Die Seligsprechung von Paul VI. ist Anlass, das Leben des Kirchenmannes genauer zu betrachten. Er hat Weichen gestellt: innerhalb der katholischen Kirche, in der Ökumene, in der Friedensarbeit und bezüglich sozialer Fragestellungen. Auch seine Haltung gegenüber Verhütungsmitteln wird heute differenzierter gesehen. Die Bezeichnung "Pillenpapst" scheint ausgedient zu haben.

Die Katholische Kirche hat einen neuen Seligen: Am Sonntag hat Papst Franziskus in einer feierlichen Messe auf dem Petersplatz seinen vor 36 Jahren verstorbenen Vorgänger Paul VI. (Giovanni Battista Montini) selig gesprochen. Der Gottesdienst mit rund 70.000 Gläubigen bildete zugleich den Abschluss der Außerordentlichen Bischofssynode, die seit dem 5. Oktober über Fragen der Familienpastoral beraten hatte. 

Paul VI., der vierte Papst des 20. Jahrhunderts, der zur Ehre der Altäre erhoben wird, hatte 1965 die Bischofssynode als feste Einrichtung der katholischen Kirche installiert. Mit der Anwesenheit des Weltepiskopats ehrt Franziskus einen Kirchenmann, der von Zeitgenossen vielfach geschmäht und als "Pillenpapst" abgekanzelt wurde. Dabei treten seine Größe und sein prophetischer Weitblick gerade im derzeitigen Pontifikat wieder deutlicher zutage.

Als "großen Steuermann des Konzils" hat Papst Franziskus den neuen Seligen Papst Paul VI. gewürdigt. In einer schwierigen Phase habe es Paul VI. verstanden, weitblickend, weise und manchmal einsam die Kirche zu leiten, betonte Franziskus in seiner Predigt. Paul VI. sei ein großer Papst, ein mutiger Christ und ein unermüdlicher Apostel gewesen, dem die Kirche Dank schulde.

Franziskus würdigte Paul VI. insbesondere im Blick auf seine Leistungen rund um das Konzil: "Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete, hat er es verstanden, weitblickend und weise und manchmal einsam das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren." Der neue Selige habe es "wirklich verstanden, Gott zu geben, was Gott gehört, indem er sein ganzes Leben der heiligen, gewaltigen und äußerst gewichtigen Aufgabe widmete, die Sendung Christi in der Zeit fortzuführen und über die Erde auszudehnen".

Biografische Notizen

Giovanni Battista Montini Paul VI. wurde am 26. September 1897 im norditalienischen Brescia geboren. Nach kurzer Pfarrseelsorge war er über drei Jahrzehnte im Staatssekretariat tätig, ab 1937 als Substitut (Innenminister) und enger Vertrauter von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, des späteren Papstes Pius XII. In dieser Funktion sorgte Montini während des Zweiten Weltkriegs und unter der deutschen Besatzung maßgeblich dafür, dass in kirchlichen Gebäuden Roms und des Vatikan jüdische Flüchtlinge versteckt wurden.

1954 ernannte Pius XII. Montini zum Erzbischof von Mailand. In der größten Diözese Europas konnte er pastorale Erfahrung sammeln. Beim Konklave nach dem Tod von Johannes XXIII. war Montini Favorit und wurde am 21. Juni 1963 im fünften Wahlgang gewählt.

Als Papst setzte Paul VI. das Konzil fort. Als erstes Kirchenoberhaupt der Moderne unternahm er im Jänner 1964 eine Auslandsreise. Sie führte ins Heilige Land. Sein Treffen mit Patriarch Athenagoras in Jerusalem legte den Grundstein für eine neue Ökumene.

Als "Jahrhundert-Rede" galt ein Jahr später seine Ansprache vor der UNO in New York mit dem leidenschaftlichen Appell: "Nie wieder Krieg!"

Nach dem Konzil passte Montini die vatikanische Kurie den neuen Aufgaben an. Er errichtete Behörden für eine sich der Welt öffnende Kirche: für die Ökumene, für Gerechtigkeit und Frieden, für interreligiösen Dialog und für die Medien. Außerdem begann er eine Neufassung des Kirchenrechts, die 1983 abgeschlossen wurde.

Während seines Sommerurlaubs in Castel Gandolfo im Juli 1978 erlitt Paul VI. einen Herzinfarkt. An dessen Folgen starb er am 6. August 1978. Paul VI. wurde in den vatikanischen Grotten bestattet.

