Die Krankenhausseelsorgerin Renate Dünser bietet zusammen mit Hospiz Vorarlberg die Veranstaltung „Weihnachten ohne dich“ an. Menschen, die einen geliebten Verwandten oder Freund verloren haben, können sich hier treffen. Das KirchenBlatt sprach mit Martha Amann, deren erwachsener Sohn 2014 gestorben ist, und die sich gerne Stärkung und Solidarität bei „Weihnachten ohne Dich“ holt. Weil es für sie „wunderbar stimmig“ ist, wie sie sagt.

zur Sache: Feiern trotz Schmerz von Renate Dünser

Wolfgang Ölz

Die gebürtige Dornbirnerin Martha Amann ist in Hörbranz verheiratet. Ihr Sohn Bernd ist 2014 im Alter von 44 Jahren völlig unerwartet gestorben. Sie betont: „Als Mama kann einem nichts Ärgeres passieren. Man funktioniert nur noch, weil der Schmerz unbeschreibbar ist.“ Selbst heute, nach über drei Jahren hat sie dafür keine Worte. Der Schmerz bleibt, auch wenn er sich verändert. Sie sagt: „Ich bin überzeugt, dass der Schmerz nie mehr weggehen wird. Es ist nach wie vor ganz, ganz furchtbar.“

Wie ein Überfall
Auch am Tag des Interviews hat Frau Amann über den Verlust geweint. Wenn der Schmerz überhandnimmt, dann sei das für sie wie ein Überfall. Sie lässt es zu, dann geht der Schmerz auch wieder und sie lebt ihren Tag weiter, ist auch lustig, weil das einfach dazugehört. Im Glauben findet sie Halt, auch wenn sie sagt, dass sie den Zweifeln, der Frage nach dem Warum, nicht zu viel Raum geben will, sonst komme man auf keinen grünen Zweig.
Martha Amann geht zur Veranstaltung „Weihnachten ohne dich“, seit diese initiiert wurde. Renate Dünser, erzählt Martha Amann, sei eine wunderbare Frau, die diese Begegnung von Trauernden mit so viel Liebe und ganz, ganz schön gestaltet. Frau Amann freut sich auch dieses Jahr wieder auf die Feier. Bei diesem Treffen werden Texte gelesen, Kerzen angezündet und immer auch ein kleines Geschenk verteilt. Bei einer Feier gab es etwa ein Filzherz mit Perlen. Der Filz symbolisiert den Schmerz, die Perlen die Tränen. Bei der Veranstaltung treffen sich Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Es sei in gewisser Weise tröstlich, dass jeder „sein Päckle“ zu tragen habe.
Die wohltuende Erkenntnis stellt sich ein, dass man mit sich und seinem Leid nicht allein ist. Nach der gestalteten Feier bleiben viele noch gemütlich beisammen. Es sei immer wieder schön, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die man noch nie gesehen hat.

Weiterempfehlung
Martha Amann nimmt auch jedes Mal jemanden mit, der auch einen Trauerfall erlitten hat. Dieses Jahr etwa eine Frau, deren Mann heuer gestorben ist. Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass alle immer begeistert seien und nachher sagen: „Mei wia schö.“ Sie empfiehlt die Veranstaltung natürlich wärmstens weiter, nur absolut kirchenferne Personen, die mit Glaube und Gebet nichts anfangen können, würde sie nicht einladen. Der Heilige Abend selbst ist für Frau Amann nicht so schlimm, weil ihr Sohn schon aus dem Haus war, als er starb. Bernd fehlt, aber sie geht dann eben in die Mitternachtsmette in Mariastern-Gwiggen und versucht so, die Feiertage glücklich zu überstehen.

ZUR SACHE

Feiern trotz Schmerz

Renate Dünser„Bald wünschen wir uns wieder ‚Frohe Weihnachten‘. Doch jetzt vor dem Fest ist manchen Menschen gar nicht froh zumute, weil sie um jemanden trauern oder jemanden vermissen“, erzählt Renate Dünser. Aus ihrer Arbeit als Krankenhausseelsorgerin weiß Dünser: „Es ist nicht einfach, Weihnachten zu feiern, wenn jemand - aus welchem Grund auch immer - nicht mehr da ist, der im letzten Jahr noch mitgefeiert hat. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, was es bedeutet, Weihnachten zu begehen, wenn ein geliebter Mensch fehlt.“ 

In der Trauerbegleitung ist es eine der größten Herausforderungen, Familien oder Einzelpersonen über das erste, zweite oder auch dritte Weihnachten zu begleiten. Renate Dünser betont: „Was für die meisten das ‚schönste Fest‘ im Jahr ist, kann für Trauernde nichts als Leere, Verlassen-Sein, Tränen und Vermissen bedeuten.“

Bei der Veranstaltung „Weihnachten ohne dich“ geht es um Erinnerungen, um Freude und um Trauer, um gedankliches und heilsames Verbunden-Sein mit Menschen, die anderswo Weihnachten feiern, aber nicht (mehr) mit uns. „Als äußeres Zeichen können Perlen der Erinnerung als Christbaumschmuck mitgenommen werden. Ein Symbol dafür, dass der Verstorbene im Festzimmer einen Platz hat“, so Renate Dünser. Sie freut sich über zahlreiche Besucher, auch Kinder sind herzlich willkommen.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 50 vom 14. Dezember 2017)