Familien sollten "Orte des Lebens an sich" sein, hält der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, Wolfgang Mazal fest. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Baustellen in der Familiepolitik, entscheiden sich immer mehr Menschen "gegen eine Familie". Familien bräuchten heute mehr denn je Verlässlichkeit, Zeit, finanzielle Ressourcen und Wahlfreiheit, steckte Alfred Trendl, Präsident Katholische Familienverband Österreichs anlässlich dessen 60-Jahr-Jubiläums die Ziele ab.

Das 60-Jahr-Jubiläum des Katholischen Familienverband Österreichs (KFÖ) gibt KFÖ-Präsident Alfred Trendl Anlass für einen Rückblick und er resümiert: auch wenn man viel erreicht hat, die Familienpolitik weist nach wie vor viele Baustellen auf.  Familienpolitik sei kein Gegenstand parteipolitisch-ideologischer Gefechte, sondern brauche einen "nationalen Konsens", so Trendl.

Große Ungerechtigkeit
Unverständlich und eine "große Ungerechtigkeit" sei laut Trendl die seit Jahren ausständige "Wertanpassung aller Transferleistungen und Steuerleistungen für Familien". De facto würden die Familienleistungen durch die Inflation Jahr für Jahr um 2 bis 3 Prozent gekürzt. Es sei daher eine Frage des "gerechten Ausgleichs und der gerechten Teilhabe der Familien an der Gesellschaft", die Leistungen zu valorisieren, wie dies auch in anderen Bereichen sozialer Leistungen selbstverständlich sei.

Finanzielle Nachteile
Die finanziellen Nachteile, die Familien durch die fehlende Wertanpassung erleiden, verdeutlichte Trendl u.a. an den Beispielen des Kinderbetreuungsgeldes und des Steuerfreibetrages für Eltern mit einem behinderten Kind. So seien die Kinderbetreuungsgeldsätze seit mittlerweile 11 Jahren nicht mehr angepasst worden - was berechnet etwa auf die "20+4-Monate"-Variante (= 624 Euro pro Monat) einen Wertverlust von 26 Prozent oder Netto 3.400 Euro für die Familien bedeute. Noch eklatanter falle der Wertverlust bei Familien mit einem behinderten Kind aus: Dort sei der Freibetrag von 262 Euro seit 1989 nicht mehr angehoben worden, was einem Wertverlust von 72 Prozent gleichkomme.

Gemeinsam Zukunft gestalten
Wie Trendl betonte, sei das aktuelle 60-Jahr-Jubiläum des KFÖ  "kein Anlass, an Pension zu denken": Zwar habe der KFÖ in den vergangenen 60 Jahren vieles erreicht, auch sei er in dieser Zeit zu "dem" Repräsentanten familienpolitischer Anliegen in Österreich geworden, es gebe aber noch vieles zu tun. "Wir wollen gemeinsam Zukunft gestalten, denn nur wenn's den Familien gut geht, geht's uns allen gut", so KFÖ-Präsident Trendl.

Mehr Anerkennung der Familienarbeit
Für eine stärkere Anerkennung der Familienarbeit etwa in Kollektivverträgen oder im Sozial- und Pensionssystem sprach sich der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF), Wolfgang Mazal, aus. Insbesondere Frauen, die neben der Familie großteils nur Teilzeitarbeiten annehmen, entstünden Pensionsnachteile. Diese müssten ausgeglichen werden. Ebenso sprach sich Mazal dafür aus, Familienarbeit in Kollektivverträgen bei Vorrückungen und Vordienstzeiten stärker zu berücksichtigen.

Was kosten Kinder?!
Nachholbedarf sieht Mazal auch im Blick auf die Forschung: So gebe es weder tragfähige statistische Zahlen, was Kinder "kosten", noch Ansätze zu einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), die aufzeigen könnte, was Familien an ökonomischen Leistungen für die Gesellschaft tatsächlich erbringen. Österreich sei diesbezüglich "leider sehr zurückhaltend", so Mazal.

Realität und Utopie
Prinzipiell ortete Mazahl ein Ungleichgewicht zwischen den familienpolitischen Debatten und der Lebensrealität der Familien in Österreich. "Das Bild der Familien, wie es sich in den Medien und in der Politik darstellt, entspricht nicht der Lebensrealität." So seien die Familien mittlerweile im öffentlichen Diskurs mit dem "Dogma der Professionalisierung" konfrontiert - von der Bildungspolitik bis zur Gesundheitspolitik. Familien seien jedoch gerade nicht Horte der Professionalität, sondern des Unplanbaren, Spontanen, des Lebendigen, so Mazal. Damit würden Familien zu "Orten des Lebens an sich", die es auch Seitens der Politik zu schützen und zu unterstützen gelte. (red/kathpress)