Im Schatten seines Vorgängers und Nachfolgers

Paul VI. steht zweifach im Schatten: zum einen seines populären Vorgängers Johannes XXIII. (1958-1963), und zum anderen seines charismatischen Nachfolgers Johannes Paul II. (1978-2005). Freilich leitete er die Kirche in einer besonders schwierigen Zeit. Sein Bemühen, die Umbrüche des Konzils behutsam umzusetzen, ging Reformern nicht weit genug; er galt ihnen als zu zögerlich.

Die von Pauls Außenminister Agostino Casaroli gestaltete "vatikanische Ostpolitik", die mit kleinen Schritten einen Modus vivendi für die Kirchen im Sozialismus suchte, irritierte konservative Politiker. Sein polnischer Nachfolger zog die Pläne zur Gründung einer DDR-Bischofskonferenz sofort zurück. Er schaltete auf eine härtere Linie gegenüber den Kommunisten.

Breite Beachtung fand Paul VI. durch seine Friedens- und Sozialenzykliken. Durch sie zählt er zu den großen Päpsten des 20. Jahrhunderts.

Prägend blieb etwa das Zitat seines Dritte-Welt-Schreibens "Populorum progressio", wonach "der neue Name für Friede Entwicklung heißt". Nicht weniger bedeutsam ist des Dokument "Evangelii nuntiandi" von 1975. Darin analysierte Paul VI. die Schwierigkeiten der Kirche mit der Glaubensverkündigung in der modernen Welt und fordert neue Ansätze zur Überwindung des Grabens zwischen Kirche und zeitgenössischer Kultur.

"Humanae vitae"

Kein Papst wird in der öffentlichen Wahrnehmung so stark mit einem seiner Lehrschreiben identifiziert wie Paul VI. (1963-1978) mit seiner Enzyklika "Humanae Vitae". Keine Enzyklika wiederum wird so ausschließlich auf eine Aussage reduziert wie "Humanae Vitae" auf das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung. Und kaum eine päpstliche Aussage im 20. Jahrhundert ist schließlich - auch innerkirchlich - auf so viel Ablehnung gestoßen wie ebenjenes Verbot.

Die eigentliche Kernaussage von "Humanae Vitae" wird hingegen oft kaum wahrgenommen. Paul VI. hält in Zeiten der sexuellen Revolution ein Plädoyer für eheliche Treue und eine Liebe, die Körper und Geist umfasst. Das Schreiben mit dem Untertitel "Über die Weitergabe des Lebens" richtet sich gegen eine Verselbstständigung der körperlichen Liebe und ihre Herabwürdigung zum Konsumgut. Sexualität, Ehe und Fortpflanzung dürfen nach Ansicht von Paul VI. nicht grundsätzlich voneinander getrennt werden.

Einen Einwand seiner Kritiker greift Paul VI. in dem Schreiben selbst auf: "Kann man nicht die Meinung vertreten, dass das Ziel des Dienstes an der Fortpflanzung mehr dem Eheleben als Ganzem aufgegeben sei als jedem einzelnen Akt? Mit anderen Worten: Könnte sich die katholische Kirche nicht damit zufriedengeben, die Eheleute auf eine grundsätzliche Offenheit für die Weitergabe des Lebens zu verpflichten, ihnen aber anheimzustellen, wie sie die Familienplanung im Einzelnen bewerkstelligen. So hatte es dem Papst etwa eine von ihm eingesetzte Studienkommission empfohlen. Die Antwort Pauls VI. ist ein klares Nein. Sein Hauptargument ist das sogenannte Naturrecht. Das heißt grob gesagt: Der Mensch darf nicht in die von Gott gewollten natürlichen Gesetzmäßigkeiten eingreifen.

Paul VI. warnt zudem eindringlich vor den Folgen künstlicher Empfängnisverhütung: eine Degradierung der Frau zum gefügigen Lustobjekt männlicher Begierden, ein Missbrauch für eine staatlich gelenkte Bevölkerungspolitik und eine Förderung von sexueller Untreue. Künstliche Empfängnisverhütung könne dazu führen, dass Männer "die Ehrfurcht vor der Frau" verlören und sie "zum bloßen Werkzeug ihrer Triebbefriedigung erniedrigen und nicht mehr als Partnerin ansehen", heißt es in der Enzyklika. Dieses Argument wurde später auch von einigen Vertreterinnen des Feminismus gegen die Pille ins Feld geführt.


kathpress / red.