Wenn politische Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablaufen, dann kommt das einem demokratisch denkenden Menschen schon mal suspekt vor. Wenn es dabei um ein Handelsabkommen geht, das über den großen Teich reicht, also praktisch die gesamte Welt betrifft, dann müssen sich wohl alle einmischen, denen dieser Planet am Herzen liegt. TTIP ist so ein Fall.

Vorbehalte gegenüber möglichen Ergebnissen, wenn derzeit "Lobbyisten und Spitzenpolitiker hinter verschlossenen Türen" über ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) verhandeln, haben kirchliche Fachleute der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) geäußert. "Entwicklungsländer sind Verlierer", warnte die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission (KOO), am Montag in einer Stellungnahme. Der Geschäftsführer der kirchlichen EZA-Fachstelle, Heinz Hödl, wies auf eine Studie der Universität Sussex hin, wonach die am wenigsten entwickelten Länder durch TTIP mühsam erreichte Marktzugänge wieder verlieren, zumindest aber massive Wettbewerbsnachteile bekommen würden.

Negative Folgen eines transatlantischen Übereinkommens drohten aber auch hierzulande: Der jahrelang in vielen Bereichen erkämpfte Schutz von Umwelt-, Verbraucher-, Arbeitnehmer-, Urheber- und kommunalen Rechten stehe bei den TTIP-Verhandlungen "den gewinnorientierten Deregulierungsinteressen der Großkonzerne" gegenüber, erklärte Hödl.

Die sogenannte "Transatlantic Trade and Investment Partnership" ist ein seit dem Vorjahr anvisiertes Abkommen zwischen europäischen (nicht nur EU) und nordamerikanischen Staaten. Die konkreten Verhandlungen laufen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

"LIC"-Länder würden Marktanteile verlieren

Die EU und USA gehören zu den zehn wichtigsten Exportländern der 43 "LIC"-Staaten, der weltweit geringstentwickelten Länder, wies Hödl hin. Für Bangladesch, Pakistan und Kambodscha, die drei größten Exporteure von "non-fuel goods" wie Textilien oder Schuhe seien die EU und USA die wichtigsten Exportmärkte. Würden nun - wie geplant - die Zölle im transatlantischen Handel mit industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen vollständig wegfallen, würden die 43 LIC-Länder viele Marktanteile verlieren, so Hödl. TTIP könne somit "zu dramatischen Auswirkungen" für die Menschen in Entwicklungsländern führen, "wenn die Verhandlungen nicht auch die legitimen Rechte der LIC Länder auf wirtschaftliche Entwicklung sowie die bereits bestehenden Präferenzabkommen berücksichtigt, wenn sich Konzerne unglaublich bereichern und die Bevölkerung verarmen lassen", mahnte Hödl.

Bereits vor mehr als 15 Jahren habe im Rahmen des OECD-Investitionsabkommens MAI eine weltweite Kampagne gegen die "Globalisierung der Konzernherrschaft" Erfolg gehabt, erinnerte der KOO-Geschäftsführer. Gewerkschaften, Kirchen und soziale Bewegungen auf allen Kontinenten hätten damals an einem Strang gezogen - und sollten dies nun wieder tun, unter Einbeziehung der ärmsten Länder. Derzeit würden von vielen NGOs "verdienterweise" die Auswirkungen von TTIP auf Demokratie, soziale Rechte oder auf Klimaschutz hinterfragt. Die KOO forderte ein stärkeres Augenmerk auch auf die EZA: Verhandlungen dürften nicht auf Kosten der LIC geführt werden, diese müssten beim Protest miteinbezogen werden.

"Völlig falsche Akzente gesetzt"

Nein zu einem "Abkommen, das demokratiepolitisch, sozial, ökonomisch und ökologisch völlig falsche Akzente setzt", sagt auch Traude Novy, langjährige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Wien und Vorstandsmitglied von "Fairtrade Österreich". TTIP orientiere sich nicht an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, sondern ziele auf Handelserleichterungen für Konzerne. Dadurch werde die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmittel infrage gestellt, so Novy. Aber auch toxische Belastungen, das Gesundheitswesen und Arzneimittelpreise, Energieversorgung und kulturelle Dienstleistungen, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles mehr würden zu Verhandlungsthemen und sollen im Sinne des freien Handels dereguliert werden - vielfach auf Kosten gerade von Frauen, wie Novy betonte.

Bei TTIP besteht die Gefahr, "dass an der Öffentlichkeit vorbei Interessen der Menschen und der Umwelt dem Markt untergeordnet werden", gab auch Philipp Kuhlmann, Vorsitzender der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) in Wien, zu bedenken. Die KAB kämpfe darum, gegen eine "Wirtschaft, die tötet" den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen." Kuhlmann erinnerte an die katholische Soziallehre als Richtschnur, wonach der Mensch "Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen" sei und "Vorrang vor dem Kapital" haben müsse.

kathpress

Es gibt zahlreiche Organisationen, die sich gegen das Abkommen wehren und dafür Unterschriften sammeln. Greenpeace ist eine davon - hier können Sie unterzeichnen.