Wenn Martin Fenkart seinen Beruf beschreibt, dann beginnen die Fragezeichen in den Augen seines Gegenübers oft wild zu blinken. Er ist Referent für Berufungspastoral der Katholischen Kirche Vorarlberg und in dieser Funktion auch auf Facebook und Co unterwegs. Ein Gespräch über Talente, Glück, Glaube und rote und grüne Ampeln.


Die brennendste Frage gleich zu Beginn: Welche Berufung hat Sie zur Berufungspastoral in der Katholischen Kirche gebracht?

Martin Fenkart: Am 1. Juni 2010 habe ich mein „Dienst angetreten“. Davor war ich Werbeleiter für Spar in Vorarlberg. Ich habe Theologie studiert, das Studium angebrochen, habe für Antenne Vorarlberg gearbeitet, war beim ORF, habe in Wien gelebt, war dort in der Stadtmission tätig und bin jetzt bei der Katholischen Kirche Vorarlberg als Referent für Berufungspastoral. Ein sehr kurvernreicher Lebenslauf.
Ich glaube, dass jeder Mensch eine Berufung hat. Das fasziniert mich. Und es gibt nichts Schöneres, als dass man sagen kann: „Ich habe meine Berufung zum Beruf gemacht“. Wichtig ist, dass man seine Leidenschaft und die Talente, die in jedem von uns stecken, dass man die im Alltag verwirklichen kann. Nehmen wir mich als Beispiel. Die Arbeit bei Spar hat mir gefallen, sie hat mir sogar sehr gefallen. Ich konnte mich frei mit der faszinierenden Welt der Lebensmittel beschäftigen. Dann habe ich aber gemerkt, dass ich näher an den Menschen sein wollte und der eigentlichen Frage: „Wofür bin ich da“. Deshalb bin ich jetzt für mich am richtigen Ort.


THEOlogisch2011Berufungspastoral ist für Laien ein sehr verklausulierter Begriff. Wie schlüsseln Sie ihn für sich auf?

Martin Fenkart: Die Berufungspastoral ist für mich Anlass für ein zweifaches Abenteuer. Es ist ein Abenteuer, das Geschenk meines eigenen Lebens auszupacken. Ich finde, jedes Leben ist so einzigartig und jeder von uns hat es geschenkt bekommen. Das fasziniert doch - der Gedanke, dass ich bin. Ich möchte zu Gedanken einladen wie, wer bin ich, was kann ich, was mag ich. Mein Ansatz geht hier sehr stark von jedem einzelnen aus, auch in der Frage, wo die Sehnsucht eines jeden liegt. Da gibt es ja den Satz von Nelly Sachs: „Die Sehnsucht ist der Anfang aller Dinge“. Das päpstliche Pendant dazu: „Die verschüttete Sehnsucht des Menschen nach Gott“.
Ich möchte nun den Menschen helfen, ihre eigene Sehnsucht zu entdecken und zu graben. Ich möchte ihnen helfen, zu einem erfüllten Leben zu kommen.
Das zweite Abenteuer ist es, das eigene Leben aus der Sicht des Künstlers zu betrachten. Wer hatte denn die Idee, dich zu erfinden? Bist du ein Zufallsprodukt aus H2O oder bist du ein Gedanke Gottes? Mit diesen Fragen mache ich mich auf den Weg zu machen - wie das Kunstwerk sich auf den Weg macht, den Künstler zu entdecken.
Das sind so zwei Abenteuer zwischen denen ich mich bewegen möchte.


Sie haben von persönlichen Talenten gesprochen, die es zu entdecken gilt. Nähert sich die Suche nach diesen persönlichen Talenten der Suche nach der eigenen Berufung an?

