Fünf Jahre nach der ersten Studie zu den Lebenswelten und Werthaltungen der 14- bis 16-Jährigen in Vorarlberg, liegt nun die Folgestudie vor. Sie will nicht über die jungen Vorarlberger/innen reden, sondern will hören, wie sie sich selber sehen.

Patricia Begle

Gute Beziehungen - sowohl in der Familie als auch im Freundeskreis - das steht bei den Befragten an oberster Stelle, wenn es um Werte geht. Die gute Ausbildung kommt gleich danach. An dritter Stelle ist es das Ziel „dass ich Freunden helfe und mich für sie einsetze“ und an vierter geht es darum „die guten Dinge des Lebens in vollen Zügen genießen“ zu können. Zu den wichtigen Zielen zählen zudem Fleiß, Eigenverantwortung sowie die Entwicklung von Kreativität und Fantasie, weniger wichtig sind Macht und Einfluss sowie politisches Engagement. „Tun, was die anderen auch tun“ erscheint den Jugendlichen als unwichtig.

Schule und Job

Von der Nützlichkeit der Schule für die Zukunft sind über 90% überzeugt, die Erwartungen an diese sind hoch. Auch gute Leistungen sind wichtig. Wird nach dem Interesse für den Lernstoff und dessen Bedeutung für das spätere Leben gefragt, ist die Zustimmung nicht mehr so hoch. Wenn es um die Vorstellungen von ihrem späteren Job geht, dann ist den jungen Menschen vor allem die Sicherheit ihres Arbeistplatzes wichtig. Außerdem soll die Arbeit sinnvoll sein, Leistung fordern und genügend Zeit für Kinder, Familie und Freizeit lassen.

Sicherheitsbedürfnis

In der großen Bedeutung von Beziehungen und sicherem Arbeitsplatz zeigt sich für Helga Kohler-Spiegel, Mitherausgeberin der Studie, das Bedürfnis nach Sicherheit. „Weil die jungen Menschen die Welt unsicher erleben, sind Eltern oder auch der Arbeitsplatz so etwas wie ein Anker. Das ist auch die Botschaft an die Eltern: Sie sind wichtig. Es geht darum, in Kontakt zu bleiben und sich mit den Jugendlichen auseinander zu setzen.“

Glaube und Identität

Die Studie nahm auch die Religion in den Blick. Hier zeigte sich, dass sich rund 40% der Jugendlichen mit christlicher Zugehörigkeit als „sehr“ bzw. „eher religiös“ bezeichnen und dass ihnen ihre Kirche „sehr“ bzw. „eher wichtig“ ist. Rund 60% von ihnen glaubt, „dass Gott für sie da ist“, ca. ein Viertel gibt an, „regelmäßig zu beten“. Für rund ein Fünftel hat „Gott keine Bedeutung“. Bei den Jugendlichen, die einer muslimischen Glaubensgemeinschaft gehören, sind sowohl Zugehörigkeitsgefühl als auch Engagement innerhalb der Gemeinschaft größer. Von ihnen gibt rund die Hälfte an, „regelmäßig zu beten“, über 90% sind davon überzeugt, dass „Gott für sie da ist“.

„Für muslimische Jugendliche ist Religion identitätsbildend“, erklärt Kohler-Spiegel. „Für Vorarlberger/innen ist sie nicht Teil der Selbstdefinition. Wir leben durch die Säkularisierung in einer Freiheitskultur, Religion gehört zum privaten Bereich. Sie ist nicht mehr kollektive Identität, sondern persönliche Ressource.“ Aufgabe von Schule und Kirche sei es, Räume zu schaffen, in denen Lebens- und Glaubensfragen Platz haben und ins Gespräch kommen.

Kulturelle Vielfalt

Junge Menschen zeigen eine überwiegend offene Haltung gegenüber anderen Kulturen und Religionen, mehr als die Hälfte kann sich eine interreligiöse bzw. interkulturelle Partnerschaft vorstellen. Was die Rollenverteilung in der Partnerschaft betrifft, so zeigt sich, dass gerade Mädchen, deren Familie aus dem Südosteuropäischen Raum stammt, sehr stark für Gleichberechtigung eintreten.

Die Studie

„Lebenswelten - Werthaltungen junger Menschen in Vorarlberg 2016“ ist der Titel der Studie, die vom Land Vorarlberg in Auftrag gegeben und von der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg durchgeführt wurde. Federführend dabei waren Gabriele Böheim-Galehr und Helga Kohler-Spiegel. Die Studie  schließt an jene von 2011 an. In 100 Klassen an 70 Schulen (alle Schultypen) wurden Fragebögen an 14- bis 16-Jährige verteilt. 2079 Jugendliche machten mit. Zudem wurden auch Jugendliche miteinbezogen, die über die Schule nicht erreicht werden.

(KirchenBlatt Nr. 4 vom 26. Jänner 2017)