Mit seinem Besuch an einer Gräuelstätte der Nationalsozialisten in Rom setzte der Papst aus Deutschland eine besondere Geste - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko

[Den Bericht zum Papstbesuch der "Fosse Ardeatine" auf dem Online-Video-Kanal "The Vatican" sehen Sie im Fenster rechts.]

Rom (KAP) Die "Fosse Ardeatine" gelten bis heute in Italien als Inbegriff deutscher Kriegs- und Besatzergrausamkeit. 335 Personen wurden am 24. März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen am Stadtrand Roms nach einem Partisanenattentat als Geiseln von der SS erschossen - zehn für jeden getöteten Deutschen. 67 Jahre nach diesem Drama, im 150. Jahr der Gründung Italiens, wollte auch Benedikt XVI., der Papst aus Deutschland, den Opfern seine Ehre erweisen.

Tief bewegt kniete Benedikt XVI. vor den 335 Steinsarkophagen in denen die Opfer der Massenerschießung ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Unter ihnen waren verurteilte Häftlinge aus römischen Gefängnissen wie aus der berüchtigten Gestapo-Zentrale an der Via Tasso. Außerdem waren darunter 76 jüdische Bürger, wie der Vater von Rabbiner Alberto Funaro. Zu ihnen gehörten aber auch der katholische Geistliche Pietro Pappagallo, der die deutschen Besatzer kritisierte und Partisanen half, und Oberst Giuseppe Cordero Lanza di Montezemolo von der Widerstandsgruppe "Centro X", Vater des Vatikandiplomaten und Kardinals Andrea Cordero Lanza di Montezemolo.

Montezemolo, bis zu seiner Pensionierung Erzpriester von San Paolo fuori le Mura, begleitete den Papst durch die Anlage. Er führte ihn zum Eingang der Höhlen, an dem SS-Offiziere die Opfer einzeln per Genickschuss exekutierten. Und er ging mit ihm die langen Reihen der einheitlich gestalteten Sarkophage entlang, auf denen ein eingemeißelter Name und meist ein Foto an das Opfer erinnert. Erst vor wenigen Tagen waren zwei der drei bisher unbekannten Toten durch eine DNA-Analyse identifiziert worden. Ihre Angehörigen, die nun endgültige Gewissheit haben, nahmen an der Begegnung mit dem Papst teil.

Die Vereinigung der Opferfamilien "Anfim" pflegt die Erinnerung an die toten Angehörigen. Daher waren sie auch sehr erfreut, dass Benedikt XVI. die Einladung zu einem privaten Besuch der Gedenkstätte annahm. Gerade weil der Papst aus Deutschland stamme, habe der Besuch "für uns einen besonderen Wert", betonte Anfim-Präsidentin Rosina Stame im Vorfeld gegenüber "Radio Vatikan". Nach der Visite sprach sie bewegt von einem "großen Tag für uns alle, für Juden und für Christen".

Benedikt XVI. und Roms Oberrabbiner Riccardi Di Segni beteten Psalmen für die Opfer. "Was hier am 24. März 1944 geschehen ist, ist eine äußerst schwere Beleidigung Gottes, denn es handelte sich um gezielte Gewalt von Menschen gegen Menschen", sagte der Papst. Es sei eine "verabscheuungswürdigste Folge des Krieges, eines jeden Krieges". Zugleich forderte er zum Einsatz für eine "andere Zukunft" auf - die "frei ist von Hass und von Rache, eine Zukunft in Freiheit und Brüderlichkeit - für Rom, für Italien, für Europa, für die Welt".

 
Hitler wollte Rom zerstören

Nach dem Partisanenanschlag vom 23. März 1944 auf der Via Rasella wollte Hitler neuen Forschungsergebnissen zufolge zunächst ganz Rom zerstören und die Bevölkerung deportieren lassen. Dann forderte er, den betreffenden Stadtteil komplett dem Erdboden gleich zu machen. Schließlich entschied sich General Albert Kesselring für die Geiselerschießung, die einen Tag nach dem Attentat stattfand. Um die Spuren des Verbrechens zu verwischen, wurden die Zugänge zu den Höhlen gesprengt. Aber schon wenige Tage danach entdeckten Salesianerpater die ersten Toten. Bald nach Abzug der deutschen Besatzer wurden die Leichen exhumiert, identifiziert und würdig beigesetzt.

Wie sehr die "Fosse Ardeatine" bis heute die italienische Öffentlichkeit beschäftigen, zeigte der Prozess gegen SS-Hauptmann Erich Priebke, einen der maßgeblich Beteiligten. Jahrzehntelang lebte er unter vollem Namen in Argentinien, bis er "entdeckt" und an Italien ausgeliefert wurde. Im Prozess 1996 wurde er zunächst freigesprochen, nach gewaltigen Protesten jedoch wenige Stunden später wieder inhaftiert. Er lebt heute 97-jährig unter Hausarrest in Rom.

"Non timebo quia Tu mecum es", schrieb Papst Benedikt XVI. zum Abschied ins Goldene Buch der Gedenkstätte. "Ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir", zitierte er aus Psalm 23, den er zuvor an den Gräbern gebetet hatte und in dem er Ehre für Gott den Vater und Achtung der Würde aller Menschen gefordert hatte.

(Quelle: kathpress.at, YouTube-Kanal "The Vatican")