Martin Fenkart: Vor kurzem gab es eine Fernsehdiskussion mit Markus Hengstschläger, einem bekannten österreichischen Genforscher. Hengstschläger hat aufgezeigt, dass wir in Österreich darauf hinarbeiten, eine Gesellschaft der Mittelmäßigkeit zu werden. Man ist darauf bedacht, dass wir alle irgendwie immer im Durchschnitt sind. Ein Beispiel für diesen Drang, im Durchschnitt zu liegen ist zum Beispiel auch die PISA-Studie. Hengstschläger aber sagt, dass genau das fatal sein wird für unsere Gesellschaft. Denn es gilt immer wieder auf das Talent und die Fähigkeit jedes Einzelnen zu schauen. Als Beispiel führte Hengstschläger den Zeugnistag an. Das Kind kommt nach Hause, hat vielleicht zwei Fünfer, der Rest der Noten liegt im Mittelfeld. Aber das Kind hat auch einen Einser. Und was machen wir? Wir schauen nur auf die Fünfer und versuchen, das Kind dort zu verbessern, anstatt dass man sagt, super, da hast du einen Einser, da müssen wir weitermachen, da liegt dein Talent - und dann schauen wir auch noch, dass wir die Fünfer vielleicht zu Vierern machen.
Und das ist das Spannende, das Urtalent zu erkennen. In der Kirche haben wir hier ein Problem, das auch darin liegt, dass wir alles systematisch herunterdenken. Also in der Art: „Ich empfehle dir, Pastoralassistent/in zu werden, Religionsleherer/in zu werden, Priester zu werden. Du kannst Lektor/in, Ministrant/in usw. werden. Wir denken immer in unseren Kästlein und versuchen, alles in diese Kästlein zu drücken und dann wundern wir uns, dass wir die Leute nicht in diese Kästchen bringen.
Wir schauen viel zu wenig, wo die Leidenschaft, die Fähigkeiten, die Sehnsüchte der Menschen liegen.


THEOlogischIh
r Lösungsansatz für dieses Problem?

Martin Fenkart: Ich versuche, das Christentum vom Geschenk des Lebens, das jeder ist, und von der Einzigartigkeit des Lebens her zu verstehen.
Wenn ich an den Anfang gehe, dann ist da Jesus und er ruft zwölf Menschen zu sich und das sind Fischer und was er mit ihnen vor hat, das lässt sich nicht in Kästchen einteilen. Er hat sie in Beziehung zu sich gerufen und aus dieser Beziehung ist alles gewachsen. Das finde ich so wesentlich für das Christentum von morgen, dass wir talent- und sehnsuchtsorientiert zu einem freudigen Christentum einladen. Wir müssen die Kästchen mit leben füllen.


Nun sind Kategorien ja auch manchmal hilfreich. Man kann sie ja auch als Orientierungshilfen, als Richtlinien verstehen.

Martin Fenkart: Jeder Mensch braucht Vorbilder, das ist klar.Die ersten Vorbilder sind Mutter und Vater und dann wehrt man sich auch gegen diese Vorbilder. Im Gespräch mit Jugendlichen habe ich oft das Gefühl, dass sie in der Kirche gar keine Antworten auf ihre Lebensfragen mehr erwarten. Die Fragen sind die gleichen geblieben. Es sind die Grundfragen des Lebens. Dabei haben wir sehr viele, unglaublich tolle Persönlichkeiten in Vorarlberg, die ihr Christentum leben, und die möchte ich vor den Vorhang holen. Das sind auch Vorbilder und ich glaube, das brauchen wird auch. Das steckt an und das motiviert.


Bleiben wir noch einen Moment bei den Jugendlichen. Sie sind es, die an Entscheidungsschwellen stehen. Sie sind es aber auch, die von der Kirche hier immer weniger eine Antwort auf ihre Fragen erwarten. Wie schaffen Sie hier als Referent für Berufungspastoral den Brückenschlag?


