Ferchl-Blum Annamaria von Annamaria Ferchl-Blum

Ja, schämst du dich denn nicht?!, so lautete ein gefürchteter Zuruf in meiner Jugend. Die Aufforderung zum Schämen hatte natürlich ihre problematische Seite und nicht selten wurde dabei der Boden für lebenslange Verunsicherungen gelegt. Andererseits schützte uns dieses  „Stoppschild“ durchaus auch vor Handlungen, die unserem Ansehen schaden hätten können.
40 Jahre später: Schauplatz Schule. Mädchen haben Nacktbilder von sich ins Internet gestellt. Neben Höchstzahlen bei den Zugriffen auf die Bilder sind die Empörung sowie Spott und Hohn groß. Wer ernsthaft nachdenkt, fragt sich, was ist mit dem Schamgefühl der Mädchen los?

Mit Blick in die Gesellschaft kann studiert werden, wie sich die Schamgrenzen in Bezug auf Intimität zunehmend auflösen. Im medialen Zeitalter kann jeder intime Augenblick spontan festgehalten, weitergeleitet, konsumiert, abgelegt und ersetzt werden. Jugendliche reagieren darauf ambivalent: einerseits nehmen sie teil am allgegenwärtigen Voyeurismus, der keine Grenzen kennt, andererseits versuchen sie mehr denn je, ihre Nacktheit zu schützen.

Der moralische Appell verhallt in der allgegenwärtigen Schamlosigkeit. Nur eines nützt: Den Jugendlichen mit Respekt begegnen, ihnen Ansehen geben, damit sie sich ihrer Scham nicht mehr schämen müssen.