"Lücken und Barrieren im österreichischen Gesundheitssystem aus Sicht von Armutsbetroffenen" lautet eine Studie der Österreichischen Armutskonferenz. Die Ergebnisse zeiten, dass Gesundheit in mehrerer Hinsicht auch eine Frage des Geldes ist.

Probleme bei der Leistbarkeit und der Erreichbarkeit medizinischer Versorgung, Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung und lange Wartezeiten auf Operationen und Therapien sind nur ein paar der Probleme, die Menschen unter der Armutsgrenze im Gesundheitssystem haben. Das stellt eine Studie der Armutskonferenz fest, bei der drei Fokusgruppen in Wien, Graz und Linz zu je sechs bis zehn Personen ausgewertet wurden. "Armutsbetroffene sind dreimal so oft krank und haben eine geringere Lebenserwartung als Reiche", brachte Martin Schenk, einer der Autoren, bei der Präsentation der Studie am Dienstag in Wien, die derzeitige Situation - entsprechend Daten der Statistik Austria - auf den Punkt.

Schenk und der Sozialwissenschaftler Florian Riffer entschlossen sich, die "Quellen der Ungleichheit" zu erforschen und wandten sich an die Betroffenen. Sie entdeckten, dass es vier Quellen für die gesundheitliche Ungleichheit gibt: unterschiedliche Belastungen, unterschiedliche Resilienzfaktoren, Unterschiede in der Gesundheitsversorgung und Unterschiede im Lebensstil.

Zwei Drittel der Ursachen für Unterscheide lägen in den ersten drei Punkten, erklärte Schenk. Der Lebensstil, der medial oft in den Fokus gestellt wird, mache nur ein Drittel aus. "Reiche Raucher leben länger als arme Raucher", illustriert er die Situation.

Bei der Präsentation waren auch zwei Teilnehmer der Fokusgruppen anwesend: Franz K. und Sonja Taubinger. Sie schilderten aus erster Hand, mit welchen Schwernissen Armutsbetroffene im Gesundheitssystem zu kämpfen haben.

Taubinger etwa sprach von einer regelrechten Odyssee von Hausarzt zu Hausarzt, nachdem sie ihre Krebsdiagnose erhalten hatte, sie aber nicht verstand. "Es wird oft nicht gut erklärt, was sie mit einem machen. Dann heißt es 'Sie werden schon sehen was mit Ihnen passiert'", erinnerte sie sich.

Der 60jährige Franz K. kämpft seit rund zehn Jahren mit psychischen Problemen und beklagt neben langen Wartezeiten für eine Reha - bei ihm dauerte es ein Jahr - auch, dass psychisch Kranke aus dem finanziellen Sicherheitsnetz fallen, weil sie nicht krank genug für eine Frühpension seien. "Niemand fühlt sich zuständig", klagte er.

Zweck der Studie war es, die tatsächlichen Probleme der Armutsbetroffenen zu beleuchten und Lösungsansätze zu präsentieren. Der letzte Abschnitt der Studie enthält eine mit den Fokusgruppen ausgearbeitete Punktuation mit Vorschlägen zur Verbesserung der identifizierten Probleme. Zu diesen Vorschlägen gehört etwa der Wunsch nach Begleitung bei Gutachten, Ämtern und Behörden, erleichtertem Zugang zu Psychotherapie und die Wiedereinführung des Pensionsvorschusses für Menschen, deren Anspruch auf Krankengeld nach einem Jahr ausgeschöpft ist.

Die gesamte Studie, die auch Erfahrungsberichte der Fokusgruppenteilnehmer enthält, ist auf www.armutskonferenz.at zu finden.

Die Armutskonferenz ist seit 1995 als Netzwerk von uber 40 sozialen Organisationen, sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen aktiv. Sie thematisiert Hintergrunde und Ursachen, Daten und Fakten, Strategien und Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Österreich. Gemeinsam mit Armutsbetroffenen engagiert sie sich fur eine Verbesserung deren Lebenssituation.

Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen sozialen Organisationen beraten, unterstützen und begleiten uber 500.000 Menschen im Jahr. Zahlreiche kirchliche Organisationen wie Caritas, Frauenbewegung (KFBÖ), Familienverband (KFÖ) und Sozialakademie (KSÖ) sind Mitglieder.


kathpress