Beichten sei „out“, sagt P. Kolumban Reichlin von der Propstei St. Gerold, das Schuldig-Werden aber bleibe. Weil das menschliche Leben bruchstückhaft ist, braucht es Versöhnung. Es gibt die Angebote dazu.

Dietmar Steinmair

Landauf, landab wird es in den Pfarren Vorarlbergs am Ende der Fastenzeit wieder Bußgottesdienste geben, ergänzt durch die Möglichkeit der sakramentalen Lossprechung in einem Beichtgespräch. Ob es mit einem einzigen Gottesdienstbesuch getan ist, bleibt dem Gewissen des Einzelnen und dem Wissen Gottes überlassen. Ist Versöhnung mehr als ein punktuelles Geschehen, vielmehr ein Prozess?

Selbst gehen
Ein Projektteam mit Magdalena Burtscher aus Marul und dem Benediktiner-Pater Kolumban Reichlin von der Propstei St. Gerold hat daher für die Fastenzeit die  vierteilige Impuls-Reihe „Aufbrechen zum Licht“ konzipiert (siehe Kasten rechts). Die beiden laden ein, sich durch  Referate, Austausch, Gebet und Begegnung dem Thema „Versöhnung“ zu stellen und vielleicht „selber den Weg der Versöhnung zu gehen und dadurch zum Licht und zu mehr Lebensqualität zu finden“, wie P. Kolumban Interesse weckt.

Das Elend des Tagewerks
Der Alltag zeige, dass vieles im Leben nicht gelinge, so Reichlin, allen Bemühungen und allem guten Willen zum Trotz: „Wenn wir scheitern, versagen und verletzen, bedarf es der Versöhnung, Vergebung und Heilung, damit wir innerlich nicht verhärten, gleichgültig und egoistisch werden.“ Licht und Schatten, Freude und Tränen, Gelingen und Versagen stünden oft nahe beieinander.
Anstatt alles richtig zu machen, gehe vieles schief. Gut gemeint ist oft schlecht getroffen. Lieblosigkeiten, ungerechtes Handeln, falsche Entscheidungen, das Übersehen des Wesentlichen, die Verletzung gerade der Menschen, die einen am nächsten stehen - das zählt der Benediktinerpater als Beispiele für Fallen in zwischenmenschlichen Beziehungen auf.
Doch Selbstanklage reicht nicht, wenn auch mit der gründlichen Einsicht einmal ein Anfang gemacht ist. „Sich dem eigenen Versagen - aber auch dem unseres Nächsten - zu stellen, ist schwierig, aber der einzige Weg zur Versöhnung, zu innerem Frieden und letztlich zu mehr Lebensqualität“, ist P. Reichlin überzeugt.

Vergebung vor Umkehr
Doch wovon geht Versöhnung aus? Ist sie machbar, etwa durch Übungen oder Gebete? Es gehört zu den Grundüberzeugungen des Christentums, dass der Mensch aus sich heraus keine Versöhnung herstellen kann, weder mit sich, noch mit dem Mitmenschen, und schon gar nicht mit Gott.
Die Geschichte des Zöllners Zachäus im Lukasevangelium zeigt, dass erst die Vergebung durch Gott eine Umkehrbewegung im Wucherer auslöst. Jesus überfällt den Zöllner geradezu mit der Aussage, dass er heute in seinem Haus zu Gast sein müsse. Dann erst gibt Zachäus zurück, was er zu viel genommen hat, und noch mehr dazu.
Die Vergebung durch Gott geht der Umkehr des Menschen zeitlich und auch logisch voraus. Das Gottesbild Jesu ist nicht das eines argwöhnischen Herrschers, der sich erst durch die Anhäufung moralisch einwandfreier Taten dazu herablässt, den Menschen die vorher begangenen Untaten zu vergeben. Auch Propst Reichlin findet diesen Ansatz im 2. Korintherbrief wieder, wo Paulus schreibt: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ Den Anfang macht immer Gott.

