Wenn Reformationsjubiläum und Reformationstag (31. Oktober) aufeinandertreffen, dann gibt es wohl keine passendere Musik zum Fest und Gedenken als jene von Bach. Und wohl keinen passenderen Gesprächspartner zum Thema, als einen Tenor, der im Pfarrhaus aufgewachsen ist. Ein Gespräch mit Daniel Johannsen.

Patricia Begle

Der Terminkalender des Tenors, der im Burgenland groß geworden ist, zeigt sich gefüllt, unterschiedliche Orte und Ensembles, in fast jeder Woche finden sich Konzerte mit Werken von Johann Sebastian Bach. Die Wirkung, die dessen Musik beim Publikum auslöst, erstaunt. „Ob in Israel oder Japan, in einer 500-Mann-Halle oder in einer kleinen Kapelle - bei Bachs Musik findet im Laufe des Abends bei den Zuhörenden eine Aufrichtung statt“, beschreibt Johannsen.

Das Kantatenwerk Bachs bedeutet Johannsen „alles, weil es alles enthält“. Von der Verzweiflung bis zur stillen Genügsamkeit, vom Versagen bis zur extatischen Begeisterung - die Bandbreite menschlicher Emotionen in dieser Musik ist umfassend. „Und es gibt kein Thema der Bibel, das in seinem Werk keinen Widerhall findet. Es ist hoch geistig und hoch emotional“, weiß Johannsen.

Das 500-Jahr-Jubiläum, das die evangelische Kirche begeht, ist auch für den Pastorensohn Anlass, sich jene Entwicklungen bewusst zu machen, die aus der Reformation entstanden sind. „Das menschliche Gewissen ist zum Tragenden geworden - dem Menschen ist quasi ein Sockel drangeschraubt worden“, erklärt er. Dies stieß eine kopernikanische Wende in vielen Strukturen an, und veränderte alles - vom Verhältnis zu Obrigkeiten bis hin zur Pädagogik. Wie damals Martin Luther, so stellt sich auch heute die Grundfrage immer wieder neu: „Wie steht der Mensch zu Gott - in seiner Würde und Hinfälligkeit? Wie kann er Gott fassen in dessen Unfassbarkeit?“

Um diese Beziehung des Einzelnen zu Gott geht es auch in der ersten Bachkantate, die das Ensemble für die beiden Kantaten-Konzerte  vor dem Reformationstag ausgewählt hat. „Ich geh und suche mit Verlangen“, lautet ihr Titel. Ein Zwiegespräch zwischen Seele und Jesus wurde hier in Musik verwandelt, die Worte sind angelehnt an das Hohelied. „Glaube ist Liebe zu Jesus und die Dankbarkeit ihm gegenüber“, ist Johannsen überzeugt.

Die zweite Kantate, die an diesen Abenden aufgeführt wird, wurde für den Reformationstag geschrieben. Ihr liegt jenes Lied zugrunde, das von Luther 200 Jahre zuvor verfasst wurde - und noch heute einen fixen Platz in Liederbuch und Liturgie der evangelischen Kirche innehat: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Johannsen weiß auch diese Formulierung ins Heute zu übersetzen: „Keine Panik auf der Titanic. Es ist alles in Ordnung, wir haben jemanden, der für uns kämpft.“ Für Johannsen ist der Glaube an die Erlösung durch Jesus „wie ein digitaler Code - das Null und Eins des Glaubens, entweder glaube ich, dass er für mich gestorben ist und meinen ‚Dreck‘ erledigt hat oder ich lass das nicht zu“. Der Tenor gehört zu jenen Musikern, die sich zum christlichen Glauben bekennen, bei denen das Innen und Außen einander durchdringen. „Was wir nennen und sagen ist für uns so klar, dass es sich auch in dieser Klarheit offenbart. Das ist beglückend. 

Bachkantaten in Vorarlberg

Konzept: Miriam Feuersinger
Leitung: Thomas Platzgummer.
Karten: € 25,– | € 20,–, Kulturpassinhaber und Kinder bis 16 Jahre frei.
Reservierungen: Buchhandlung „Die Arche“ und unter www.bachkantaten.at

Sa, 28. Oktober, 19.30 Uhr, Ev. Kreuzkirche am Ölrain, Bregenz.
So, 29. Oktober, 17 Uhr, Dom St. Nikolaus, Feldkirch.