„Was bleibt...“ ist der Titel der Wanderausstellung, die bis Jänner an vier Orten in Vorarlberg zu sehen ist. Die Bilder ermöglichen Begegnungen mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Sie stoßen an zum Nachdenken über unser Menschenbild.

Patricia Begle

Der Einladung zur Ausstellungseröffnung im Bregenzer Landhaus sind unerwartet viele Menschen gefolgt. Sogar eine Schulklasse verweilt unter den Gästen, Politiktreibende unterschiedlicher Gremien zeigen mit ihrer Präsenz die Wichtigkeit des Themas. Längst hat es den Kreis von direkt Beroffenen verlassen und ist zur Frage für die gesamte Gesellschaft geworden.

Alte Sicht

„Demenz ist für viele ein Schreckgespenst“, erklärt die Schriftstellerin Petra Uhlmann, die die Ausstellung gemeinsam mit ihrem Mann ins Leben gerufen hat. „Die Leute verbinden damit oft Gefühle wie Angst, Ekel oder sogar Abscheu. Es gibt Patienten, die sich nach der Erstdiagnose deshalb den Tod wünschen. Und dieses so verbreitete Bild der Krankheit möchten wir verändern.“

Eigene Erfahrung

Das Ehepaar hat sich in den letzten 15 Jahren selbst ein Bild davon gemacht, was Demenz an PatientInnen und an deren Umfeld verändern kann. Begonnen haben ihre Erfahrungen mit der Aufnahme der an Demenz erkrankten Mutter der Schriftstellerin in ihre sechsköpfige Familie. Drei Jahre lang lebte sie mit ihnen. Dann begannen sie, Demenz-Patient/-inn/en und deren Angehörige zu begleiten. Die Lebensgeschichten wurden in Wort und Bild festgehalten. Die Ausstellung macht einen Teil von ihnen der Öffentlichkeit zugänglich.

Neues Spiel

„Wenn Logik, Kausalität und die klare Ordnung der Zeit verloren gehen, dann stellt sich die Frage, was noch bleibt.“, erläutert Petra Uhlmann in ihrem Vortrag. Sie vergleicht die so andere und auch so fremde Welt, in der sich PatientInnen befinden mit einem neuen Spiel. Weil eben Konventionen und Regeln nicht mehr gelten, würden sich Freiheiten auftun, andere Rollen könnten eingenommen werden und Potentiale verwirklicht, die früher brach gelegen seien.

Andere Sicht

In der Zeit der Demenz verliere das „man“ aus all dem „man tut oder sagt das nicht“ an Macht, sodass nun endlich Dinge aus der Vergangenheit Raum bekämen, die ein Leben lang keinen hatten. Das könne mit großer Wut einhergehen, sei aber wie ein Befreiungsschlag. „Es ist als ob der Mensch in der Krankheit eine Möglichkeit gefunden hat, zu sich zu finden, seine Seele zu reinigen, mit sich Frieden zu schließen.“ Heilsam für alle.

 

Kommentar


„Was bleibt...“
Schon die Satzzeichen des Ausstellungstitels bringen das Anliegen auf den Punkt. Hinter den beiden Worten steht kein Fragezeichen, das in die Gefilde von Zweifel und Hader führt. Sie erzählen nicht vom Verlorenen, sondern verweisen auf das Bleibende. Klar und schlicht.

Gleich drei Punkte sind gesetzt, das heißt, da bleibt noch so einiges. Um dieses allerdings wahrzunehmen bedarf es eines Perspektivenwechsels. Ein, zwei Schritte zurück zum Beispiel können schon die so notwendige Distanz schaffen und den gewohnten Blickwinkel ver-rücken. So kann gesehen werden, was zuvor nicht sichtbar war. Nämlich jene Ebenen des Mensch-Seins, die jenseits der kognitiven Fähigkeiten liegen, jene der Gefühle oder der Bilder oder des Körpers. Es gilt, über diese zu kommunizieren, über sie das Leben (mit) zu teilen. Die Formen dafür sind vielfältig: Mimik, Gebärde, Musik, Tanz, Gesänge, kreatives Gestalten. Wer diese Ebenen nicht gewohnt ist, hat die Chance, sie sich zu erschließen. Hier können Potentiale verwirklicht werden - bei Menschen mit und ohne Demenz.

Für eine Gesellschaft bedeutet das Phänomen „Demenz“, ihr Menschenbild zu hinterfragen. Hat ein Mensch, der nicht mehr tüchtig ist und geistig „voll da“, der kein gut funktionierendes Rädchen mehr ist im großen Getriebe, sondern eher ein Sandkörnchen, das bremst und aufhält - hat er für uns einen Wert? Wenn wir diese Frage mit „Ja“ beantworten können und alle, die anders sind, in unserer Mitte leben lassen und nicht an den Rand drängen, dann wird unsere Gesellschaft offener und barmherziger.
Patricia begle

Wanderausstellung: „Was bleibt...“

Menschen mit Demenz -
Portraits und Geschichten von Betroffenen

Bregenz, 25. September bis 10. Oktober, Landhaus
Öffnungszeiten: Mo-Fr  8.00 bis 18.00 Uhr

Hohenems, 12. bis 19. Oktober, Salomon Sulzer Saal

Götzis, 25. September bis 12. November, Kulturbühne AMBACH

Feldkirch, 8. bis 26. Jänner, Raiba Landeskrankenhaus