„Bibi“ und „Babu“ werden die Großeltern in Tansania gerufen. Die Zeiten, in denen sie ihre Hände in den Schoß legen durften, sind vielfach vorbei. Heute sind sie an die Stelle der Eltern getreten und tragen die Verantwortung für ihre Enkelkinder. Die Situation alter Menschen in Tansania hat sich durch die Aids-Epidemie drastisch verändert.

Patricia Begle

Alte Menschen genießen in den traditionell ländlichen Gebieten Tansanias Ansehen. Sie nehmen die Rolle von Familienoberhäuptern ein, auf sie wird gehört. So lange sie können, leben sie eigenständig, kochen auf ihrer eigenen Feuerstelle und verrichten am Feld jene Arbeiten, die ihre körperliche Konstitution noch zulässt. Manchmal verkaufen sie ein wenig Gemüse oder Selbstgefertigtes am Markt im Dorf. Wenn sie ernsthaft krank werden, begleitet jemand von der Familie sie ins Krankenhaus, sorgt dort für die Verpflegung und Pflege und für das Nicht-Allein-Sein. Immer sind alte Menschen ganz selbstverständlich in den Familienverband eingebunden. Bis zu ihrem Tod.

Verlorene Generation
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Situation aufgrund des HIV-Virus völlig verändert. Die Erkrankung an Aids bedeutet in Tansania meist einen schnelleren Tod. Es werden zwar vielfach antivirale Medikamente kostenlos angeboten, doch die Sterberate vor allem von jungen Erwachsenen ist immer noch hoch. Aus der Elterngeneration sind viele krank oder schon gestorben.

Überfordert
Alte Menschen verlieren dadurch nicht nur ihre Kinder. Zum großen Schmerz kommt auch der Verlust der finanziellen Absicherung und Altersbetreuung. Denn Kranken- und Pensionsversicherungen gibt es dort für die wenigsten, auch keine Alters- oder Pflegeheime. Was hinzukommt, ist die Verantwortung für die Enkelkinder. 15 Millionen Kinder sind in Afrika Aidswaisen. Vielfach springen die Großeltern ein und übernehmen die Elternrolle. Das heißt: erziehen, für Verpflegung und Ausbildung sorgen, unterstützend da sein. Für viele alte Menschen sind diese Aufgaben nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Überforderung.

Unterstützung
Diese Überforderung spürte auch Luzia Rauch, die vergangenen Sommer drei Wochen in Mdabulo / Tansania verbrachte. Ihre Aufgabe in dieser Zeit bestand darin, Waisenfamilien zu besuchen und dabei zu prüfen, ob die Mittel, die über 800 Waisenkindern im Rahmen eines Waisenprojektes der Einen Weltgruppe Schlins/Röns zugesichert werden, auch richtig ankommen. Die Kinder erhalten neben Schuluniform, Heften und Schulgeld, Dinge, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen: Seife für Kleidung und Körper, Öl zum Kochen, Vaseline für die Haut und Kerosin für die Lampen. 20% der Waisenkinder der Region werden derzeit unterstützt, pro Familie ein Kind. Was es erhält, kommt allen Familienmitgliedern zugute. So profitieren ca. 2.500 Waisenkinder von der Unterstützung. „Entscheidend bei diesem Ansatz ist“, erklärt Luzia Rauch,  „dass sie in ihren Familien und Dorfgemeinschaften bleiben können und nach den Eltern nicht auch die Heimat verlieren.“

Hoffnung
Auch für die alten Menschen sind die Projekte, die von Mitgliedern der Einen Weltgruppe Schlins/Röns seit elf Jahren initiiert und betreut werden, ein großer Gewinn. In vielerlei Hinsicht. Häuser werden renoviert, das Wasser wird sauber, die Kinder haben gute Ausbildungsmöglichkeiten. Vor allem aber wird das Verantwortungsgefühl füreinander geweckt und gestärkt. Nicht nur innerhalb der Familien, sondern im ganzen Dorf.  Das macht in der Tat Hoffnung für eine mögliche Zukunft.

Das Waisen-Unterstützungsprojekt ist überwiegend auf private Spenden angewiesen. 100 Euro reichen aus, um ein Waisenkind und damit auch seine Familie für ein Jahr zu unterstützen. Mehr unter www.eineweltgruppe.at