Vor fünf Jahren wurde Dr. Elmar Fischer zum Bischof von Feldkirch ernannt. KirchenBlatt-Chefredakteur Mag. Klaus Gasperi (links im Bild) sprach mit dem Bischof.

Wir sitzen im Garten der Kapuziner. Seit fünf Jahren leitet Dr. Elmar Fischer nun die Diözese. Es sind bewegte und spannungsvolle Jahre. So kommen wir ins Gespräch über das Bischofsamt, über Jugendzeiten und jüngste Anschuldigungen.

„Ich will ja gar nicht behaupten, ich hätte keine Fehler gemacht”, erklärt Bischof Dr. Elmar Fischer. Im Bericht des Ombudsmannes werden vier Fälle von körperlicher Gewalt aufgeführt. Und der Bischof räumt ein: „Der Erziehungsstil war damals generell anders. Auch mir sind Erziehungsfehler passiert. Natürlich kann ich mich an einige Auseinandersetzungen erinnern, im Konkreten allerdings nicht an die Vorfälle, die mir hier vorgeworfen werden. Über Jahre hinweg Tag für Tag mit 150 Buben umzugehen, das war schon eine Herausforderung!”

Schwieriger als die Kinder seien zuweilen die Erzieher gewesen. Die haben bisweilen zu viele Zugeständnisse gemacht. Er habe da eine klare Linie eingefordert. Wenn er aber zu hart reagiert habe, sei es ihm wichtig gewesen, das auch direkt mit den Erziehern, gegebenenfalls mit den Schülern zu klären.

Raffinierte Burschen
„Ich war mir oft unsicher”, gesteht Bischof Fischer. Er habe damals in Konfliktsituationen rasch handeln müssen. Und die Burschen, die waren  schlau! Die lautstarke Musik gab Anlass zu öfterem „Kampf”: „Da gab es welche, die haben die Musik mit der Türklinke verknüpft. In dem Moment, wo ich ins Zimmer kam, war die Musik weg. Zu so viel Erfindungsgeist konnte ich nur gratulieren!“, nickt der Bischof anerkennend.
 
„Und jetzt: Spring!“
Er habe ja als moderner Jugendseelsorger gegolten? „Nein, nicht modern”, schränkt der Bischof ein, „eher umgänglich.” Und ergänzt: „Klar, ich wollte die Jugend gewinnen.” Bei den sportlichen Unternehmungen sei ihm eine gewisse angeborene Frechheit zugute gekommen. Der Bischof erinnert sich an eine Besteigung des Piz Buin. Er habe die Burschen ins Seil gebunden. „Jetzt spring!, habe ich gerufen.” Erst da wurde ihm klar, dass der Seilabstand zu kurz war für die Gletscherspalte! „Da musste der Zweite, vom Seil gezogen, schnell nachspringen!“, erinnert er sich.
Ein andermal, es war wohl auf der Totalphütte, sei der Hüttenwirt erbost aufgetaucht: „Wo ist denn euer Führer?“, habe er gerufen. „Kann der denn hier nicht Ordnung machen?” „Da gab ich mich im Gewimmel der Ministranten zu erkennen!”
„Ob er sich noch an den prustenden Elmar Fischer erinnert, der im Hallenbad fast ertrunken wäre, als ihn eine Gruppe von Kindern „zum Spaß“ untertauchte?”, frage ich. Nein, an diese Szene aus den 70er-Jahren, daran kann sich der Bischof nicht mehr erinnern.

Bischof Elmar + Gasperi„Dann wäre aus dem Bischof aber nichts mehr geworden?”, gebe ich zu bedenken. „Er habe dieses Amt nie angestrebt”, sagt Elmar Fischer. „Dieses Amt, es ist ein Ruf, eine Sendung.” Für ihn sei das auch eine Entlastung. „Ich tue meinen Dienst, aber ich bin doch mit meinen Kräften nicht für die ganze Kirche verantwortlich.” Mehrmals antwortete er „Nein”, wenn er auf den Priesterberuf angesprochen wurde. „Denn das ist kein Beruf, zu dem man überredet werden kann!”, sagt er. „Aber ein Jahr, das könntest du doch riskieren?”, lockte schließlich sein Religonslehrer. „Ich wollte es mir gründlich anschauen, und dann ist mir aufgegangen: Der Herrgott ködert nicht. Wenn meine persönliche Freiheit gefragt ist, dann kann ich mir das vorstellen. Wenn Du mit Deiner Freiheit Ja sagen kannst dazu, Tag für Tag, dann trägt das auch.”

„Bloß keine Ehevorbereitung!”
Damals als Kaplan habe er gesagt: „Bloß keine Ehevorbereitung, davon verstehe ich (noch) nichts!“ Doch später habe ihn Generalvikar Hofer gefragt, ob er das nicht machen könne. „Das war damals totales Neuland für mich!”, erzählt Elmar Fischer. Er sei in die Eheberatung erst langsam hineingewachsen. Der Unterricht war damals überwiegend frontal. „Wie ich dann gespürt habe, dass es etwas anderes braucht, haben wir zu Austausch und Paargesprächen angeleitet. Die Sache ist dadurch auch lebendiger geworden.”