Ich, du, Gott
Versöhnung ist für P. Kolumban ein Prozess. Denn es brauche Zeit, das Versöhnungsbedürftige in sich selbst wahrzunehmen und die einzelnen Schritte zur Versöhnung wachsen zu lassen. Daneben sei Versöhnung immer auch etwas Gemeinschaftsbezogenes: „Wir brauchen die andern, ihr Entgegenkommen, ihre Güte und ihr Gebet, um Kraft und Mut zur Versöhnung zu finden“, so Reichlin. Und schließlich ist Versöhnung etwas zutiefst Göttliches: „In ihr begegnen wir dem uneingeschränkten ‚Ja‘ des Geheimnisses der Liebe, das uns schon in der Taufe zugesagt worden ist und das in der Feier der Osternacht auf wunderbare Weise erneuert wird“, blickt P. Kolumban schon voraus auf das Ende der Fastenzeit.

Fundierte Impulse
Mit P. Christoph Müller, Helga Kohler-Spiegel, Pfr. Edwin Matt und Pfr. Hubert Lenz hat das Walsertaler Projektteam vier Menschen aus Vorarlberg gefunden, die, wie die Veranstalter betonen, mitten im Leben stehen und im christlichen Glauben verwurzelt sind. Propst Reichlin verspricht für die Reihe, die am 4. März im Geroldshus startet, praxisbezogene Impulsreferate, die das Thema „Versöhnung“ aus biblisch-spiritueller, aus psychologisch-therapeutischer und aus sakramental-heilsgeschichtlicher Sicht beleuchten. Und am Ende steht die Einladung an die Teilnehmer/innen zur Feier einer Tauferinnerung.

 

Angebote zur Fastenzeit

Aufbrechen zum Licht

Ein Versöhnungsweg durch die Fastenzeit. Vier Impulsabende in der Propstei. Jeweils Sonntags von 18 bis 20 Uhr, Gerolds­hus, St. Gerold. Ablauf: Begrüßung und Einstimmung, Impulsreferat, Fragen und Austausch, Gebet und Segen, Agape und Fastensuppe.

So 4. März, Pater Christoph Müller, Pfarrer von Blons, St. Gerold und Thüringerberg: Was bedeutet das Wort „Versöhnung“?
So 11. März, Dr. Helga Kohler-Spiegel, Professorin an der Pädagogischen Hochschule in Feldkirch und Psychotherapeutin: Umgang mit Verwundungen und Unversöhntem im Leben.
So 18. März, Mag. Edwin Matt, Pfarrer in Bregenz und Diözesandirektor von Missio Vorarlberg: Das heilende Zugehen auf Menschen, das Leben eröffnet.
So 25. März, Dr. Hubert Lenz, Dekan, Pfarrer von Nenzing: Versöhnung ist biblisch gesehen Heilung der Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen.

Die Vortragsreihe „Aufbrechen zum Licht“ endet mit einer liturgischen (Tauferinnerungs-)Feier.

Fastenpredigten

Die schon traditionellen Fastenpredigten im Rahmen von Wortgottesfeiern an der Basilika Rankweil thematisieren heuer die „Neuen Wege“, welche die Pfarrgemeinden im Anschluss an das Pastoralgespräch gehen werden. Sechs Impulse, jeweils am Sonntagabend um 18 Uhr, geben Orientierungshilfen für eine christliche Gemeinschaft. Biblische Grundlage zu den Predigten sind die „Ich-bin-Worte“ Jesu aus dem Johannesevangelium.

So 26. Februar, Walter H. Juen, Wallfahrtsseelsorger in Rankweil: Den Spuren des Lebendigen trauen - Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.
So 4. März, Sr. Clara Mair, Pastoralassistentin in Bregenz-Mariahilf: Zur Kraftquelle gehen -
Das Wasser das ich geben werde, wird zur sprudelnden Quelle.
So 11. März, Daniela Bohle-Fritz, Krankenhausseelsorgerin in Feldkirch: Begleitet im Auf und Ab - Ich bin der gute Hirt.
So 18. März, Peter Klinger, Direktor der Caritas Vorarlberg: Verwurzelt und solidarisch - Ich bin der Weinstock.
So 25. März, Elisabeth Dörler, Leiterin des Werks der Frohbotschaft Batschuns: Gastfreundlich und offen unterwegs - Ich bin die Tür.
So 1. April, Wilfried Blum, Pfarrer in Rankweil: Einander Licht sein - Ich bin das Licht der Welt.