Patricia Begle hat die beiden Schwestern Damienne und Rebekka besucht, die im hintersten Walsertal eine neue eremitische Niederlassung gegründet haben.

Berufungsgeschichten haben etwas Spannendes an sich. Zuweilen trifft man auf grandiose Erfahrungen, auf schwere Krankheiten oder tiefe Krisen. Berufung kann aber auch ganz unspektakulär geschehen: Mit großer Konsequenz sind Damienne und Rebekka ihren Weg in einer Schwestern-Gemeinschaft gegangen. Nun haben sie im hintersten Walsertal eine neue eremitische Niederlassung gegründet.

Von Patricia Begle

Die beiden Frauen sitzen mir gegenüber, bereit für ein Gespräch. Zum Glück muss ich nur die Fragen stellen. Wir haben viel Zeit. So beginne ich ganz von vorne: Damienne ist zwölf, als ihr eines Tages auf dem Nachhauseweg bewusst wird: „Gott ist nicht etwas, sondern jemand. Und dieser jemand liebt mich wie sonst niemand.“ Mit einer solchen Klarheit tritt diese Erkenntnis in ihr Leben, dass sie ihren zukünftigen Weg entscheidet. Damienne will „gleichwertig“ antworten. Sie beschließt, ins Kloster zu gehen. „Meine Verantwortung lag darin“, erklärt die heute 60-jährige Sr. Damienne, „dass ich auf dem Weg bleibe“.

Auf dem Weg: Zunächst allerdings muss sie noch erwachsen werden. Sie schließt das Gymnasium ab, studiert Medizin und tritt dann in die Gemeinschaft der „Schwestern von Bethlehem” ein. Der kontemplative Weg ist für sie die Antwort auf das liebende Dasein Gottes. Als Schwester ist sie bei etlichen Klostergründungen mit dabei, so auch bei dem Aufbau des Klosters auf der Kinderalm im Salzburger Pongau, wo sie 15 Jahre lang junge Frauen als Novizenmeisterin begleitet.

Leben im Vertrauen auf Gott
Die Beziehung, die sie mit Gott bis heute verbindet, ist eine innige, intensive und tragfähige. Als Jugendliche meinte sie lange Zeit, dass alle Christ/inn/en in einer solchen Beziehung zu Gott lebten, dass dies der „Normalfall” sei. Später erfährt sie, dass dem nicht so ist ... Die Erfahrung, die sich ihr als Zwölfjährige eröffnete, wird zum Fundament ihres Lebens, ein Boden, der über Krisen und Schwierigkeiten hinweg Bestand hat und sich als tragfähig erweist.

Aus heiterem Himmel
Ihre Gefährtin Sr. Rebekka war 18, als sie mit ihrem Freund auf einer Romreise einem Jesuitenpater begegnete. „Ich sehe, dass hier aus dieser Menge zehn junge Frauen berufen werden“, hörte sie ihn sagen. „Ich nicht“, lautete die prompte Antwort der jungen, temperamentvollen Frau, für die ein Ordensleben bis dahin noch nie ein Thema gewesen war. Doch der Satz blieb hängen und wirkte und wartete auf eine Entscheidung.

Mit den Augen Gottes
Ein Jahr gibt die junge Frau der Entscheidung Zeit, dann steht fest: Sie absolviert eine Ausbildung als Krankenpflegerin, „um den Menschen besser kennenzulernen“. Immer versucht sie, den Menschen von Gott her zu sehen, den Menschen sozusagen „mit den Augen Gottes” zu betrachten. Vordergründiges relativiert sich dabei und alles Tun wird „von einer tieferen Tiefe beseelt“.
Dann tritt sie bei den Benediktinerinnen ein, später wechselt sie zu den Bethlehemschwestern. Obwohl ein aktiver Orden aufgrund ihrer Ausbildung nahe liegen würde, wählt sie den kontemplativen Weg. „Krankenpflege ist nicht das, was mir liegt“, erklärt Rebekka wie selbstverständlich. Es wird klar: Hier geht es zutiefst um sie als Person, um ihre Fähigkeiten.

Die stets neue Entscheidung
„Dabei war dieser Weg nicht immer leicht!”, gesteht sie freimütig. „Durch alle Phasen hindurch die Treue zu halten, den eigenen Unzulänglichkeiten und sich selbst in einem solchen Maß ausgesetzt zu sein, das erfordert ein klares Ja, immer wieder aufs Neue.” Und sie fügt hinzu: „Es ist, als ob Gott immer wieder fragt: ,Willst du – dann kann ich dich vollenden.’ Er hat Zeit. Und ich bin frei, Ja zu sagen oder Nein.“
Das Gebet befreit zu einem guten Miteinander: „Ich möchte dich für mich!” - Dieser Ruf prägte Rebekkas Leben. Das Gebet, das Ihm-gegenüber-Sein wurde ihr zur Aufgabe, ihre Hingabe an Gott zum Geschenk für andere. „Miteinander kann man das Größere tun“, ist sie überzeugt. Die Menschen in Buchboden teilen diese Erfahrung und sind offen und dankbar für das Gebet der beiden Frauen.

In der Tradition der frühen Eremitinnen

Kontemplation meint, den “inneren Blick” in der Stille auf Gott hin auszurichten und vor ihm in seiner Gegenwart zu bleiben. Grundsätzlich wird zwischen kontemplativen und aktiven Orden unterschieden, wobei aber jeder Orden immer beiden Aufgaben nachkommt, lediglich die Schwerpunkte sind unterschiedlich.

Die „Schwestern von Bethlehem” stehen den Kartäuserinnen nahe und wurden 1951 im Burgund von der Dominikanerin Sr. Marie Odile Dupont-Caillard gegründet. Seit 1976 gibt es auch einen männlichen Zweig, die „Brüder von Bethlehem”. Heute zählen über 500 Mitglieder zur Ordensfamilie (28 Frauen- und 4 Männerklöster in 15 Ländern). Die Niederlassungen unterstehen dem jeweiligen Diözesanbischof.

In Österreich leben die Schwestern seit 1985 im Kloster „Maria im Paradies“ auf der Kinderalm im Pongau. Schweigen, Gebet und Fasten prägen ihren Alltag ebenso wie die ostkirchliche Liturgie.

(aus KirchenBlatt Nr. 21 vom 30. Mai 2010)