Gefühle lernen!
Doch letztlich lebt die Ehe von der Menschlichkeit der Menschen. Und der Glaube könne da eine Hilfe sein, ganz Mensch zu werden. „Denn die Gläubigkeit prägt die Qualität des Menschseins”, ist Bischof Fischer überzeugt. Das neue Feld der Eheberatung war für Fischer eine Herausforderung, doch das Anpacken von Herausforderungen ist dem leidenschaftlichen Bergsteiger nicht fremd. In der Ausbildung zum Gesprächstherapeuten musste er erst lernen,  sich einzufühlen. Da hieß es dann: „Jetzt sag nicht dauernd, wie es sein soll, sondern rede, wie es dir selber geht.” An der Uni habe man ja nicht gelernt, über seine Gefühle zu reden, zumindest nicht in der Theologie. Und die Mutter, die habe ihn doch „eher trocken” erzogen, erinnert er sich.

Modern wirkt er nicht, dieser Bischof, denke ich mir. Grenzen und Verbote, das empfindet er nicht als Einschränkung, sondern geradezu als Voraussetzung für Freiheit: „Wenn man sich beherrschen kann, das erst macht Freiheit möglich.” Man solle nicht immer nur auf das Verbot schauen, sondern die Begründung dahinter suchen und verstehen. Und er fügt hinzu: Wenn man nicht alles tun darf, kommt man auch mehr zum Nachdenken!” Überhaupt, das Nachdenken! Es sei schade, dass die Leute nur dahinleben und so wenig nachdenken.

Das ist dann sein Thema geworden: die eigenen Antriebe kultivieren. „Sinnliche Impulse sollen sinnvoll gestaltet werden”, fordert Elmar Fischer. Er hat hohe Ansprüche, dieser Bischof, an sich und an andere, und er scheut nicht die Konfrontation, auch wenn dies medial mitunter als „töricht“ erscheint. Es gebe so viel Wildwuchs an Haltungen und Ideen in unserer Gesellschaft, das macht ihm Sorge.

Und wo liegt die „Karriere” in der Kirche? Das habe er sich als junger Priester gefragt. So begann er sich für die spirituelle Theologie zu interessieren. Dafür, wie Menschen Gott erfahren. Dabei sei er auf den Mystiker Johannes vom Kreuz gestoßen. Nach Johannes muss die Seele auf ihrem Weg zu Gott zwei Nächte durchqueren, das heißt: Sinne und Verstand übersteigen. Selbstüberwindung ist auf diesem Weg gefordert und auch die Bereitschaft, sich und seine Wünsche loszulassen, hinzugeben. Um so ganz leer und frei zu werden, für die Erfahrung Gottes, die alles übersteigt. Auch wieder so eine breite Gletscherspalte, denke ich mir, wenn auch: die letzte vorm Gipfel.
 

Hintergrund: Den Betroffenen Gehör schenken!

Als Ombudsmann hat Prof. Dr. Hinterhuber von der Uni-Klinik Innsbruck in den letzten Wochen mit all jenen Gespräche geführt, die zuletzt Vorwürfe geäußert hatten, sie seien von Elmar Fischer in seinen Kaplansjahren oder während seiner Zeit als Rektor des Marianums körperlich gezüchtigt worden. Aufgabe des Ombudsmannes war es, die Beschwerden genau aufzunehmen und mit den Betroffenen nach Lösungsvorschlägen zu suchen. Eine gründliche Aufarbeitung der Vorfälle sollte auch dazu dienen, den Erfahrungen der Opfer Gehör zu verleihen und die Bevölkerung gegenüber Gewalt an Kindern zu sensibilisieren.

Es haben sich vier Personen gemeldet, die - nach ihrer Darstellung - durch Elmar Fischer in den 60er und 70er Jahren körperliche Gewalt erlitten haben. Laut Dr. Hinterhuber sind die Anschuldigungen als glaubhaft einzustufen. Bischof Fischer erinnert sich im Konkreten nicht an die genannten Vorfälle, bittet aber jene, die unter seinem Verhalten gelitten haben, um Entschuldigung. Generell weist Prof. Hinterhuber darauf hin, dass Gewalt als Erziehungsmittel in Österreich eine weit zurückreichende Geschichte hat und körperliche Züchtigung erst seit 1989 explizit gesetzlich verboten ist. Es meldeten sich auch mehrere Zeitzeugen, die berichteten, dass “Bischof Elmar kein Schläger” gewesen sei. Sie schildern ihn als engagierten jungen Priester, der auch “moderne Ideen” verkörpert habe.

Dr. Hinterhuber hält fest, dass die geschilderten Übergriffe nicht als Ausdruck einer lustvollen Machtausübung zu interpretieren sind. Diese Handlungen seien vor dem emotionalen Kontext erzieherischer Konflikte zu sehen, was die Vorfälle allerdings weder rechtfertige noch entschuldige.

(Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 22 vom 6. Juni 2010)