"Armut ist kein neues Phänomen, aber die Multidimensionalität der Armut war noch nie so groß wie in dieser Zeit", wies Erzbischof Alois Kothgasser in seinem Grußwort zur die Fachtagung "Armut bewegt. Spirituelle Herausforderungen für Frauen in Europa" in Salzburg hin. Vor allem Frauen seien von den vielen neuen Formen der Armut betroffen, die sie unsichtbar werden lasse. Unser Job als ChristInnen sei es, die Nöte dieser Frauen sichtbar zu machen

"Armut hat viele Gesichter. Sie ist eine zentrale Herausforderung für Frauen in Europa, denn sie betrifft alle Lebensbereiche: religiös, kulturell, politisch, sozial, wirtschaftlich, persönlich", heißt es in der Einladung zur Fachtagung in Salzburg, die sich vor allem mit einem beschäftigt: die vielen Gesichter der Armut von Frauen wahrzunehmen, zu sensibilisieren und etwas dagegen zu tun.

Armut, eine ständige theologische Herausforderung
Gesellschaftspolitische Analysen stehen dabei genauso wie "theologsiche Implikationen" auf dem Programm. Schließlich sei Armut eine ständige theologische Herausforderung, hält Kothgasser fest, oder um es mit den Worten Jesu zu sagen: „Denn die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, so oft ihr wollt“ (Mk 14,7).

Scham und ein Gefühl des Versagens
Armut sei für viele Frauen mit großer Scham besetzt, um Hilfe zu bitten, nicht Teil unseres gesellschaftlichen Umgangs miteinander, so Kothgasser.  Das Problem die eigene Grundversorgung nicht sichern zu können und täglich um die Erhaltung des Lebens zu kämpfen, sei mit Gefühlen des Versagens und der Erfolglosigkeit verbunden. In einer Zeit, in der die Gesellschaft auf Erfolgsmaximierung fixiert ist, nur selbstverständlich. Und so verschwinden viele armutsgefährdete Frauen einfach und werden unsichtbar.

Keine Wohlfahrtsaktivität
"Scham und Unsichtbarkeit können von diesen Frauen nicht alleine durchbrochen werden", hält der Erzbischof fest. Dennoch wissen wir alle, dass die Armut da ist - "Teil unserer Wirklichkeit und damit auch Auftrag für ein Handeln im Geiste Christi". Deshalb erinnert Kothgasser an die Enzyklika "Deus Caritas est" von Benedikt XVI., in der der Papst das von Nächstenliebe getragene Engagement nicht als "eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte", missverstanden wissen wollte. Es gehöre vielmehr zum Wesen der Kirche und sei "unverzichtbarer Wesensausdruck ihrer selbst".

Welche Frauen sind von Armut betroffen?
Kothgasser nennt in seinem Grußwort drei veschiedene Frauengruppen, die besonders armutsgefährdet sind: Migrantinnen, Alleinerziehende und Frauen über 60 Jahre. Frauen mit Migrationshintergrund leiden oft unter dem Verlust der Familie oder der Heimat. Sie verschweigen ihre Not, wissen meist nicht welche Hilfsangebote ihnen zur Verfügung stehen und sind oft auch nicht berechtigt Sozialleistungen zu empfangen.

Die zweite große Gruppe ist die der Alleinerziehenden. Sie müssen ihren Alltag aus Zeit- und Betreuungsgründen meist mit dem Gehalt einer Teilzeitkraft bestreiten. Manche von ihnen erhalten kein Unterhaltsgeld - ein Leben am Limit, dass sich auch auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.

Die dritte Gruppe stellen Frauen über 60 Jahre. "Sie haben ein minimales Einkommen und können von den Sozialleistungen mehr schlecht als recht leben. Sie sind unsichtbar und verschwinden hinter den grauen
Vorhängen der Vorstädte", so Kothgasser. Als ChristInnen seien wir aufgefordert, uns für die Armen, Schwachen und Kranken einzusetzen, die Nöte dieser Frauen sichtbar zu machen.