Nach der Trennung von Nord- und Südsudan am Wochenende dürfte sich die Situation der Christen im Norden nach Einschätzung des Hilfswerks "Open Doors" weiter verschärfen. Es gebe Anzeichen, dass der muslimisch geprägte Norden nun nicht länger Rücksicht auf Ethnien und Religionen nehmen werde.

Hundertausende Christen auf der Flucht?
Eventuell könnte gar die Scharia durchgesetzt werden, betonte "Open Doors"-Afrika-Menschenrechtsreferent Daniel Ottenberg im Gespräch mit "Radio Vatikan". Aussagen des nordsudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wiesen zumindest in diese Richtung. Berichte von Übergriffen auf Christen oder andere Minderheiten gebe es derzeit jedoch keine. Nicht ausschließen könne man, dass sich hunderttausende Christen aus dem Norden auf die Flucht in Richtung Südsudan begeben könnten, so Ottenberg weiter. Andere Berichte sprächen davon, dass bereits 75 Prozent der katholischen Christen geflohen seien.

Bislang hätten die Christen im Norden, etwa in Khartum, eine "gewisse Freiheit" in ihrem Glauben gehabt und auch Kirchen errichtet. Bei ihnen handle es sich vor allem um Arbeitsmigranten aus dem Süden, die nun die Heimreise antreten würden, so Ottenberg. Eine solche Fluchtbewegung dürfte im Anschluss weitere Probleme etwa am ohnedies angespannten südsudanesischen Arbeitsmarkt mit sich bringen.

Kirche als Band zwischen Norden und Süden
Große Hoffnungen setzt Ottenberg in dieser Situation in die katholische Kirche, die zugesichert habe, ihre Bischofskonferenz nicht aufzuteilen und somit ein einigendes Band zwischen beiden Ländern zu bilden. Die katholische Kirche, aber auch die anderen Kirchen, könnten "hoffentlich eine einigende Funktion ausüben". Im Südsudan sei es wichtig, dass die Christen dort die Chance ergreifen, "am Aufbau des Staates mitzuarbeiten, auch auf politischer Ebene."

Angriffe auf Christen sind nicht immer als "Christenverfolgung" zu werten
Differenziert müsse man laut Ottenberg das Problem der Gewalt gegen Minderheiten und insbesondere gegen Christen betrachten. Diese sei nicht immer religiös begründet bzw. als "Christenverfolgung" zu deuten. Es gebe weiterhin starke Grenzkonflikte - und in diesen Grenzregionen sympathisierten viele Christen mit der Befreiungsarmee und gerieten so auch ins Visier von militärischen Gewaltakten. "Allerdings haben wir auch Nachrichten, dass islamistische Milizen auf Kirchen losstürmen, sie niederbrennen und auch einzelne Christen umbringen." Von einer "wahren Befriedung" zu sprechen, wäre daher verfrüht, so Ottenberg (Kathpress).