In sozialen Fragen kommen unterschiedliche christliche Kirchen schnell auf einen Nenner. Die Dialogveranstaltung zum Sozialwort vergangene Woche war ein gutes Beispiel dafür. 16 Kirchen diskutierten brennende Fragen und Anliegen der Gegenwart. Neun Themen haben sich dabei herauskristallisiert. Sie werden die nächsten Dialogveranstaltungen füllen - und wohl nicht nur dort auf der Tagesordnung zu finden sein.

Das Auseinanderklaffen von Reich und Arm, die Frage des Zugangs zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die Friedens- und Versöhnungsarbeit sind nach den Worten des Innsbrucker Bischofs Manfred Scheuer zentrale soziale und gesellschaftliche Herausforderungen, denen sich auch die Kirchen stellen und ihr eigenes Profil schärfen müssen. Scheuer äußerte sich im Rahmen einer Dialogveranstaltung der Initiative "Sozialwort 10+" in Innsbruck.

Der Vorsitzende des Ökumenische Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der methodistische Superintendent Lothar Pöll, wies auf die biblischen Quellen für die soziale Verantwortung der christlichen Kirchen hin: "Ohne soziales Profil hört die Kirche auf, Kirche Jesu Christi zu sein", so Pöll.

Die Dialogveranstaltung am Freitagnachmittag im Haus der Begegnung in Innsbruck war die erste von insgesamt drei Treffen, bei denen das Sozialwort der 16 christlichen Kirchen in Österreich aus dem Jahr 2003 fortgeschrieben werden soll.

Das Sozialwort ermutige die Kirchen, ihr soziales Profil zu stärken, so Pöll. Er erinnerte unter anderem an die ungleiche Verteilung von Vermögen, den Leistungsdruck, der auf vielen Menschen lastet oder die Frage der Finanzierbarkeit des Sozialstaates. Die Kirchen wollen den Wandel in der Gesellschaft mitgestalten und suchen daher den Dialog mit Menschen in Politik, Gesellschaft und Religion, so Pöll: "In einer Zeit von Zukunftsangst ist die Kirche gerufen, den Menschen wieder Visionen zu geben und ihnen Mut zu machen."

Bischof Scheuer erinnerte an den Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils, "nach den Zeichen der Zeit zu forschen und diese im Licht des Evangeliums zu deuten", wie es in der Pastoralkonstitution "Gaudium et Spes" heiße. Bereits das Konzil spreche von großen sozialen und gesellschaftlichen Umgestaltungen die heute zum Teil noch deutlicher zu sehen seien. Massiv zugenommen seit dem Konzil habe etwa die Mobilität der Menschen, die nicht nur mehr Freiheit, sondern auch Belastungen bringe.

Scheuer: "Die allgemeine Erreichbarkeit der Dinge macht die Welt nicht vertrauter, sondern entfremdet sie uns auch." Mit dem technischen Fortschritt würden die Menschen nicht mehr nur die Hoffnung auf ein besseres Leben verbinden, sondern auch die Erfahrung von Bedrohung. Die größere Freiheit habe zu neuen Erfahrungen der Abhängigkeit und Unfreiheit geführt. Ebenso habe man erkennen müssen, dass das Wirtschaftswachstum nicht automatisch zu mehr Wohlstand für alle geführt habe. Massiv gestiegen sei der Einfluss der Medien und der Zugang der Menschen zu Information, bemerkte der Bischof: "Viele können die Informationen nicht mehr verdauen."

In zwölf Dialogrunden befassten sich die Teilnehmer mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen, die zu den zentralen Herausforderungen der Gesellschaft zählen. Die Ergebnisse wurden zum Abschluss präsentiert und für die Weiterarbeit gereiht. Dabei kristallisierten sich neun Themenbereiche heraus: Das Eintreten der Kirchen für eine gerechte Finanzwirtschaft, eine gerechte Verteilung der Arbeit, für den Sozialstaat als Menschenrecht und für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Kirchen sollen weiters ihre Stimme in Sinnfragen und Fragen der Lebensbewältigung erheben, sich für Flüchtlinge und Entwurzelte einsetzen und für die Entlastung der Familien stark machen.

Die Ergebnisse der Dialogveranstaltung in Innsbruck werden von der Katholischen Sozialakademie aufbereitet und münden in die nächste Dialogveranstaltung am 10. Oktober in Wels. Zu diesem Treffen werden ausdrücklich auch Vertreter anderer Religionen und der Zivilgesellschaft eingeladen, um mit ihnen in Dialog über die gesellschaftlichen Herausforderungen zu treten.


kathpress