Jetzt ist es raus. Teil eins zum Ergebnis des Forschungsprojekts „Schule der 10- bis 14-Jährigen in Vorarlberg“ wurde vergangenen Donnerstag in Bregenz präsentiert.

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Bild rechts: Landesrätin Bernadette Mennel, PHV-Vizerektorin Gabriele Böheim-Galehr und Sozialforscher Johann Engleitner präsentierten die Ergebnisse ihrer umfassenden Befragung zur Schule der 10- bis 14-Jährigen

Dietmar Steinmair

In Bildungsfragen hat sich die Landesregierung lange Zeit mit dem Verweis auf die noch ausstehenden Ergebnisse des Schulforschungsprojekts zurückgehalten. Nun sind die ersten Auswertungen aus den Befragungen von über 19.700 Lehrpersonen, Eltern und Schüler/innen da. Vorgestellt wurden von Landesrätin Bernadette Mennel die „Bildungshaltungen und Bildungserwartungen“. Die Themen „Pädagogische Konzepte“, „Organisation“ und „Rechtlicher Rahmen“ sollen im Mai 2015 präsentiert werden.

Zufrieden, aber Änderungen gewünscht
Ein erster, vielleicht überraschender Befund: Bei Schüler/innen und Eltern herrscht eine hohe Zufriedenheit mit der eigenen Schule bzw. der Schule des Kindes. Über 90 Prozent sehen das so. Das Ergebnis zeige, dass man für die Weiterentwicklung auf einem hohen Niveau aufbauen könne, sagte Sozialforscher Johann Engleitner bei der Präsentation.
Dagegen besteht eine große Erwartungshaltung auf Lehrer- und Elternseite an eine Änderung in der Schulorganisation in Richtung gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. Dabei gehe es einmal um die Verbesserung der Chancengerechtigkeit für alle Kinder, so Gabriele Böheim-Gahler, Koordinatorin des Forschungsprojektes. Zum anderen sagen die meisten, dass eine spätere Schulwegentscheidung für Kinder von Vorteil wäre.

Eine Schule für alle?
Eine gemeinsame Schule für 10- bis 14-Jährige würden die Eltern von Kindern in Volksschule (VS), Neuer Mittelschule (NMS) und AHS mit einer knappen Mehrheit unterstützen. Bei den Lehrpersonen sehen die Antworten ganz anders aus: Drei Viertel der VS- und NMS-Lehrer/innen favorisieren die gemeinsame Schule, im Gegensatz dazu ist es bei den AHS-Lehrer/innen nur ein Viertel. 80 % der Lehrenden an VS und NMS sehen in einer gemeinsamen Schule auch mehr Chancengerechtigkeit für alle Kinder gewährleistet, wogegen dem nur 36 % der AHS-Lehrer/innen zustimmen. Die Befürchtung, dass die leistungsstarken Schüler/innen in einer gemeinsamen Schule unterfordert werden, teilen doppelt so viele AHS- wie VS-Lehrpersonen. Nicht so groß, aber dennoch deutlich ist in dieser Frage auch der Unterschied zwischen AHS- und VS-Eltern.
Ein überraschendes Detail am Rande: 20 % der Eltern von Schüler/innen der NMS geben an, dass ihr Kind bei mehr als der Hälfte der Lehrpersonen übergroßen Leistungsdruck empfände. Bei Eltern von AHS-Schüler/innen sehen das nur 10% so.

Wie geht es weiter?
Die nächsten Schritte nach der Vorstellung des zweiten Teils der Ergebnisse im kommenden Frühjahr sind für  Landesrätin Mennel klar: „Ziel ist, ein Modell für einen Schulversuch auszuarbeiten und in weiterer Folge damit an den Bund heranzutreten.“

Einen Überblick über das Forschungsprojekt sowie Beispielgrafiken zu den Ergebnissen von Teil eins der Befragung finden Sie hier.

 

KOMMENTAR

von Dietmar Steinmair

Idea(o)logisch

Kaum war die Druckerschwärze im Bericht zum Forschungsprojekt „Schule“ trocken, sahen sich gleich mehrere Interessensgruppen durch die Ergebnisse bestätigt. Die Schlussfolgerungen könnten aber gegensätzlicher nicht sein. Der Bericht selbst legt Spuren dafür: 90 % der Eltern von Mittelschul- bzw. AHS-Schülern sagen, dass ihr Kind an der Schule in guten Händen ist. Also passt ja (fast) alles. Gleichzeitig sagt die überwiegende Mehrheit aber, dass sie eine frühe Trennung der Bildungswege für falsch halten.
Soll bei Beibehaltung des bisherigen zweigliedrigen Schulsystems das Volksschulzeugnis weiterhin Aufnahmekriterium fürs Gymnasium sein? Das befürworten zumindest 45 % der befragten AHS-Lehrer. Bei den VS- bzw. NMS-Lehrern sind es nur 20 bzw. 13 %. Es liegt auf der Hand: Wenn etwa 9-jährige Kinder sich nach drei Jahren Verbalbeurteilung plötzlich auf eine Notenbeurteilung umstellen müssen, und wenn dann gleich das Halbjahreszeugnis über den Gymnasiumszugang entscheidet, dann ist das zu hinterfragen.

Der Streit um die Gesamtschule erstaunt mich immer wieder. Ich gebe es zu, ich komme aus einer (etwas) anderen Welt. In Südtirol gibt es die Gesamtschule: Fünf Jahre Volksschule, drei Jahre Mittelschule. Zu meiner Zeit gab es für schwache Schüler „Stützlehrer“. Aus meinen Schulkassen ist jede/r etwas geworden: 5-Sterne-Hotel-Direktor, Schriftstellerin, Schlosser, Masseurin, Unternehmer, Verkäuferin, Psychologe, Gymnasiallehrer, Uniassistent. Die acht gemeinsamen Schuljahre hatten weder etwas besonders verhindert noch begünstigt. Es lag (fast) alles an uns selber, an der Förderung durch Eltern und Lehrer. Am Schulsystem selbst lag es nicht.

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 49 vom 4. Dezember 2014)