Martin Fenkart: Wenn ich von meinem Beruf erzähle, dann kommt oft ein fragendes „Hä?“ zur Antwort.  Ich versuche jetzt eine biblische Antwort auf diese Frage. Es gibt zwei Bibelstellen, die mir sehr helfen die Fragen danach zu beantworten, warum ich in der Berufungspastoral arbeite und was ich an dieser Stelle erreichen will. In beiden Bibelstellen begegne ich dem Apostel Andreas. An einer Stelle deutet Andreas auf Jesus und sagt zu seinem Bruder, Simon Petrus, „Das ist der Messias“. Und er führt seinen Bruder zu Jesus und er lädt ihn zu einer Begegnung mit Jesus ein. Petrus, der Papst, die Nummer eins, die sich Jesus ausgesucht hat, war nicht zuerst. Zuerst war Andreas und er hat Petrus zu Jesus geführt. Ich glaube, jeder von uns sollte sich manchmal die Frage stellen, wer uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass es da noch etwas gibt. Wer war es, der uns mit dem Glauben in Berührung gebracht hat? Ist das die Oma, ein Freund, die Eltern. Es geht darum zu erkennen, wer ist mein Andreas und für wen ich ein Andreas sein kann. Wenn wir Christen uns mehr als Andreas verstehen würden, dann wäre sehr viel mehr möglich, dann käme einiges in Bewegung.
Als zweite Bibelstelle möchte ich hier das Wunder der Brotvermehrung anführen. Da ist ein kleiner Junge, der hat ein paar Brote und ein paar Fische. Ohne den Jungen gibt es keine Brotvermehrung. Er aber stellt sich zur Verfügung mit seinen Talenten, also mit dem, was er hat. Daraus kann das Brotwunder erst entstehen. Und wer war es, der den Jungen entdeckt hat – es war Andreas.


Um aus Kleinem Großes entstehen zu lassen, muss man ja erst in Kontakt treten. Diesen Kontakt muss man erst suchen und dann muss er auch noch gelingen. Wo sind die Kontaktstellen zwischen Kirche und Jugend heute? 

Und wofür brennst du?Martin Fenkart: Wir können nur ganz breit ausstreuen, zum Gespräch einladen und greifbar werden. Wenn es uns gelingt, einzelne Menschen als brennende Personen zu entdecken, dann haben wir schon viel geschafft.
Interessant ist auch, dass sich viele Kontakte aus der THEO und aus Facebook ergeben. Ich staune immer wieder über die Offenheit und Transparenz, mit der Jugendliche heute im Internet über Glauben reden. Und ich war anfangs - ehrlich gesagt - schockiert und am Schluss überrascht, wie schnell man über persönliche Fragen und über Glaubensfragen via Facebook spricht. Zur Erklärung, die THEO, das ist das Berufsinfo-Forum der Katholischen Kirche Vorarlberg, zu dem Maturant/innen und Vormaturant/innen eingeladen sind.


Wie läuft so ein Facebook-Gespräch ab? Wie stelle ich mir das vor?


Martin Fenkart:
Wir reden in Facebook viel über das Leben, die Talente und die Fähigkeiten, die Sehnsüchte und Wünsche als über den Glauben an sich. Anfangs. Der Glaube, der taucht als Thema dann irgendwann einmal auf.
Der Ansatz ist der, einem Menschen wirklich dabei zu helfen, seine Wünsche zu entdecken und ihnen Hilfestellung zu leisten, diese Entscheidungen zu treffen,. Und wenn dann von ihrer Seite einmal die Frage kommt: „Berufungspastoral, was ist das eigentlich?“ Dann ist das für mich oft eine Gelegenheit zu sagen, warum ich das eigentlich mache. Das bleibt oft einfach so stehen. Für manche aber ist es dann auch Ansatz, über Glaube, Kirche und Berufung zu sprechen. Für mich ist das immer wie eine grüne bzw. rote Ampel. Wenn jemand wirklich fragt und interessiert ist daran, dann erzähle ich weiter. Und wenn der andere nicht mehr darüber wissen will, dann ist das auch okay.


Und trotzdem bleiben Sie am Ball.

Martin Fenkart: Die Gute Nachricht ist für alle, sie ist für die Welt. Das weite Dach der Kirche unter dem für alle Platz ist, das ist für mich schon der zentrale Punkt. Und gleichzeitig braucht es auch Menschen, die für diese Kirche brennen. 
Oft siehst du das Brennen in dir selbst nicht. Oft brauchst du auch Menschen, die dich stupsen. Die dich ein Stück mitnehmen. Was hier für mich wichtig wird, ist die Qualität des Hörens. Bin ich in der Lage zu hören und bin ich in der Lage, mich verändern zu lassen. Denn jede Begegnung mit einem Menschen kann mein Leben verändern, wenn ich bereit bin, es zuzulassen.


Termin

THEOlogisch – das Berufsinfo-Forum
Donnerstag, 9. Februar 2012
Bildungshaus St. Arbogast
8.30 Uhr – 14 Uhr

www.kath-kirche-vorarlberg/theo

www.facebook.com/meineberufung