Vier Wochen lang war Brasilien das Zentrum der Fußball-Welt. Fast 700.000 ausländische Touristen aus 203 Ländern besuchten in dieser Zeit das Land. Ein Ereignis, in das Brasilien Schätzungen zufolge rund 8,64 Milliarden Euro gesteckt hat. Nun, da die Weltmeister des Ballsports gekürt sind, stellt sich vielen die Frage: Was bleibt von der WM? Vom Glanz des sportlichen Großereignisses? Eine gemischte Bilanz.

„Ich bin glücklich, ich bin ein glücklicher Mann. Wir haben wirklich sehr guten Fußball gesehen bei dieser Weltmeisterschaft“, zeigte sich Fifa-Präsident Joseph Blatter nach der WM vom sportlichen Großereignis beeindruckt. Er lobte die brasilianische Regierung, die gute Organisation und kündigt seinen Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus an. Doch was bleibt den  BrasilianerInnen nun von der WM? 

Wenig mit der Realität zu tun
Die FIFA zieht also eine positive Bilanz, etwas nüchterner sieht Leila Regina da Silva vom Nachhaltigkeitsinstitut Insea die Lage: „es handelt sich um ein privates Event der FIFA, das sich wenig mit der Realität des Gastgeberlandes beschäftigt.“ Die Heimspiele seien zum Großteil nur von der brasilianischen Ober- und Mittelschicht besucht worden. Der Brückeneinsturz in Belo Horizonte, bei dem zwei Menschen getötet und 22 verletzt wurden, überschattete  die Spiele. Das Unglück zeugt von der Fahrlässigkeit, die den von der WM losgetretenen Bauboom begleitet. Welche politischen Folgen die Umsetzung der Fußball-WM haben, wird sich spätestens bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen im Oktober zeigen.

8,64 vs. 3,3 Milliarden Euro
Noch vor einem Jahr gingen Hunderttausende BrasilianerInnen auf die Straße, um gegen die horrenden Ausgaben für dieses Großevent zu demonstrieren, die in sozialen Bereichen, wie Bildung, Gesundheit und öffentlichem Transport fehlen. Laut Schätzungen des Brasilianischen Rechnungshofs (TCU) belaufen sich die WM-Kosten auf 26 Mrd. Real (8,64 Mrd. Euro) und kommen zu 84% aus der öffentlichen Hand. Demgegenüber steht der für die FIFA erwartete Rekordgewinn von 10 Mrd. Real (3,3 Mrd. Euro).

Verhaftungen

Seit dem Eröffnungsspiel ist es ruhiger geworden rund um die Forderungen aus der brasilianischen Zivilbevölkerung. „Es ist eine Tatsache, dass sich weniger Menschen an den Protesten gegen die Umsetzung der Copa beteiligt haben, aber sie sind während der ganzen WM weitergegangen“, weiß Leila Regina da Silva des Nachhaltigkeitsinstituts Insea, die Anfang Juni auf Einladung der Initiative „Nosso Jogo“ in Wien war, aus Belo Horizonte zu berichten. Die Polizeigewalt sei jedoch nicht zurückgegangen, vielmehr das Gegenteil sei der Fall: „Tausende Polizisten haben Barrikaden errichtet und den Demonstrierenden mit extremer Gewalt den Weg abgeschnitten. Es kam zu einigen willkürlichen Verhaftungen.“

Was bleibt...
Was bleibt sind auf alle Fälle zwölf WM-Stadien, die entweder komplett neu gebaut und völlig saniert wurden. Was bleibt sind desolate Zustände in öffentlichen Krankenhäusern, wo es vor allem außerhalb großer Metropolen am Notwendigsten fehlt. Auch die Lehrer können nur von Schulen und Arbeitsbedingungen im "FIFA-Standard" träumen. In vielen Städten streikte das Lehrpersonal oft monatelang, um bessere Arbeitsbedingungen zu erzwingen.

.... ein Fazit
Das Fazit von Staatschefin Rousseff ist ohnehin klar. Sie sieht Brasilien mit einem "höheren Selbstwertgefühl" aus der WM gehen und blickt schon mit Vorfreude auf das olympische Großprojekt in zwei Jahren in Rio: "Wir Brasilianerinnen und Brasilianer aus allen Ecken dies immensen und geliebten Landes laden alle ein, zurückzukehren zu den Olympischen und Paralympischen Spielen 2016, die wir mit der selben Kompetenz und Gastfreundlichkeit ausrichten wie die WM."

Nossi Jogo
In Österreich hat „Nosso Jogo“, die „Initiative für globales Fair Play“, die sozialen und politischen Ereignisse rund um die umstrittene WM erfolgreich zum Thema gemacht. „Nosso Jogo“ heißt „unser Spiel“ und wagt einen Blick auf Brasilien abseits von Samba, Strand und schwarzer Körperlichkeit. Es ist eine von 98 österreichischen NGOs mitgetragene Initiative.