Im Rahmen des gesellschaftspolitischen Stammtisches und im Blick auf die Seligsprechung von Provikar Carl Lampert fand im vollbesetzten Saal des Dornbirner Kolpinghauses eine Diskussion unter dem provokanten Titel „Mein Opa, ein Mörder?“ statt. Die große Bandbreite des Publikums von zwei Jugendlichen, die im Februar 2012 im Gedenkdienst aktiv werden, bis hin zum eingetragenen FPÖ-Mitglied machten die Spannweite des Themas deutlich.

Wolfgang Ölz

Auf dem Podium waren vertreten: Der Mariahilfer Pfarrer Edwin Matt, der Historiker der Initiative „Erinnern.at“, Werner Dreier, der Direktor des jüdischen Museums, Hanno Löwy, und der Obmann des Kameradschaftsbundes, Alwin Denz.
Moderator Roland Poiger stellte die Verbindung zu Carl Lampert her: „Es ist schon erstaunlich, wie die bevorstehende Seligsprechung von Provikar Carl Lampert sehr vieles über die Zeit des Nationalsozialismus wieder aufbrechen lässt, wie einem dieser Märtyrer mit seiner vorbildlichen Haltung einem autoritären Regime gegenüber einiges zu denken gibt, und wie dieses Vorbild Lampert zeigt, wie tiefer Glaube festigt und stark macht.“

Aushalten von Differenzen
Der Historiker Werner Dreier sieht den Begriff des Mörders juristisch verortet, im Zusammenhang mit der Massengewalt während der NS-Zeit spricht er von einer „mörderischen Gesellschaft“ deren „Mitglieder auf ganz unterschiedliche Weise an diesen großen Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus Anteil hatten.“Für Hanno Loewy sind „Begriffe wie Trauma, Mörder und Versöhnung quer stecken geblieben.“ Das sind für Loewy „sehr totalisierende Begriffe“, mit denen er in der „konkreten Arbeit nicht wirklich weiterkommt.“ Soldaten können einerseits durch den Krieg traumatisiert und andererseits Täter gewesen sein. Versöhnung der Kinder von Überlebenden ist für Loewy ein „absurdes Konzept“, weil es in der zweiten, dritten Generation eher um „Verständigung und Aushalten von Differenzen“ geht. 

Mitgefühl für alle
Alwin Denz verweist auf  seinen Großvater, der als Christlich-Konservativer in der NS-Zeit im Gefängnis saß und seine Söhne an die Front ziehen sehen musste. Denz nennt die „nackten Opferzahlen“ des Zweiten Weltkrieges. Aus Vorarlberg starben 46 Menschen in Konzentrationslagern, 42 Juden sind zu Tode gekommen, 446 Personen fielen dem Euthanasieprogramm zum Opfer und 5.780 Soldaten starben im Feld, so Denz. Eine „Kulturleistung nach 1945“ sieht Werner Dreier darin, dass die Empathie nicht nur der eigenen Gruppe, sondern auch den anderen gilt. Diese Kulturleistung müsse immer wieder errungen werden. Veranstaltungen wie diese tragen dazu bei, wenn Menschen verschiedener Weltanschauungen ins Gespräch kommen.  

Nachgefragt

Einen Raum für das Erinnern schaffen

Matt EdwinPfarrer Edwin Matt saß als katholischer Priester und selbst Betroffener auf dem Podium des gesellschaftspolitischen Stammtisches. Seine Auseinanderset-zung mit dem Erinnern bezieht sich vor allem auf seine Zeit als Pfarrer in Andelsbuch. Der Titel des Abends „Mein Opa, ein Mörder?“ hat ihn „sehr angesprochen“, auch weil er statt „Opa“, „Papa“ einsetzen könnte, da sein Vater Soldat in der Wehrmacht gewesen ist. Er möchte die Frage aber „offen lassen“.

Geschichte
Als Jugendlicher und auch als Erwachsener wollte Matt von seinem Vater wissen, was er getan hat, doch sein Vater hatte sich davor verschlossen. Mit der Mutter ist die Familie zum 75. Geburtstag nach Stalingrad gefahren. Es habe sie befreit zu sehen, dass es dort Menschen gebe wie hier, keine menschli-chen Monster, wie man ihr in ihrer Jugend weismachen wollte. So sei ein großes Stück der Trauer von ihr abgefallen.

Dienst
Als Priester hat Matt den Kameradschaftsbund als eine „sensible und empfindliche Gruppe“ erfahren. Der wichtige Dienst einer Pfarre könne es sein, Vorurteile abzubauen und  „einen Raum zu schaffen, wo unterschiedliche Kulturen der Erinnerungen einen Platz bekommen, wo jemand das sagen kann, was sie oder ihn beschäftigt, wo ein Stück weit auch Wunden formuliert werden können. Wenn das gelingt, dann ist das immer ein besonderes Geschenk“, so Pfarrer Matt.