In der aus allen Nähten platzenden Buchhandlung Brunner in Bregenz fand die Eröffnung der 9. Projekte der Hoffnung statt, die seit 2006 Träger des Alternativen Nobelpreises ins Land bringen. Geseko v. Lüpke sprach mit Irina Scherbakova, Guillaume Harushimana und Raul Montenegro darüber, woher sie die Kraft und Hoffnung beziehen, auch in Schwierigkeiten durchzuhalten.

Bild rechts: Raul Montenegro, Geseko v. Lüpke, Irina Scherbakova und Guillaume Harushimana (von links). 

Wolfgang ÖLZ

Die Initiatorin der Projekte der Hoffnung, Marielle Manahl, drückte zu Beginn ihre Freude über jeden Besucher aus, und lud ein, mit dem Herzen zuzuhören und in komplett andere Lebenswirklichkeiten einzutauchen. Christian Hörl stellte die Diskussionsteilnehmer/innen vor, die alle im Kontext von unmittelbarer Gewalt gegen Menschen oder gegen die Natur stehen.

Nachahmenswerte Helden

Gesprächsleiter Geseko v. Lüpke meinte, dass die drei geladenen Gäste Helden seien, allerdings Helden, die nicht angestaunt werden, sondern die den Held in uns selber wecken und wachsen lassen wollen. Er erinnerte auch an einen der aktuellen Träger des Alternativen Nobelpreises, Edward Snowden, der nicht nach Stockholm reisen kann, weil er dann Gefahr laufen würde, von der größten Demokratie der Welt, den USA, ins Gefängnis geworfen zu werden.

Irina Scherbakova gilt als profunde Kennerin Russlands, aber auch der Ukraine, und sie vertritt die Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die 2004 für ihre mutige Arbeit zur historischen Aufarbeitung der politischen Gewaltherrschaft den Alternativen Nobelpreis erhalten hat. Scherbakova berichtete, dass die Aktivisten ihrer Organisation heute in Russland als feindliche Spione betrachtet werden, weil sie gemeinsame Projekte mit anderen Staaten wie Ungarn, Polen und Deutschland lancieren. Hoffnung gibt ihr, dass am 30. Oktober, dem Tag des politischen Häftlings, im Zentrum von Moskau 40.000 Namen von Erschossenen der Breschnew-Ära von einer großen Menschenmenge verlesen wurden.

Versöhnungsarbeit
Guillaume Harushimana ist mit seinem Zentrum „Kamenge“ 2002 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Dieses Zentrum in Burundi entstand aus der Idee dreier italienischer Xaverianer-Missionare. Es erbrachte den Beweis, dass die Jugendlichen verschiedener Volksgruppen nach neun Jahren mörderischen Bürgerkriegs lernen können, friedlich miteinander zu leben. Harushimana erklärte den vorangegangenen Völkermord in seinem Heimatstaat Burundi als Folge des Kolonialismus.

Doppelmoral
Raul Montenegro ist Professor für Evolutionsbiologie an der Universität von Cordoba in Argentinien und erhielt 2004 den Alternativen Nobelpreis. Er hat als Umweltaktivist den Bau von Atomkraftwerken verhindert, die chemische Industrie für ihre Verschmutzung zur Rechenschaft gezogen und sich für die Rechte der Ureinwohner Argentiniens eingesetzt. Montenegro führte aus, dass für komplexe Probleme komplexe Lösungen gefunden werden müssen. Als Beispiel nannte er die Staaten Nordeuropas, die zwar gegen die Abholzung von Regenwald sind, gleichzeitig aber Motorsägen zur Abholzung eben dieses Regenwaldes produzieren. Raul Montenegro hofft, dass sich viele kleine Gruppen zu Millionen Menschen zusammenschließen.

INTERVIEW

Es geht um die Verantwortung

Irina Scherbakowa forscht über Totalitarismus, Stalinismus und das sowjetische Arbeitslagersystem (GULag).

Was lässt sie angesichts des Leidens der Menschen hoffen?
Die Hoffnung stammt aus der Überzeugung, dass man diese Vergangenheit nicht verdrängen, sondern aufarbeiten soll. Es geht mir um die Werte der Aufklärung, die sehr wichtig sind, und es geht um die Verantwortung.

Warum sehen sie den Diskurs der postmodernen Philosophen, wie sie in ihrem Vortrag ausführten, so kritisch?
Der „Postmoderne Diskurs“ verwischt die Grenzen zwischen Gut und Böse. Ich glaube, das ist gefährlich, weil es der Versuch ist, die Verantwortung nicht zu tragen. Deshalb glaube ich an die Aufklärung, und dass die Lügen, die Mythologisierungen der Geschichte, irgendwie vergehen werden. Das macht mir Hoffnung und gibt mir die Kraft weiterzuarbeiten.

Was war die schlimmste Entdeckung, als Sie in den Archiven des KGB recherchierten?
Die schlimmste Entdeckung für mich war der Versuch der KGB-Leute, das zu zerstören, was ein Individuum ausmacht, indem man die Menschen unter Folter dazu gezwungen hat, gegen sich selbst auszusagen. Diese Abgründe waren für mich das Schrecklichste, dass man versucht, den Menschen von innen her zu vernichten, nicht nur physisch, sondern auch psychisch.

(Aus dem KirchenBlatt Nr. 48 vom 27. November 2014)