Ort in der Johanniterkirche war gleich klar, dass die Skulpturengruppe „Homeless“ das richtige Thema für diesen speziellen Raum ist, der eine Ruine ist und zugleich einen spirituellen Aspekt aufweist. Die Arbeit „Homeless“ ist 2010/11 bei einem Artist-in-Residence-Aufenthalt in New York entstanden. Auslöser war die Explosion einer Ölbohrinsel im Golf von Mexiko. Es geht dabei um eine Gruppe von sieben Menschen, die rätseln, ob sie die einzigen Überlebenden auf der Erde sind. Was geschieht jetzt? Wer hilft ihnen? Hilft ihnen überhaupt jemand und vielleicht sind sie auch nur Figuren in den Albträumen eines anderen.

Kündigte sich auch nur annähernd an, welche Ausmaße und welche Brisanz diese Ausstellung entwickeln wird?
Mich haben die Skulpturen auf den ersten Blick bereits tief berührt. Ich war mir sicher, dass ich die Menschen damit erreichen kann. Dass die Ausstellung mit dem Protest der Asylwerber in der Votivkirche eine solche Aktualität bekommt, war natürlich nicht vorherzusehen. Dass die Künstler dieses Bild entworfen haben, lange bevor es Realität wurde, ist wirklich großartig. Wenn Kunst die richtigen Fragen frühzeitig aufwirft und sichtbar macht, dann hat sie ihren Auftrag für die Gesellschaft erfüllt.

Welche inhaltlichen Bezüge zur realen Situation in der Votivkriche sind bei den sprechenden Skulpturen festzustellen?
Die Dramaturgie des Textes wie wir ihn in der Johanniterkirche mit „Homeless“ sehen konnten, hat eine frappante Ähnlichkeit mit den Vermittlungsgesprächen in der Wiener Votivkirche. Auch die offenen Fragen sind nahezu dieselben. Was ist wie zu tun, wie geht es weiter ...?

Welche Folgen hat diese aktuelle Relevanz der Ausstellung „Homeless“ ?
Gemeinsam mit den Künstlern entsteht gerade ein Buch über die Ausstellung in der Feldkircher Johanniterkirche. Und es gibt bereits Kontakte, um diese Ausstellung auch in Wien zu präsentieren. Wir suchen dafür noch einen geeigneten Ort.

Wie geht es 2013 in der Feldkircher Johanniterkirche weiter?
Es ist schwierig, an so einen Erfolg anzuschließen. Wir machen jetzt etwas ganz anderes, nämlich eine Lichtinstallation - sozusagen ein Zeichen der Hoffnung.


Nächste Ausstellung in der Johanniterkirche: ab 8. März, 20 Uhr,
Lichtinstallation von Philipp Geist.
An den ersten beiden Ausstellungstagen wird die Fassade der Kirche bespielt.