Teil 3 der KirchenBlatt-Serie "Zeit der Schöpfung".

 Prof. Dr. Kurt Remelevon Prof. Dr. Kurt Remele
Theologe  und Ethiker,
Universität Graz


Eine ausschließlich auf menschliche Bedürfnisse bezogene Sicht der Natur schätzt Bienen nur deshalb, weil wir ihren Honig essen, Bäume nur deshalb, weil wir sie fällen, und Blumen nur deshalb, weil wir sie in eine Vase stellen können. Doch Bienen, Bäume und Blumen sind nicht bloß für Menschen da, sondern sie besitzen einen Eigenwert.

In der biblischen Schöpfungserzählung spricht Gott mehrfach ein positives Urteil über all die Werke, die er geschaffen hat: „Und er sah, dass es gut war.“ Die Schöpfung ist von Gott unbedingt und bleibend bejaht. Das gilt für die Menschen wie für die übrige Natur.

Gottgewollter Eigenwert
Tiere und Pflanzen, Berge und Seen sind nicht primär deshalb wertvoll, weil wir Menschen sie gebrauchen und besitzen können, sondern weil sie Schöpfung Gottes sind. Der US-amerikanische Trappistenmönch Thomas Merton (1915–1968) beschrieb jene Menschen, die die Natur einzig und allein aus der Perspektive reiner Verzweckung betrachten, wie folgt: „Es gibt Menschen, für die ein Baum nur dann wirklich ist, wenn sie daran denken, ihn umzusägen, für die ein Tier erst dann einen Wert bekommt, wenn man es in einen Schlachthof gebracht hat, Menschen, die nur jene Dinge anschauen, die sie zu missbrauchen gedenken und etwas, das sie nicht zerstören wollen, gar nicht wahrnehmen.“

Die außermenschliche Natur hat einen Eigenwert. „Zu allererst gilt es zu lernen, dass die Schöpfung und alles, was lebt, einen gottgewollten Eigenwert besitzt und nicht allein zum Nutzen des Menschen da ist“, so klar for-
mulierten es die katholischen Bischöfe Österreichs in ihrem Sozialhirtenbrief von 1990.

Vom Umgang mit Blumen
In seinem bekannten Buch „Haben oder Sein“ stellt der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm anhand von zwei Gedichten entgegengesetzte Verhaltensweisen gegenüber der Natur dar. Beide Gedichte beschreiben die Reaktion des jeweiligen Dichters auf eine Blume, die er auf einem Spaziergang sieht.
Das erste Gedicht stammt von dem englischen Poeten Alfred Tennyson. Die für hier wesentlichen Zeilen lauten wie folgt: „Blume in der geborstenen Mauer / Ich pflücke dich aus den Mauerritzen / Mitsamt den Wurzeln halte ich dich in der Hand.“
Das zweite Gedicht stammt von dem japanischen Dichter Basho: „Wenn ich aufmerksam schaue / Seh’ ich das Hirtentäschel / An der Hecke blühen!“ Während also Tennyson seine Blume besitzen will und deshalb gleich mitsamt der Wurzel ausreißt, schaut Basho das kleinblättrige, unscheinbare Hirtentäschel bloß achtsam an und erfreut sich an dessen Dasein.

Nachhaltig bebauen und fair verteilen.
Auch wenn Basho niemals eine Blume ausgerissen hat, so können wir doch davon ausgehen, dass er einen Apfel gegessen und wahrscheinlich sogar selbst gepflückt hat. Menschen können auf dieser Erde nur überleben, wenn sie diese auch bebauen und wenn sie Nahrungsmittel von ihr nehmen. Nachhaltiges Bebauen, das den Eigenwert der Natur respektiert, verbietet selbstverständlich jede nicht wiedergutzumachende Zerstörung. Verantwortungsvolles Nehmen wiederum gebietet eine faire und weitgehend egalitäre Verteilung des Genommenen. Davon aber sind wir weit entfernt. Der deutsche Jesuit Oswald von Nell-Breuning hat schon vor 30 Jahren festgestellt, dass die Menschen in Europa und Nordamerika auf Kosten ihrer Nachfahren und der armen Länder leben. Unser Überverbrauch schmälere die Verbrauchsmöglichkeiten der so genannten Dritten Welt, „weil sich so viel, wie wir für uns allein in Anspruch nehmen, für alle nicht verfügbar machen lässt, das würde die Erdkugel allenfalls für ganz wenige Jahre hergeben.“

Impulse

„Die übrigen Geschöpfe … sollten nicht bloß als Mittel für die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse behandelt werden, sondern auch als Geschöpfe Gottes, die einen unabhängigen, eigenen Wert besitzen und die unseren Respekt und unsere Fürsorge verdienen.“  Die katholischen Bischöfe der USA

„So wie wir unsere Wirtschaft organisiert haben, … beschäftigen wir Menschen damit, dass wir sie Güter herstellen lassen, die wir nicht benötigen oder jedenfalls gut entbehren können, und für deren Herstellung Rohstoffe und Energie verbrauchen …, die die Umwelt in einem Ausmaß schädigen, verwüsten oder zerstören, dass wir die Welt für unsere Nachfahren unwohnlich machen.“ Oswald von Nell-Breuning SJ