Klar und pointiert spricht Kardinal Kurt Koch über ökumenische Geschehnisse in der Welt. In Fragen der Ethik, besonders wenn es um den Schutz des menschlichen Lebens geht, mahnt der Kardinal Einstimmigkeit ein. Eine wachsende Herausforderung an die Ökumene sieht Koch in den immer mehr an Zuwachs gewinnenden Freikirchen.

Christina Manzl

Das ökumenische Flugzeug
„Am ehesten mit einer Reise im Flugzeug“ würde Kardinal Kurt Koch die ökumenischen Bemühungen der römisch-katholischen ­Kirche in den vergangenen 50 Jahren vergleichen. „So eine Flugreise beginnt nach ­intensiven Vorbereitungen mit einem ­rasanten Start auf der Piste und einem ebenso ­steilen Aufstieg in die Luft. Sobald die Flughöhe erreicht ist und das Flugzeug in der Luft fliegt, kann man leicht den Eindruck gewinnen, es bewege sich nichts mehr oder man komme nur langsam voran. Jeder Passagier dürfte dennoch von der gewissen Hoffnung erfüllt sein, dass das Flugzeug sicher sein Ziel erreicht.“
Das Zweite Vatikanische Konzil sei für die ­römisch-katholische Kirche so ein rasanter Start in ökumenischen Bemühungen ­gewesen. Damals wären gar nicht wenige davon ­überzeugt gewesen, dass eine ­baldige Einheit der Kirchen bevorstehen ­würde. Nun, 50 Jahre nach dem Konzil, wo die sehnlichst ­erwartete Einheit noch immer aus­ständig ist, ­erscheine es vielen noch immer, als bleibe die Kirche mit ihren ökumenischen ­Bemühungen in der Luft hängen. Dazu meint Kardinal Koch: „Es bleibt zu hoffen, dass das ­ökumenische Flugzeug landen wird, zumal wenn man daran denkt, wer der eigentliche Pilot des Flugzeuges ist. Nämlich der Heilige Geist.“

Vielfalt der Dialoge
Zurzeit führt der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen mit rund 16 kirchlichen ­Gemeinschaften ­Gespräche. Im Dialog mit den orthodoxen ­Kirchen bittet Koch die Katholiken um Geduld. „Die orthodoxe Kirche steht vor ­großen internen Herausforderungen. Ich hoffe, dass es möglichst bald zu einem panorthodoxen Konzil kommen wird“, so der Kardinal, der im Falle eines positiven ­Verlaufes so einer Zusammenkunft wichtige Impulse für die Ökumene ortet.
Dass der katholisch-orthodoxe Dialog ­ökumenische Bemühungen mit kirchlichen Gemeinschaften reformierter Tradition ­behindere, wies Koch eindeutig zurück: „Das ist schlichtweg nicht der Fall, auch wenn die Unterschiede im kirchlichen Grundverständnis beträchtlich sind.“ In dem Zusammenhang erwähnt Koch den Wunsch nach einem katholisch-lutherischen Dokument nach dem Vorbild der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von Augsburg. „Denn eines der Probleme, das wir heute haben ist, dass es viele ökumenische Papiere gibt, die aber von den Kirchenleitungen nicht anerkannt sind.“

Selbstkritisch sein
„Die vielleicht größte Herausforderung für die römisch-katholische Kirche liegt ­jedoch in der wachsenden Bedeutung der ­Freikirchen“, so Koch. Besonders pfingstlerische Gemeinschaften würden vorwiegend in lateinamerikanischen Ländern eine ­große Menge von Katholiken abwerben, und der ­Kurienkardinal ermahnt: „Die katholische Kirche muss selbstkritisch nach den Gründen fragen, warum so viele Katholiken zu diesen Bewegungen übertreten, und sie darf dabei nicht der Versuchung erliegen, deren teilweise problematische Evangelisierungsmethoden zu übernehmen.“

Mit einer Stimme
Wenn es um Fragen der Ethik geht, ermahnt Koch: „Die christlichen Kirchen müssen in ethischen Fragen endlich mit einer Stimme sprechen.“ Es sei grundsätzlicher Auftrag kirchlicher ­Gemeinschaften „das menschliche Leben von dessen ­Anfang bis zum Ende zu schützen.“ Besonders bedauere Koch, dass in Bereichen wie Ehe, Familie, aber auch Homosexualität, der Konsens ­fehle. Noch schwerwiegender sei die Frage der Einstimmigkeit in kritischen Bereichen wie Stammzellenforschung, Abtreibung und Euthanasie, in der die Kirchen jedoch „nicht mit jener einheitlichen Stimme sprechen, die um der Glaubwürdigkeit willen notwendig wäre.“

Ökumene ist Freiheit
„In der Ökumene hängt jeder Dialog mit Freiheit zusammen“, so Kardinal Kurt Koch. Man könne, ähnlich wie in jeder menschlichen Beziehung, Dialoge und Einheit nicht erzwingen. Es gelte Beziehungsarbeit zu leisten und zu hoffen, dass das Gegenüber in die Beziehung einwilligt. Deshalb gehöre zur Ökumene „leidenschaftliche Ungeduld und leidenschaftliche Geduld“.
Dennoch reiße dem Kardinal der Geduldsfaden nicht, wie er am Rande der Tagung erwähnt: „Es gibt immer wieder Rückschläge, aber eigentlich dominiert das Positive. Ich stelle bei vielen Christen diese Sehnsucht nach Einheit fest und das ist etwas, was mich sehr in meiner Arbeit bestärkt. Im Großen und Ganzen ist es eine schwierige Arbeit, aber eine schöne.“

Ökumene ist kein Hobby
Auf die Frage, wie ein werdender Pfarrgemeinderat konkrete ökumenische Schritte setzen könne, meinte der Kurienkardinal im Gespräch mit der Kirchenzeitung: „Jeder Getaufte ist dazu aufgerufen, sich in der Ökumene zu engagieren. Die eigentliche Verpflichtung, sich für die Ökumene einzusetzen, hat man aufgrund der Taufe. Ich wünsche mir, dass jeder Getaufte merkt: Ökumene ist etwas, was mein Christsein betrifft. Ökumene ist kein Hobby für besondere Liebhaber, sondern ist etwas, was sich aus dem Christsein selber heraus ergibt.“ Dass dieses Bewusstsein jedoch noch nicht so im Denken der Menschen vorhanden sei bedauert Koch sehr. Genau hier ortet er „die besondere Verantwortung eines Pfarrgemeinderates darin, dass er hilft dieses Bewusstsein zu vertiefen und in der Kirche zu verbreiten“. Gemeinsame Projekte mit anderen Kirchengemeinden vor Ort, Begegnungen und gemeinsame Feste sowie konfessionsübergreifende Bildungsangebote können dazu beitragen.

Der Vortrag Kardinal Kochs zum Nachhören und wichtige Informationen zur Ökumene sind auf der Homepage des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich: www.oekumene.at