Ferchl-Blum Annamaria von Annamaria Ferchl Blum

Eine Situation mit Irritationspotential in meinem Religionsunterricht: auf die Frage, was wir bezüglich Einfühlungsvermögen und Empathie von Jesus lernen könnten, ruft eine Schülerin heraus: „Jesus? Den kennen wir nicht!“ Nach einem Moment der Ratlosigkeit meinerseits erklären mir die Schüler/innen, wie weit Jesus für sie weg sei, wie wenig „Echtes“ sie über ihn sagen können.

Solche Überraschungen gibt es im Religionsunterricht laufend und ich mag sie. Denn sie führen, mehr als jeder Katechismus, zum Glauben und zum Leben der Schüler/innen. Ja, Jesus ist für die meisten Jugendlichen ein Unbekannter, über den sie, außer in ein paar Klischees, nicht sprechen können. Aber sie brennen nach wie vor für Gerechtigkeit und sehnen sich nach mehr Mut zum Durchbrechen von Unrechtssituationen. Bei ihren Fragen angelangt, ist sogar der Weg zuJesus oft gar nicht weit.

Der Religionsunterricht wird heute von vielen Zeitgenoss/innen als überholt abgetan oder mit kirchlichen Rekrutierungsansprüchen überfrachtet. Wie immer man ihn sieht: für die meisten Jugendlichen ist er der einzige Ort, an dem Fragen des Lebens und Glaubens regelmäßig ihren Raum bekommen. Keinen exklusiven Raum irgendwo, sondern inmitten des Schullebens. Darin steckt immerhin die einmalige Chance, einen alltagstauglichen Glauben einzuüben.