Markus Hofer ist als Kunstexperte Teil eines neuen diözesanen Lehrgangs, der zeigen will, wie interessant und abwechslungsreich Kirchenräume präsentiert werden können.

Bild: Die Mittelsäulen führen nach oben, die Bögen des Kreuzrippengewölbes verzweigen sich wie zu einem himmlischen Kraftzentrum, das uns nach oben zieht. Die Bauweise des Doms mit zwei Schiffen ist ungewöhnlich. Vermutlich gab es damals einfach nicht mehr Platz.

Das Gespräch mit Dr. Markus Hofer führte Wolfgang Ölz

Was für konzeptionelle Absichten stehen hinter dem neuen Lehrgang?
Kirchenräume haben oft auf Menschen eine ganz eigene Wirkung, auch auf Menschen, die nicht unbedingt kirchlich sind oder aktiv  am kirchlichen Leben teilnehmen, aber Kirchenräume haben etwas, das Menschen aus der gesamten Gesellschaft anspricht. Der Lehrgang soll Interessierte befähigen, dass sie anderen so einen Kirchenraum gut vermitteln können und Zugänge schaffen. Der Kirchenraum soll in dem was er hat, was er ist, was er birgt, eröffnet werden. 

Was ist es, das die Menschen heute an einem Kirchenraum berührt?
Zunächst glaube ich, dass der Kirchenraum eine Gegenwelt darstellt, eine Gegenwelt zur  Hektik im Alltag, die Stille als Gegenwelt zum Lärm im Alltag, ein Stück weit eine sinnvolle Gegenwelt zur ständigen Unterhaltung und zur oberflächlichen Berieselung, auch eine Gegenwelt, wo die Echtheit des Lebens Platz hat, wo Gefühle und Probleme einen, sei es auch stummen, Ort haben können, wo man gewiss ist: Ich bin damit gut im Kirchenraum aufgehoben.
Es sind natürlich auch Orte der Verkündigung. Verkündigung geschieht nicht nur durch Predigt und Evangelium, sondern auch durch Kunst und durch Räume. In der Art wie Künstler einen Raum schaffen, bringen sie ja auch Verkündigung zum Ausdruck. 

Gibt es bestimmte Epochen der Kunstgeschichte, die sich uns Heutigen besonders erschließen?
Es ist spannend, wie die unterschiedlichen Epochen unterschiedliche Zugänge und Mentalitäten zum Ausdruck bringen. Es ist spannend zu beobachten, wie man sich etwa in einer gotischen oder einer barocken Kirche fühlt. Ich glaube, dass die Wirkung von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann. Die Kirchen der Romanik, Gotik und  des Barock hatten über Jahrhunderte ihre  Wirkung, und die haben sie natürlich auch heute.
Vermutlich suchen  moderne Menschen Kirchenräume, die eine gewisse Mystik ausstrahlen, auch wenn sich nicht genau festmachen lässt, was das Berührende ist, wenn der Raum ein Stück weit Himmel und Erde verbindet, und wo ich mich, wenn ich in diesen Raum hineingehe, in eine Verbindung zwischen Himmel und Erde hineinstellen kann.

Welche Favoriten haben Sie in Vorarlberg?
Vorarlberg sticht nicht unbedingt durch eine Vielzahl an künstlerisch allzu großartigen Bauten hervor, in der Romanik gibt es etwa fast gar nichts. Der Feldkircher Dom allerdings ist mit seiner Zweischiffigkeit ein ganz einmaliges gotisches Beispiel. Mit den Glasfenstern von Martin Häusle und dem dem Renaissance-Altar von Wolf Huber erhält die Kirche ein ganz besonderes Flair, durch das sie herausfordert, aber auch Geborgenheit schafft.

Welche Beispiele gefallen Ihnen international?
Die Romanik ist von einer großen und wohltuenden Nüchternheit und Schlichtheit und von einem sehr menschlichen Maß. Dann folgt die Gotik, wo alles nach oben strebt ins Göttliche, ins Mystische, alles wird größer und der Mensch demgegenüber etwas kleiner. Völlig anders wird es dann im Barock, wo man das Gefühl hat, der Himmel kommt herab zu den Menschen. Im süddeutschen Raum gibt es viele barocke Kirchen, auch von Baumeistern aus dem Bregenzerwald, die eine unwahrscheinliche Sinnenfreude, eine lebensbejahende Freude ausstrahlen, wo mit Wolken, Engeln, Putten alles herumschwirrt und das Religiöse mit sehr viel positiver lebensfreudiger Sinnlichkeit verbunden ist.

Kirchenräume sind immer auch Gotteshäuser. Wie sehen Sie die „Größe“ Gott im konkreten Kirchenraum?
Es gibt sicher viele Leute, denen das persönliche Gespräch mit Gott in einem ansprechenden Kirchenraum leichter fällt, andere wieder sagen, das mache ich lieber in der Natur,  das muss jeder für sich wissen.
Natürlich ist ein Kirchenraum auch Sakralraum, Gotteshaus, in dem, bildlich gesprochen, Gott wohnt, und wo man in besonderer Weise in Kontakt mit Gott treten kann.
Mich fasziniert der Gedanke, dass seit Jahrhunderten Menschen, Männer, Frauen, Alte, Junge mit ihren ganzen Sorgen und Freuden in den Kirchenraum hineingekommen sind und diese vor Gott gebracht haben, das lässt mich manchmal beinahe innerlich erschaudern.

Inwieweit gehört hier das Erfahren eines Kirchenraumes in der Liturgie dazu?
Für mich, und da bin ich natürlich sehr katholisch sozialisiert, sehr wesentlich. Ich habe auch ganz gerne eine Liturgie, die nicht nur wie eine Art Religionsunterricht ist,  sondern eine sehr schöne Liturgie, in der auch Rituale gepflegt werden.
Die katholischen und orthodoxen Kirchenräume sind deswegen auch sehr bildreich und ausdrucksstark, und rufen geradezu nach einer Liturgie.

Wie viel Wissen sollte man in einen Kirchenraum mitbringen?
Wenn man sehr viel Wissen mitbringt, sollte man dieses zunächst vielleicht auch loslassen, um dem Raum eine Chance zu geben, damit  er ganzheitlich auf mich wirken kann. Gute Vermittlung von Kirchenräumen, so soll auch dieser Lehrgang zeigen, bringt Wissen über die Geschichte eines Kirchenraumes, bleibt aber nicht bei irgendeinem trockenen Wissen stehen, sondern geht weiter und vermittelt diesen Kirchenraum in einem sehr umfassenden Sinn. Kirchenräume sprechen Menschen nicht über den Kopf, sondern über Empfindung, Körper, Raum und Gefühl, manchmal über Gerüche, auch über die Lichtgestaltung an. So sind Kirchenräume, wenn sie gut gemacht sind, immer auch ein Gesamtkunstwerk.

>> Lehrgang Kirchenräume vermitteln